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Wo die Zitronen blühn

Jedes Jahr können vier Künstler zehn Monate lang in der Villa Romana in Florenz als Stipendiaten wohnen und arbeiten. Nun wurde die deutsche Kolonie zwischen Zypressen und Olivenbäumen nach zehnmonatiger Renovierung wieder eröffnet. Kulturstaatsminister Bernd Neumann sprach in Florenz von der Vorbildfunktion die die Villa als gut funktionierendes Modell von privatem und öffentlichem Engagement habe. Doch es gab auch andere Töne. Anlässlich der 100-Jahr-Feier der Villa etwa hatte der Ex-Stipendiat Markus Lüpertz moniert, die Gegenwart habe dieses wunderschöne Haus zu einem beliebigen Stipendium für artige Kunstschüler degradiert. Nach Joachim Burmeister leitet nun Angelika Stepken - die Villa Romana, sie will sich besonders für die Qualität der Künstler einsetzen, aber auch dafür sorgen, dass die Zeit in der Toskana nicht nur eine kurze Episode bleibt, sondern dass die Stipendiaten auch in Deutschland die Kunst aus ihrer italienischen Periode zeigen können.

Von Thomas Migge |
    " Wir stehen jetzt vor der Villa Romana und zur Rechten haben wir den Venusbrunnen von 1905, als Max Klinger diese Villa gekauft hat."

    Angelika Stepken führt durch ihr Haus: eine neoklassizistische Villa in der florentiner Via Senese, nicht weit von vom historischen Zentrum entfernt und in einem grünen Park gelegen. In den letzten 40 Jahren wurde das Haus nie renoviert. Alles sah ein wenig heruntergekommen aus. Frau Stepken legte überall Hand an, restaurierte aber sehr behutsam, um die originale Bausubstanz zu erhalten:

    " Wenn wir hineingehen, begegnen wir wieder Max Klinger, allerdings in einem Bronzenachguss einer Skulptur, die er von Elsa Aseniev, seiner Lebensgefährtin, gefertigt hat. Ansonsten ist dieses Gebäude auch nach der Sanierung im wesentlichen nicht verändert worden. Sie finden die ganze eklektizistische Architektur des 19. Jahrhunderts wieder, mit verwinkelten Treppenhäusern, Zugängen, die dann noch einmal über den Hof in ein weiteres Ateliergebäude finden, gegenüber gibt¹s noch die Limonaia, einstiges Zitronenhäuschen, dann auch als Ateliereinheit umgebaut."

    Angelika Stepken ist die Direktorin dieses Paradieses auf Erden mit Namen Villa Romana. Seit 1905 ist in der prächtigen Residenz das älteste deutsche Künstlerhaus im Ausland untergebracht, gegründet von dem Maler Max Klinger und finanziert vom deutschen Künstlerbund und Sponsoren. Klingers Ziel war es, Künstlern ein Jahr lang die Möglichkeit zu geben, in aller Ruhe ihrem Schaffen nachgehen zu können. Seit 1906 kommen jedes Jahr drei bis vier Künstler nach Florenz.

    Im Erdgeschoss hat der deutsch-griechische Installationskünstler Michail Pirgelis seine Atelierwohnung. Pirgelis, seit Mai Stipendiat der Villa Romana, hat sich einen Namen mit seinen Installation aus Flugzeugteilen gemacht. Wie fühlt sich so ein zeitgenössischer Künstler angesichts der erdrückenden Realität der Renaissancekunst in Florenz?

    " Also es ist schon ziemlich schwierig da eine gewisse Inspiration zu finden, aber ich glaube, dass die Stadt, die hilft vielmehr einem, sich über bestimmte Dinge klarer zu werden, seine Gedanken zu ordnen und zu wissen, was man will und was nicht. Es ist ja nicht so, dass man unbedingt die Stadt braucht, um selber neue Arbeiten zu entwickeln, man kann ja auch genauso gut die Ruhe nutzen, im neue Wege für sich zu finden."

    Eine Jury des deutschen Künstlerbundes wählt die Glücklichen aus, die neben Wohnraum jeden Monat ein Stipendium von 1.500 Euro erhalten. Max Klinger wollte, dass die Stipendiaten, so seine Worte, ³frei von Alltagssorgen und finanziellen Nöten² leben können. Wenigstens ein Jahr lang. Die Villa Romana beherbergte viele heute bekannte Künstler: Barlach und Beckmann, Kollwitz und Baselitz, Lüpertz und Opperheim. Sie alle hatten die Möglichkeit, sich mit der in Florenz allgegenwärtigen Renaissance und ihren Meistern auseinandersetzungen, sich den Großen der Kunstgeschichte zu stellen, sich mit ihnen zu vergleichen. Von 1935 an leitete Hans Purrmann die Villa Romana. Der Schüler von Matisse gab während des Nationalsozialismus in Deutschland verschmähten Künstlern ein Quartier. Später musste auch er in die Schweiz fliehen. Bis 1953 war die Villa dann in italienischem Besitz. Es war Purrmann zu verdanken, dass sie wieder Eigentum der Bundesrepublik wurde.

    Bis zum Amtsübernahme von Angelia Stepken war Joachim Burmeister Direktor der Villa Romana. 34 Jahre lang. Die neue Direktorin hat nicht nur die komplette Renovierung und Modernisierung der Villa überwacht, sondern will dem Künstlerhaus auch eine neue Richtung geben:

    " Da haben wir jetzt, mit der Veränderung des Jury-Verfahrens oder mit der Eröffnung eines zweiten Ausstellungssaales, mit der Überlegung, dass die Stipendiaten ab nächstes Jahr auch die Möglichkeit haben, interdisziplinäre Gäste international einzuladen, mit der Überlegung, dass ein Rücklauf von Florenz dann nach Deutschland stattfinden, mit Ausstellungen und Präsentationen und es gibt auc verschiedene Elemente, die die Produktivität des Hauses aktualisieren sollen."

    Angelika Stepken will auch Kurzaufenthalte von Künstlern fördern. Drei, vier Monate lang. Deshalb hat sie bereits Edi Hila eingeladen, den sicherlich interessantesten zeitgenössischen Künstler aus Albanien, der in Deutschland immer noch relativ unbekannt ist, auch wenn er derzeit auf der ³documenta² in Kassel einige seiner Bilder ausstellt. Wir treffen Edi Hila in seiner Stipendiatenwohnung unter dem Dach:

    " Dieser Aufentahlt hier, der jetzt zu Ende geht, hat mir viele widersprüchliche Impressionen geschenkt. Ich habe Distanz zur komplizierten Situation von uns Künstlern in Albanien gewonnen, habe in Ruhe schaffen können und ich glaube, dass dieses Idyll des Schaffens, des Austausches, das diese Villa Romana Künstlern bietet, ihr eigentlicher Sinn ist."