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WM 2018
Neuanfang beim kriselnden Verband

Die russische Fußballnationalmannschaft bangt derzeit um die EM-Teilnahme, der umstrittene Trainer Fabio Capello musste unlängst gehen. Jetzt soll mit dem neuen Trainer Leonid Sluzki und dem neuen Chef des russischen Fußballverbandes Witali Mutko frischer Wind wehen.

Von Thorsten Jabs |
    Das Logo der Fußball-WM 2018 in Russland wurde bei der Präsentation auf die Front des Bolschoi-Theaters in Moskau projiziert.
    Das Logo der Fußball-WM 2018 in Russland (picture alliance / dpa / Alexander Vilf)
    "Wer ist Sluzki?" hatte Zlatan Imbrahimovic in einem Interview gefragt. Vielleicht hilft dem schwedischen Superstar die Antwort eines russischen Amateurfußballers: Sluzki ist der russische Mourinho, meint der Fan. Ein Vergleich der bereits optisch hinkt. Den schlanken 52-jährigen Jose Mourinho sieht man meistens in Maßanzügen, den kräftigeren 44 Jahre alten Leonid Sluzki eher im Trainingsanzug. Auch sportlich trennen beide Welten. Die Erfolge des portugiesischen Trainers des englischen Spitzenclubs FC Chelsea sind kaum zu zählen - unter anderem stehen zwei Champions-League-Titel, ein Sieg im UEFA-Cup und acht Meisterschaften in vier verschiedenen Ländern in seiner Vita.
    Sluzki übernahm 2009 ZSKA Moskau - seit Mai ist er gleichzeitig Coach der russischen Nationalmannschaft. Er führte den Armeesportclub immerhin zum ersten Mal ins Viertelfinale der Champions League und unter anderem zu zwei Meisterschaften in Folge. Jetzt schaut ganz Fußball-Russland auf Sluzki, dessen ist er sich bewusst: "Es ist klar, dass der Druck, die Verantwortung und der Stress in meinem Leben jetzt eine ganz neue Stufe erreicht haben. Aber ich weiß, was es bedeutet und ich denke, dass ich bereit bin, das alles zu überstehen. Die Spieler und der Trainerstab werden alles tun, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen und uns für die Europameisterschaft zu qualifizieren."
    Nur gegen Liechtenstein und Montenegro gab es Siege
    Eine schwere Aufgabe für Leonid Sluzki und die Sbornaja, die russische Nationalmannschaft. Im Mai hatte Sluzki Fabio Capello auf dem Trainerstuhl abgelöst. Unter dem Italiener schied Russland bei der WM in Brasilien in der Vorrunde aus, in den vergangenen anderthalb Jahren wurden nur zwei Pflichtspiele gewonnen - gegen Liechtenstein und Montenegro. Sluzki hatte nicht viel Zeit, um viel zu verändern. Sportminister Vitali Mutko lobt ihn jedoch ihn höchsten Tönen. Sluzki habe den Geist eines Gewinners.

    Allerdings sieht er die umstrittene Belastung des Trainers: "Ich bin auch gegen die Doppelfunktion. In meinen Augen ist es sehr schwierig. Da gibt es Probleme mit dem Club und im Team, auch psychologische Probleme. Aber jetzt sage ich, wie haben uns dafür entschieden, weil Sluzki einer der erfolgreichsten russischen Trainer ist. Er ist im Fußball verwurzelt, kennt den Fußball und die Situation."
    Der Verband steht am Rande des Bankrotts
    Russlands Fußball steckt zweieinhalb Jahre vor der Heim-WM in der Krise. Eigene Spieler zu entwickeln, sei die größte Herausforderung, meint Mutko. Und diese hat er jetzt zur Chefsache erklärt. Die Doppelfunktion auf der Trainerbank sieht er zwar kritisch, das Mitglied der FIFA-Exekutive selbst übernahm in der vergangenen Woche jedoch auch den Posten des Präsidenten des russischen Fußballverbandes RFU - zunächst für ein Jahr: "Auf Grundlage der Situation, wie sich der russische Fußball in den vergangenen Jahren entwickelt hat und welche Rolle der russische Fußball spielt. Außerdem war mir bewusst, dass wir mit der WM vor einer großen Herausforderung stehen. Und 2018 ist ein Erfolg ohne eine erfolgreiche Entwicklung unseres Teams unmöglich. Deshalb habe ich die Entscheidung so getroffen."
    Eine Entscheidung, für die eine Ausnahme gemacht wurde. Denn eigentlich dürfen russische Minister keine Ämter in Verbänden übernehmen. Doch weder die Regierung noch die FIFA sehen darin ein Problem. Wie Sluzki steht auch Mutko vor großen Herausforderungen. Die RFU stecke in den roten Zahlen und stehe am Rande des Bankrotts, räumte er nach Amtsantritt ein, ohne Details zu den Schulden zu nennen. Jetzt gehe es darum, alle Kräfte rund um den russischen Fußball zu bündeln, Sponsoren zu finden und die Kosten zu optimieren.
    Sluzkis Gehalt zahlt sein Verein

    Für eine bessere Stimmung würde zunächst ein Sieg gegen Schweden in der Moskauer "Chimki-Arena" sorgen, eins der drei fertigen von insgesamt zwölf WM-Stadien. Schließlich sorgte auch Ex-Trainer Capello für hohe Kosten. Sein Gehalt soll bei sieben Millionen Euro pro Jahr, seine Abfindung bei 15 Millionen Euro gelegen haben. Sluzki bekommt dagegen nur Bonuszahlungen, sein Gehalt bezahlt sein Verein ZSKA Moskau.

    Vor dem Schicksalsspiel verbreitet der neue Trainer vor allem gute Stimmung. In den Trainingseinheiten sah man die Spieler trotz des enormen Drucks locker und gelöst. Ob Superstar Zlatan Imbahimovic dabei sei oder nicht spiele keine Rolle, sagte Sluzki. Für ihn ging es vor allem darum, die eigenen Aktionen durchzuspielen. "Ich wusste genau, wie viel Zeit ich habe, um die Mannschaft auf das Spiel vorzubereiten. Deshalb habe ich versucht, so viel Druck wie möglich zu machen, um den Spielern das zu vermitteln, was ich wollte."
    Für das Team gilt es, die Vorgaben auf dem Platz gegen Schweden umzusetzen und dem großen Druck standzuhalten. Für Russlands Fußball könnte ein Sieg für Ruhe sorgen und einen Neustart bedeuten. Und vielleicht würde sich dann auch Zlatan Imbrahimovic den Namen Leonid Sluzky merken.