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WM-Fehlprognose

Der langjährige DLV-Präsident Professor Helmut Digel, Mitglied im Council des Weltverbandes IAAF, gibt sich mehr als zuversichtlich. Acht Medaillen erwartet er für die Deutschen bei der Leichtathletik-WM in Berlin. Geradezu blamabel ist die Tatsache, dass Digel die Kenianer, Jamaikaner und Äthiopier mit keiner Silbe erwähnt.

Von Robert Hartmann |
    Die aktuelle Frage ist, wo überhaupt steht die deutsche Leichtathletik im Konzert der Besten. Wer seine Schwächen kennt, kann sie bekämpfen. Bei der großen Gesamtschau denkt der langjährige DLV-Präsident Prof. Helmut Digel, der Mitglied im Council des Weltverbandes IAAF ist, erst einmal groß. Vor einem Jahr bei den Olympischen Spielen in Peking aber gewann nur die schwäbische Speerwerferin Chistina Obergföll eine Bronzemedaille. Bei den vorausgegangen Welttitelkämpfen im japanischen Osaka war es ein bisschen besser, aber nicht viel.

    Für Berlin hat Professor Digel acht Medaillen erwartet. Dieser Optimismus ist ihm unbenommen. Schließlich besteht Meinungsfreiheit. Aber im gleichen Gespräch verbreitete er auch einen blühendem Unsinn. Den verbreitete er, als er einen Tipp zur Nationenwertung abgab. In sie hinein fließen alle Platzierungen von Rang eins bis acht.

    Digel nun sieht in diesem Ranking die US-Amerikaner vor den Russen, und danach ordnet er schon die Deutschen ein. Als eine Großnation der Leichtathletik. Als die Hauptkonkurrenten nannte er die Mannschaften aus Großbritannien und Frankreich.

    Dies geschieht in einer Zeit, da die Kunststoffbahnen aus den Stadien von Köln, Frankfurt und Stuttgart herausgerissen werden. Und sogar dem Olympia-Stadion von Berlin droht dieser Absturz.

    Geradezu blamabel ist die Tatsache, dass Digel die Kenianer, Jamaikaner und Äthiopier mit keiner Silbe erwähnt. Allein die Läufernation Kenia gewann ja in Peking 14 Plaketten, davon sechs aus Gold. Derartige dramatische Veränderungen zerstören endgültig ein Weltbild, in dem noch, überspitzt gesagt, der koloniale Zeitgeist existiert.

    Bei diesen Weltmeisterschaften nehmen erstmals mehr afrikanische Länder als europäische teil, mehr als 50. Manche Tatsachen lassen sich eben nicht mehr wegdiskutieren. Das ist ein Vorteil des Sports, und jeder täte gut daran, sich danach zu richten und die Konsequenzen zu ziehen.