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Wo die Kunst der Sparkunst zum Opfer fällt

"Die Kunst geht nach Brot!" So heißt es bereits in Lessings "Emilia Galotti". Dahinter verbirgt sich eine zeitlose Weisheit: Denn überall, wo Geld und damit Brot knapp werden, ist es mit der Kunst nicht gut bestellt. Die Ausbildung von zukünftigen Kunsterziehern macht da keine Ausnahme.

Von Thomas Wagner |
    "Mir will es nicht in den Kopf hinein, wie das funktionieren soll: Da sollen fast 100 neue Erstsemester dazukommen. Und 30, 40 Leute machen Prüfung."
    Angeregte Gespräche dieser Tage in einem bunt bemalten Container im Osten der Stadt Freiburg, in direkter Nachbarschaft zur Pädagogischen Hochschule. An der Wand hängt eine große Pappuhr, die symbolträchtig "fünf vor zwölf" anzeigt: Wieder mal Krisensitzung der Fachschaft Kunst. Es geht um den Vertrag eines Dozenten, der über die Altersgrenze hinaus gerne weiterarbeiten würde. Doch der Rektor will den Vertrag nicht verlängern. Parallel dazu hatte eine Dozentin eine Kürzung ihres Deputates um 50 Prozent beantragt.

    "Wenn ein Dozent ausfällt oder aufhört, dann wird diese Stelle erst mal ein Jahr nicht besetzt. Und wenn das dann an so einem Fachbereich wie der Kunst passiert, die ohnehin über einen geringen Dozentenstock verfügt, sind diese eineinhalb Stellen erst einmal eineinhalb Jahre unbesetzt: Das ist ganz, ganz viel weniger",

    so Jens Papencordt, Studierendenvertreter im Haushaltshausschuss der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Doch damit nicht genug:

    "Wir haben auch noch das Problem, dass unsere Studiengebühren-Einnahmen massiv eingebrochen sind durch die Geschwisterregelungen. Vom Land gibt es da fast gar keinen Ausgleich. Das heißt: Die Fächer müssen gleichzeitig auch noch bei den Lehrbeauftragten einsparen. Damit haben wir jetzt einfach die Situation, dass in dem Fach ganz, ganz viel wegfällt."

    Die Aussichten der Fachschaft Kunst sind nicht rosig: Weniger Dozenten, weniger Lehrbeauftragte, aber gleichzeitig 90 Erstsemester ab Oktober – dies bedeutet: Erheblich größere Gruppen in den Vorlesungen, Seminaren und Übungen. Sarah Winssauer von der Fachschaft Kunst:

    "Also ein Beispiel ist der Fotokurs. Da gibt es eben nur zehn Plätze in der Dunkelkammer. Also in anderen Fächern werden diese Kürzungen so ausgeglichen, dass man aus den Seminaren Vorlesungen macht. Da gibt es 30 Seminarplätze. Und daraus macht man denn eine Vorlesung, wo man 200 Studenten reinstecken kann. Das kann bei uns in Kunst nicht machen. Weil: Eine Dunkelkammer ist eine Dunkelkammer. Da können zehn Leute drin arbeiten. Da können nicht plötzlich 200 drinstehen."

    Insofern sind nach Ansicht der Fachschaft Kunst die personellen Kürzungen nicht umsetzbar, ohne dass damit eine erhebliche Verschlechterung der Ausbildungsqualität einhergeht. Dies wäre nach Ansicht von Sarah Winsauer aber fatal. Denn gerade in Grund-, Haupt- und Realschulen kämen die Lehrer im Fach Kunst einer wichtigen Aufgabe nach:

    "In Kunst lerne ich, mich in Bildern auszudrücken. Als Schüler lerne ich gerade im Fach Kunst, auch mit den ganzen Medien umzugehen, mit denen Kinder tagtäglich umgeben sind, wir auch: Also Internet, Fernsehen. Im Fach Kunst kann man noch einen ganz anderen Zugang an den Schüler vermitteln. Das ist doch sehr wichtig für unsere Gesellschaft, auch für die Zukunft unserer Gesellschaft, dass man mit solchen Medien umgehen kann."

    Die Freiburger Studierenden vermissen eine Lobby, die sich für eine gute Ausbildung angehender Kunsterzieher einsetzt. Dieses Problem tritt an einer Pädagogischen Hochschule besonders deutlich zutage. Dort steht die Kunst in Konkurrenz zu all den anderen Fächern wie Mathematik oder Physik, die von der Hochschulleitung häufig als wichtiger angesehen werden. Denn schließlich würden Physiker, Chemiker und Mathematiker auch händeringend von der Wirtschaft gesucht, was beim Fall 'Kunst' nicht der Fall sei. Und deshalb könnten die Hochschulen für solche 'harten' naturwissenschaftlichen Fächer auch leichter Drittmittel einwerben.

    "Da kann die Kunst einfach nicht so gut abschneiden. Und dementsprechend hat die Hochschule ein stärkeres Interesse daran, die naturwissenschaftlichen Fächer stärken und damit im Vergleich mit den Hochschulen besser da zustehen. Und es ist schon so, dass die ganzen musischen Fächer da schlechter abschneiden",

    erklärt Jens Papencordt, studentischer Vertreter im Haushaltsausschuss der Hochschule. Die Mehrheit der Kunststudierenden an der PH Freiburg will sich damit aber nicht abfinden. In einem offenen Brief fordern sie ihren Rektor auf, sich für verbesserte Personalausstattung in der Fachschaft Kunst einzusetzen. Eine Antwort haben sie aber noch nicht erhalten. Und deshalb wollen sie in den kommenden Wochen ihrer Forderung Nachdruck verleihen. Silvia Jerg, PH-Studentin und Mitglied der Fachschaft Kunst:

    "Also wir haben für das nächste Semester eine Aktion geplant, die wir 'Unsere Ausstellung' nennen. Und zwar dass wir einfach Leinwände, die wir gemalt haben, unfertig sind oder einfach leer sind und wir die an der Hochschule ausstellen werden, um klar zu machen: Konnte nicht fertiggestellt werden. Kein Geld für Betreuung, kein Geld für Farben. Keinen Raum gehabt. Irgendwann mal fragt man sich: Für was zahl' ich Studiengebühren? Für was zahl' ich denn das, dass die Möglichkeiten einfach immer weiter gestrichen werden"