Archiv


Wo Firmen, Forscher und Studenten zusammenarbeiten

Sie steht für Spitzenleistungen in Forschung und Entwicklung und zugleich für eine Jobmaschine: Heute, 20 Jahre nach ihrer Gründung - befinden sich auf dem 300 Hektar großen Areal der "Wissensstadt Ulm" mehr als 8600 Arbeitsplätze - mit steigender Tendenz. Nachdem man sich in der gemeinsame Forschungsarbeit bislang auf die großen Konzerne konzentriert hat, nun sollen zukünftig verstärkt mittelständische Unternehmen in die Forschung mit einbezogen werden.

Von Thomas Wagner |
    Wer von Ulm stadtauswärts fährt, Richtung Stuttgart, kommt an den Hinweisschildern nicht vorbei: "Wissenschaftsstadt" steht da gleich mehrfach an der Ausfahrt des Autobahnzubringers. Und wer den Hinweistafeln folgt, gelangt zu futuristisch anmutenden Gebäuden: Da ist zum einen die junge Uni Ulm auf dem Oberen Eselsberg, längst scheinen die verwinkelten Labors und Hörsäle eins zu sein mit der bewaldeten Umgebung.

    Gleich nebenan stößt man auf mehrere nüchterne Geschäftsgebäude, deren Aufschriften neugierig machen: "Institut für Lasertechnologie"; "Institut für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie." Wer schließlich in die andere Richtung fährt, kommt aus dem Wald hinaus und mitten in die "Science Parks" I und II hinein - eine Ansammlung von 60 Hightech-Firmen, die Handys ebenso entwickeln wie elektronische Steuerungssysteme. Professor Karl Ebeling, Rektor der Universität Ulm:

    "Man bringt eben die Universität, dann die Forschungsinstitute und die Wirtschaft ganz eng zusammen. Und der Austausch funktioniert eben im Wesentlichen über Köpfe: Das heißt, die Studenten gehen in die Wirtschaft, in die Industrie, machen dort ihre Praktika, ihre Diplomarbeiten, ihre Doktorarbeiten. Auf der anderen Seite haben wir enge Beziehungen zu den Forschern, indem sie bei uns lehren, und auch mit uns gemeinsam Forschungsprojekte umgekehrt in der Universität durchführen können."

    Da zwischen Instituten, Betrieben und Hochschulen gerade mal ein paar Schritte liegen, gehen solche Verzahnungsprozesse leicht von der Hand - seit nunmehr 20 Jahren. Gleichwohl sprechen alle Beteiligten nun von der Notwendigkeit der Fortentwicklung. Denn: Gerade mittelständische Unternehmen blieben in der Vergangenheit bei der Kooperation mit den beiden Hochschulen häufig außen vor.

    Rund die Hälfte aller Mittelständler aus der Region, so ergab es eine Umfrage der IHK Ulm, habe zwar schon mal was vom Projekt Wissenschaftsstadt gehört. Welche Kooperationsmöglichkeiten es dort gebe, wisse man aber nicht. Peter Kulitz, Präsident der IHK Ulm:

    "Gerade dieses Bewusstsein wollen wir ändern: Dass eben die Wissenschaftsstadt, die Institute dort, die Hochschulen, nicht nur für die Großen da sind. Die können das ja sowieso. Sondern den Nutzen für den kleineren und mittleren Betrieb, den müssen wir bewusst machen."

    Peter Kulitz hat hier mit seinem eigenen Unternehmen gute Erfahrungen gemacht - speziell mit der Hochschule Ulm:

    "Im Bereich Marketing haben wir im letzten Herbst 24 Fachhochschüler im Betrieb gehabt; vier Wochen haben die ein Seminar gemacht, Marketingkonzepte entwickelt. Und Sie glauben nicht, wie die meine Marketingabteilung schlicht überrascht haben. Da konnte einiges übernommen werden."

    Ist die verstärkte Einbeziehung des Mittelstandes ein Ziel, so ist eine Kehrtwende in der gemeinsamen Forschungsarbeit ein Zweites. Kommunikationstechnologie, Laser-, Solarenergie- und Brennstoffzellenforschung - das sind bisher wesentliche Schwerpunkte, die allerdings nicht ganz der Wirtschaftsstruktur in der Region Ulm Rechnung tragen. Peter Kulitz:

    "Biotechnologie ist hier in der Region ja ein Musterbeispiel fortschrittlicher Technologie, die sich auch in Arbeitsplätzen umsetzt. Jetzt geht es aber darum, dass dies noch viel mehr flankiert wird von den Hochschulen. Dort müssen entsprechende Lehrstühle eingerichtet werden, damit die Zusammenarbeit intensiviert werden kann. Es ist die Rede von bis zu vier Lehrstühlen."

    Außerdem blieben die Beteiligten am Projekt Wissenschaftsstadt von wirtschaftlichen Unwägbarkeiten nicht verschont: Nach dem Verkauf der Siemens-Handysparte schloss der Konzern flugs sein Handyforschungsinstitut in der Wissenschaftsstadt. Das gleiche Schicksal war dem so genannten "FAW-Institut" beschieden, an dem verschiedene Kfz-Zulieferer gemeinsam mit den Hochschulen Forschungsprojekte betrieben.

    Dass die Uni Ulm trotz Wissenschaftsstadt, und den Synergieeffekten, dort der Exzellenzinitiative des Bundes mit Ausnahme der Graduiertenausbildung außen vor blieb, empfindet die Uni-Leitung dagegen nicht als Makel. Dies hänge mit der speziellen Ausrichtung der jungen Hochschule zusammen, die keine Volluniversität ist, sondern sich schwerpunktmäßig auf Medizin, Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften konzentriert. Geistes- und Sozialwissenschaften, sagen dann auch Kritiker, spielen in der Wissenschaftsstadt kaum eine Rolle - ein Argument, dass der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner aber zurückweist:

    "Es gibt unwahrscheinlich viele Aktivitäten, zum Beispiel hier am Zabel-Institut, das allgemeine wissenschaftliche Weiterbildung macht. Es gibt ein hochattraktives Humboldt-Zentrum, das hier mehr wie manche etablierte Universität Themen aufgreift. Es gibt zwar keine richtigen Fakultäten, es gibt aber eine Menge an Aktivitäten - auch im geisteswissenschaftlichen Bereich."