Wissmann: Ganz überwiegend wird die Erweiterung Europa nutzen, kann neue Wachstumsimpulse bringen, auch neue Exportchancen für die deutsche Wirtschaft. Klar ist aber, dass im Übergang nicht nur in den Grenzregionen, denken Sie an die deutsch-tschechische und an die deutsch-polnische Grenze, wegen des erheblichen Fördergefälles bei der Ansiedlung von Betrieben zu Gunsten der neuen Beitrittsländer, wir verdammt aufpassen müssen, dass eine vorhandene Abwanderungstendenz deutscher Unternehmen in die Beitrittsländer nicht zunimmt. Das heißt, wir müssen die regionale Wirtschaftspolitik des Bundes stärker auf diese Gegenden konzentrieren, müssen uns auch im Beihilferecht in der Europäischen Union dafür einen Freiraum geben lassen. Klar ist natürlich, dass gerade in dieser Übergangsphase von zehn bis 15 Jahren, in denen der Aufholprozess der neuen Länder auf den Standard der anderen, schon in der Europäischen Union befindlichen Länder, fortschreitet. Da müssen wir aufpassen, dass keine Abwanderung zu Lasten unserer Arbeitsplätze stattfindet.
Koczian: Ist denn dieser Freiraum, von dem Sie sprechen, gesichert? Man kann ja nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen.
Wissmann: Ich glaube, dass wir den Freiraum, den wir heute haben, noch nicht genügend ausnützen, dass wir auch nicht genügend fantasievoll sind was die bundesweite, regionale Wirtschafts- und Strukturpolitik angeht. Hier glaube ich, ist in den letzten Jahren einiges versäumt worden. Ich meine, wir könnten bei der Neuordnung der Struktur- und Regionalpolitik, die ja bevorsteht, weil die gesamten Zahlen für 2006 bis 2013 erst vereinbart werden müssen, als Nettozahlerland wohl darauf bestehen, dass nicht die europäischen Fonds ins Unendliche ausgeweitet werden, sondern mehr Spielraum für die nationale Wirtschafts- und Strukturpolitik entsteht, die dann auch vor Ort viel besser genutzt werden kann.
Koczian: Nun ist ja vielfach der Eindruck entstanden, als gewährten die alten EU-Staaten den Beitrittskandidaten eine Gnade. Diese mussten jedoch den legendären "acquis communautaire" schaffen und das war teilweise eine harte Aufgabe. Ist sie wirklich erfüllt worden?
Wissmann: Es gibt ein paar Umsetzungsschwierigkeiten. In einigen Ländern ist das, was die Regierungen verabschiedet haben, noch nicht in den Parlamenten umgesetzt worden ist. Aber bei allem muss man die Anstrengung der Beitrittsländer, sich auf europäisches Recht einzustellen, durchaus würdigen. Es kommt eben jetzt nur darauf an, dass sie die sich daraus ergebenden Folgen clever managen. Ich würde mal sagen, Gnade ist nicht das richtige Wort. Es gibt sicher eine Hilfe, aber das die Hilfe überschaubar ist, sehen Sie daran, dass in den nächsten drei Jahren, wenn Sie alles Netto unter dem Strich zusammenrechnen, Deutschland in einer Größenordnung von 2,5 bis 3 Milliarden Euro für die Finanzierung über die Europäische Union der neuen Beitrittsländer ausgibt. Das ist, angesichts des Wachstums- und Friedenspotentials des Beitritts der zehn Länder eine, glaube ich, mit guter Rendite, ausgestattete Investition.
Koczian: Aber das bedeutet doch auch, dass diese Beitrittskandidaten jetzt eine Flexibilität gelernt haben, über die wir fast behäbig erscheinen.
Wissmann: So ist es. Das ist so, wie mit Schnellbooten und großen Tankern, dass die Gefahr besteht, dass die Schnellboote uns zeigen, wie man das Meer intelligent durchpflügt und deswegen muss vor allem bei uns noch mehr von den Hausaufgaben gemacht werden. Ein unbürokratisches Steuerrecht gehört dazu, die Entlastung der Arbeit von riesigen Lohnnebenkosten, die die Arbeitsplätze zum Teil abwandern lassen. Das sind die Aufgaben, die uns herausfordern. Klar ist, der Beitritt ist eine erhebliche Chance, aber es fordert diejenigen, die in diesem gemeinsamen Markt sind, sehr, sehr schnell auf Veränderung zu reagieren. Es gibt einen guten Satz, der sagt: "In der Welt des 21. Jahrhundert, auch im Europa des 21. Jahrhunderts, besiegen im Wettbewerb um Arbeitsplätze und Wirtschaft nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen." Wir müssen schneller, innovativer, technologisch orientierter werden, denn in Deutschland sind die Arbeitsplätze, die auch in Zukunft bleiben können bei guten Löhnen, die Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung, also auch Arbeitsplätze mit Technologieanteil und Dienstleistungsarbeitsplätze.
Koczian: Das Bauwerk steht morgen. Das Fundament fehlt, die Verfassung. Zwar gilt Nizza, aber das ist Treibsand, wenn es um Entscheidungsfindungen geht. Was also ist zu tun?
Wissmann: So zügig wie möglich neben die Erweiterung der Union, über die wir eben gesprochen haben, die Vertiefung stellen, also mit einer Verfassung, Führungsstrukturen für das 25-Staaten Europa aufbauen, die dieses Europa überhaupt führungsfähig machen. Es gilt der Satz des erfolgreichsten Kommissionspräsidenten in der Europäischen Kommission der letzten 20 Jahre, des französischen Sozialdemokraten Jacques Delors, der vor kurzem gesagt hat, "seid Euch darüber im Klaren, Ihr werdet gewaltige Anstrengungen brauchen, um die Integration dieser zehn Staaten in den nächsten 10 bis 20 Jahren politisch, wirtschaftlich und sozial hinzubekommen. Und seid sehr zurückhaltend mit großzügigen, weiteren Erweiterungsrunden." Dass heißt, über Bulgarien, Rumänien und Kroatien hinaus, werden wir anderen Ländern nicht zu viele Hoffnungen machen dürfen, auf ein baldige weitere Vollmitgliedschaft.
Koczian: Ist denn dieser Freiraum, von dem Sie sprechen, gesichert? Man kann ja nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen.
Wissmann: Ich glaube, dass wir den Freiraum, den wir heute haben, noch nicht genügend ausnützen, dass wir auch nicht genügend fantasievoll sind was die bundesweite, regionale Wirtschafts- und Strukturpolitik angeht. Hier glaube ich, ist in den letzten Jahren einiges versäumt worden. Ich meine, wir könnten bei der Neuordnung der Struktur- und Regionalpolitik, die ja bevorsteht, weil die gesamten Zahlen für 2006 bis 2013 erst vereinbart werden müssen, als Nettozahlerland wohl darauf bestehen, dass nicht die europäischen Fonds ins Unendliche ausgeweitet werden, sondern mehr Spielraum für die nationale Wirtschafts- und Strukturpolitik entsteht, die dann auch vor Ort viel besser genutzt werden kann.
Koczian: Nun ist ja vielfach der Eindruck entstanden, als gewährten die alten EU-Staaten den Beitrittskandidaten eine Gnade. Diese mussten jedoch den legendären "acquis communautaire" schaffen und das war teilweise eine harte Aufgabe. Ist sie wirklich erfüllt worden?
Wissmann: Es gibt ein paar Umsetzungsschwierigkeiten. In einigen Ländern ist das, was die Regierungen verabschiedet haben, noch nicht in den Parlamenten umgesetzt worden ist. Aber bei allem muss man die Anstrengung der Beitrittsländer, sich auf europäisches Recht einzustellen, durchaus würdigen. Es kommt eben jetzt nur darauf an, dass sie die sich daraus ergebenden Folgen clever managen. Ich würde mal sagen, Gnade ist nicht das richtige Wort. Es gibt sicher eine Hilfe, aber das die Hilfe überschaubar ist, sehen Sie daran, dass in den nächsten drei Jahren, wenn Sie alles Netto unter dem Strich zusammenrechnen, Deutschland in einer Größenordnung von 2,5 bis 3 Milliarden Euro für die Finanzierung über die Europäische Union der neuen Beitrittsländer ausgibt. Das ist, angesichts des Wachstums- und Friedenspotentials des Beitritts der zehn Länder eine, glaube ich, mit guter Rendite, ausgestattete Investition.
Koczian: Aber das bedeutet doch auch, dass diese Beitrittskandidaten jetzt eine Flexibilität gelernt haben, über die wir fast behäbig erscheinen.
Wissmann: So ist es. Das ist so, wie mit Schnellbooten und großen Tankern, dass die Gefahr besteht, dass die Schnellboote uns zeigen, wie man das Meer intelligent durchpflügt und deswegen muss vor allem bei uns noch mehr von den Hausaufgaben gemacht werden. Ein unbürokratisches Steuerrecht gehört dazu, die Entlastung der Arbeit von riesigen Lohnnebenkosten, die die Arbeitsplätze zum Teil abwandern lassen. Das sind die Aufgaben, die uns herausfordern. Klar ist, der Beitritt ist eine erhebliche Chance, aber es fordert diejenigen, die in diesem gemeinsamen Markt sind, sehr, sehr schnell auf Veränderung zu reagieren. Es gibt einen guten Satz, der sagt: "In der Welt des 21. Jahrhundert, auch im Europa des 21. Jahrhunderts, besiegen im Wettbewerb um Arbeitsplätze und Wirtschaft nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen." Wir müssen schneller, innovativer, technologisch orientierter werden, denn in Deutschland sind die Arbeitsplätze, die auch in Zukunft bleiben können bei guten Löhnen, die Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung, also auch Arbeitsplätze mit Technologieanteil und Dienstleistungsarbeitsplätze.
Koczian: Das Bauwerk steht morgen. Das Fundament fehlt, die Verfassung. Zwar gilt Nizza, aber das ist Treibsand, wenn es um Entscheidungsfindungen geht. Was also ist zu tun?
Wissmann: So zügig wie möglich neben die Erweiterung der Union, über die wir eben gesprochen haben, die Vertiefung stellen, also mit einer Verfassung, Führungsstrukturen für das 25-Staaten Europa aufbauen, die dieses Europa überhaupt führungsfähig machen. Es gilt der Satz des erfolgreichsten Kommissionspräsidenten in der Europäischen Kommission der letzten 20 Jahre, des französischen Sozialdemokraten Jacques Delors, der vor kurzem gesagt hat, "seid Euch darüber im Klaren, Ihr werdet gewaltige Anstrengungen brauchen, um die Integration dieser zehn Staaten in den nächsten 10 bis 20 Jahren politisch, wirtschaftlich und sozial hinzubekommen. Und seid sehr zurückhaltend mit großzügigen, weiteren Erweiterungsrunden." Dass heißt, über Bulgarien, Rumänien und Kroatien hinaus, werden wir anderen Ländern nicht zu viele Hoffnungen machen dürfen, auf ein baldige weitere Vollmitgliedschaft.
