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WM 2006
"Ex-Funktionäre werden wohl wegen Steuerhinterziehung angeklagt"

Bestechung, Stimmenkauf, unklare Finanzströme - die Hintergründe der Fußball-WM 2006 entstprechen eher einer Ganovengeschichte als einem Sommermärchen. Wahrscheinlicher als ein glückliche Ende ist für Sportjournalist Thomas Kistner, dass Theo Zwanziger und Woilfgang Niersbach angeklagt werden.

Thomas Kistner im Gespräch mit Astrid Rawohl | 05.05.2018
    Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger (r) und sein Nachfolger Wolfgang Niersbach unterhalten sich
    Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger (r) und sein Nachfolger Wolfgang Niersbach. (picture alliance / dpa/ Hanibal Hanschke)
    Anfang April haben die Steuerfahnder einen Abschlußbericht vorgelegt, der ehemalige DFB-Funktionäre in die Bredouille bringt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt seit Ende 2015 in der sogenannten Sommermärchen-Affäre rund um die Fußball-WM 2006 in Deutschland, was es mit den ominösen 6,7 Millionen Euro auf sich hat.
    Diese Summe wurde ein Jahr vor der Heim-WM vom DFB an den Weltverband FIFA gezahlt. Der Betrag wurde auf ein Konto des ehemaligen Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus weitergeleitet. Verbucht wurden diese 6,7 Millionen vom DFB für eine WM-Gala, die nie stattgefunden hat.
    Das Finanzamt Frankfurt hatte schon Ende 2017 festgehalten, dass diese 6,7 Millionen steuerlich "unzutreffend" behandelt worden seien. Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung kennt den Abschlussbericht und fasst zusammen, zu welchem Ergebnis die Steuerfahnder letztendlich kommen.
    Möglicherweise Anklagen gegen Niersbach, Schmidt und Zwanziger
    "Die Ermittler kommen nach unseren Informationen zu der Überzeugung, dass diese 6,7 Millionen Euro eben genau kein Betrag des deutschen WM-Organisationskomitees zu der damals geplanten Eröffnungsgala in Berlin gewesen sei und auch nie wirklich dafür bestimmt war."
    Das Resultat: Es handelte sich um ein Privatdarlehen für Franz Beckenbauer, dessen Rückzahlung nicht als Betriebausgabe hätte daklariert werden dürfen. Daher war die Steuererklärung des Deutschen Fußball-Bundes 2016 falsch.
    Der DFB hat deshalb bereits eine Nachzahlung von 19 Millionen Euro an das Finanzamt geleistet. Zusätzlich sollen nun die drei damaligen Spitzenfunktionäre des DFB Wolfagng Niersbach (damals Generalsekretär), Horst R. Schmidt (damals Generalsekretär) und Theo Zwanziger (damals Vizepräsident) wegen schwerer Steuerhinterziehung angeklagt werden, meint Kistner. Der damalige FIFA-Generalsekretär Urs Linsi solle wegen Beihilfe angeklagt werden.
    Weitere Nachforschungen laufen
    Für Thomas Kistner ist es plausibel, dass mit den 6,7 Millionen Euro Fernsehrechte gekauft worden sind. Er wundert sich allerdings darüber, dass weder deutsche Politiker noch der künstlerische Leiter der geplanten Eröffnungsfeier, André Heller, sich zu dem Thema äußern mussten.
    Mit dem Abschlussbericht der deutschen Ermittler sind die Nachforschungen allerdings nicht beendet. Schweizer und US-amerikanische Behörden ermitteln weiterhin, für was die 6,7 Millionen Ero nun wirklich genutzt wurden. Auch Stimmenkauf ist ein möglicher Grund.
    Das gesamte Gespräch können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.