Donnerstag, 09. Mai 2024

Archiv

"Wo ist Behle?"
Sportreporter-Legende Bruno Moravetz verstorben

Der Sportjournalist Bruno Moravetz ist am Silvestertag im Alter von 92 Jahren in Kempten verstorben. Moravetz war jahrelang auch Mitarbeiter der Deutschlandfunk-Sportredaktion. Seine Suche nach Skilangläufer Jochen Behle in Fernsehbildern der Olympischen Winterspiele 1980 in Lake Placid wurde zur Legende.

Von Thomas Purschke | 01.01.2014
    Bruno Moravetz wurde am 11. September 1921 in Kronstadt in Siebenbürgen geboren. Nach Ende des Krieges kam er nach Deutschland und begann, als Volontär für die "Allgäuer Zeitung" zu schreiben. Nach Stationen in Stuttgart, Kornwestheim und Heidenheim wechselte er zum neu gegründeten "Zweiten Deutschen Fernsehen" und avancierte zu einem der kompetentesten und beliebtesten Sportjournalisten Deutschlands. Seine Fachgebiete waren vor allem nordischer Skisport, Fechten und Alpinismus. "Mora", wie er im Kollegenkreis genannt wurde, hat als Fachautor mehrere Bücher über den Winter- und Bergsport herausgegeben. Zahlreiche Expeditionen führten ihn zu den höchsten Bergen der Welt im Himalaja und Karakorum, wo er die Gipfelerfolge von Reinhold Messner mit der Kamera dokumentierte. 1977 hätte ihm das bei einer Himalaja-Expedition zum Dhaulagiri (8167 Meter) fast das Leben gekostet, als der 55-jährige Moravetz an einem Lungenödem erkrankte. Ein Sherpa eilte ins Tal und alarmierte einen Hubschrauber, der Moravetz nach Kathmandu in eine Klinik brachte.
    Seine ersten Olympischen Winterspiele als Reporter erlebte Moravetz 1952 in Oslo, seine letzten 1992 in Albertville, wo nach dem Fall der Mauer erstmals wieder eine gesamtdeutsche Mannschaft an den Start ging. Die Landsleute in der DDR waren ihm als kritischen Journalisten immer ein Anliegen. Bei der Flucht des DDR-Kombinierers Ralph Pöhland 1968, der sich im schweizerischen Les Brassus mit Unterstützung von Olympiasieger Georg Thoma, in den Westen absetzte, war Moravetz mit seinem ZDF-Filmteam dabei, verzichtete aber auf eine Ausstrahlung. Reporter Moravetz arbeitete als Journalist von 1963 bis zu seiner Pensionierung 1986 beim ZDF. Seine gut recherchierten Filmbeiträge für "Sport-Spiegel" und die "Sport-Reportage" sind vielen noch in guter Erinnerung geblieben.
    Er war politisch engagiert und immer kommunikativ. Jungen Pressekollegen aus Ostdeutschland, die 1992 erstmals zu Olympischen Spielen reisen konnten, half er in Albertville, mit Rat und Tat. Moravetz konnte Geschichten erzählen, seine raue Stimme war markant. Von seinen vielen packenden Reportagen ist die Übertragung des 15-Kilometer-Skilanglaufs bei den Winterspielen 1980 in Lake Placid legendär, als der Finne Juha Mieto bei seiner letzten Chance, eine Einzel-Goldmedaille zu gewinnen, vom Schweden Thomas Wassberg um eine Hundertstelsekunde geschlagen wurde. "Mein Gott, wie wird das Mieto treffen", kommentierte spontan der Reporter.
    Im selben Rennen wurde der junge, damals weithin unbekannte deutsche Skilangläufer Jochen Behle trotz Zwischenbestzeit von der US-Fernsehregie nicht eingeblendet. Reporter Moravetz ging daraufhin auf die Suche, der Spruch wurde zum geflügelten Wort:
    "Die ganze feine Gesellschaft des Langlaufens hinter Behle. Wer glaubt denn das? Da müsste man jetzt Behle sehen. Der Schimmelreiter, unsichtbar, geheimnisvoll. Ja, warum ... ? Ja, haben die was gegen Behle? Oder ist er nicht da? Oder was ist denn los? Ich weiß es nicht."

    Bruno Moravetz, der, obwohl ein bekanntes Fernsehgesicht und Mitbegründer des "Aktuellen Sportstudios" im ZDF, stets mit beiden Füßen auf dem Boden blieb, war Mitbegründer des Forum Nordicum, einer Interessengemeinschaft nordischer Skisport-Journalisten in Europa.

    Seit 1972 lebte der Vater dreier Töchter in seinem Haus in Nesselwang im Allgäu. Das Sportgeschehen verfolgte er bis zum Schluss mit großem Interesse, trotz seiner nach mehreren Herzinfarkten stark beeinträchtigten Gesundheit. Auch wenn er den Sport zunehmend kritisch als mehr und mehr kommerzialisierte Show wahrnahm. "Aber Geld verdirbt den Charakter, daran ging schon das klassische Olympia zu Grunde.", mahnte Moravetz vor Jahren kritisch an.