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Witze für die Generation 2.0

Der Hamburger Comedy Pokal gilt als einer der härtesten, aber auch besten deutschen Humor-Wettbewerbe. Etwa 100 Comedians bewerben sich jährlich, 20 treten gegeneinander an. Der 24-jährige Niederbayer Maxi Gstettenbauer, der mit Geschichten von Nerds überzeugte, ist diesjähriger Sieger.

Von Eric Leimann |
    "Guten Abend Hamburg und herzlich willkommen im Schmidts Tivoli zum Finale des 11. Hamburger Comedy Pokals. Drei tolle Tage liegen bereits hinter uns mit spannenden Entscheidungen, und das Spannendste kommt jetzt: Das Finale."

    Die Kuschel-Pokale, die es hier neben kleineren Geldpreisen zu gewinnen gibt, sind aus Frottee - die Entscheidungen jedoch knallhart. Letzten Freitag gingen 20 Comedians in den Wettbewerb, die im Duell gegeneinander antreten, der Sieger kommt weiter. Das gleiche Prinzip gilt auch im Halbfinale. Zu den fünf direkten Finalisten des gestrigen Abends gesellen sich zwei aus der Trostrunde. Unter anderem auch der Sieger, der kurz nach 23 Uhr feststeht:

    "Hier kommt Maxi Gstettenbauer!"

    Maxi Gstettenbauer, ein 24 Jahre alter Niederbayer, der in Köln lebt, macht klassische Stand-up-Comedy. Es geht um die Computer-Gadgets des modernen jungen Mannes. Geschichten von Nerds, Witze der Generation 2.0.

    "Mein Tag fing heute eh super an: Ich wach auf, ich geh auf Facebook, und ich hab eine Freundschaftsanfrage von meiner Mutter. Alter, wer hat meiner Mutter Strom erklärt? Ich hab‘s dann natürlich angenommen, aber ich muss ihr noch ein paar Sachen erklären, sie versteht‘s noch nicht ganz. Ich bin ihr einziger Freund! Und wenn ich was auf Facebook poste, dann ruft sie mich an. Sie ruft mich an! Sie ruft mich an! Und sagt: Gefällt mir!"

    13 Minuten haben die Finalisten beim Hamburger Comedy Pokal Zeit, Publikum und Jury auf ihre Seite zu ziehen. Da kommt es auf die Kunst der Verdichtung und des schnellen Warmwerdens an. Die drei Plätze auf dem Podium verteilt eine fünfköpfige Jury, daneben gibt es den Publikumspreis, der über einen "Applausometer" ermittelt wird.

    "Und wären wir Deutsche wirklich alle Papst, dann gäb‘s weniger Missbrauchsfälle - die aufgeklärt würden."

    Martin Zingsheim, ebenfalls aus Köln, gewinnt den Publikumspreis an diesem Abend mit 108 Dezibel. Die Schmerzgrenze liegt erst bei 130, wie der echte oder auch falsche Notar mit dem Messgerät verrät. Doch warum gibt es überhaupt eine Jury, wenn doch eigentlich nichts so aussagekräftig ist, wie das Lachen im überfüllten Schmidts Tivoli?

    "Natürlich kann man es am Publikum rein theoretisch ausmachen, dass man so mitschreibt: Wer hat die meisten Lacher gehabt und so weiter. Aber ich glaube, dass die Jury ein bisschen dafür stehen sollte, auch Comedians mit leiseren Tönen, die nicht nur Schenkelklopfer bringen, sondern auch etwas nuancierter sind, irgendwie zu sagen: Das hat seine Qualität!"

    Mirko Bott, Programmmacher des Schmidts Tivoli, sitzt seit zehn Jahren in der Jury des Hamburger Comedy-Pokals. Veranstalter ist ein rühriger e.V., die Preise sind eher sekundär. Wichtig sind Ruhm, Aufmerksamkeit und Möglichkeit zum Auftritt. Der Drittplatzierte des gestrigen Abends, der erst 23 Jahre alte Masud aus Berlin, macht erst seit einem Jahr Comedy. Ein junger Perser, der sich schüchtern gibt und als einziges Accessoire einen verdächtigen Koffer mit auf die Bühne bringt ...

    "Aber keine Angst, ich werde jetzt keine stereotypen Witze machen über Selbstmordattentäter und so, das ist mir einfach zu blöd. Ich möchte nur eins sagen: Heute Abend ist meine letzte Show."

    Eigentlich ist Masud in der ersten Runde rausgeflogen. In der "Die zweite Chance Show" hat er sich jedoch am Sonntag gegen elf andere Verlierer durchgesetzt. Auch Sieger Maxi Gstettenbauer hat es erst über den Hoffnungslauf aufs Siegertreppchen geschafft. Für ihn treten in Hamburg die besten Nachwuchs-Comedians gegeneinander an. Das sagt er aus eigener Erfahrung.

    "Wenn man mehrmals bei so kleinen Wettbewerben dabei ist, bei so kleineren Comedy Slams, und man merkt, die Top Drei sind immer die gleichen Leute: Das sind Kristian Kokol, Alain Frei, Ingmar Stadelmann, Masud. Das ist eben diese neue Generation, die nach amerikanischem Vorbild Stand-up macht, die nicht einfach nur Witze erzählen, sondern aus ihrer Sicht heraus die Leute unterhalten wollen und sie in ihre Welt ziehen wollen. Und keiner lässt sich auf ein Thema festlegen, sondern das kommt alles natürlich daher."

    Das Besondere am Hamburger Event liegt für Gstettenbauer neben der Qualität auch in der Härte des Wettbewerbs, also den direkten Duellen.

    "Es ist meistens so, dass bei anderen Wettbewerben meistens acht nominiert werden, und die sind dann halt im Finale. Und unter den acht wird‘s ausgemacht. Hier spielen sich alle Künstler durch einen sehr, sehr harten Prozess durch. Und die, die im Finale sind, das sind die Besten, die momentan unterwegs sind."

    Maxi Gstettenbauer hat den Platz auf dem Siegertreppchen verdient. Auch in der Publikumswertung landete der klassische Stand-Up-Comedian mit den modernen Themen nur ein Dezibel hinter dem ebenfalls witzigen und sehr musikalischen Martin Zingsheim. Beide könnte man demnächst auf größeren Bühnen oder im Fernsehen wiedersehen - so wie Cindy aus Marzahn, die - damals völlig unbekannt - 2006 hier den zweiten Preis gewann. Sie kam damals übrigens auch über den Hoffnungslauf ins Finale. Heute moderiert Cindy aus Marzahn "Wetten, dass..?". Was für eine Comedy-Karriere.