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Wo liegen die Grenzen des Wachstums?

Die Grenzen das Wachstums - als der "Club of Rome" im Jahr 1972 eine Studie mit diesem Titel herausgab, war die Wachstumseuphorie in der Welt noch kaum gebrochen. Die Wissenschaftler um Donella und Dennis Meadows zeigten, wo es hinführt, wenn die Ressourcen weiter verschwendet werden, wenn die Umwelt weiter verschmutzt wird und die Zahl der Menschen ungebremst wächst. Das Werk wurde zu einem der wichtigsten Sachbücher des vergangenen Jahrhunderts und wenn vieles anders gekommen ist als die Autoren erwartet hatten, dann liegt das vielleicht auch daran, dass es Menschen gab, die ihre Warnungen ernst genommen haben. Dennis Meadows befasst sich auch heute mit den Folgen ungebremsten Wachstums - in Kürze erscheint eine aktualisierte Ausgabe des Werkes in Deutschland. Der Autor war nun auf Einladung der Deutschen Umwelthilfe in Berlin.

Von Markus Rimmele |
    Ein illustrer Kreis ist ins Kaminzimmer der Deutschen Umwelthilfe in Berlin gekommen, Jürgen Trittin etwa, mehrere Bundestagsabgeordnete, Spitzenvertreter der deutschen Umweltverbände. Die Begegnung mit einer lebenden Legende hat sie hergelockt, mit Dennis Meadows. Weißer korrekt gestutzter Vollbart, dynamische Bewegungen, ein scharfer Blick: Meadows hat eine starke Ausstrahlung. Sein Name steht seit Jahrzehnten für "Die Grenzen des Wachstums", sein Klassiker von 1972. Meadows stört diese Festlegung nicht. Im Gegenteil.

    " Das Buch sagt noch immer die Wahrheit. Das ist faszinierend. Ich habe nicht erwartet, dass es so wahr sein würde. Manche Leute haben das Buch kritisiert. Wir hätten angeblich behauptet, bis zum Jahr 2000 würde die Menschheit untergehen. Und die Menschheit existiert doch noch immer. Aber wir haben das nie behauptet. Wir haben prognostiziert: Bis 2010, 2020 wird es keine Probleme geben. Bis dahin wird das globale System weiter wachsen. Unsere Vorhersagen für das Jahr 2000, etwa bei der Bevölkerungsentwicklung, sind fast exakt eingetroffen. Das Buch stimmt also bis jetzt. Und wenn es stimmt: Warum sollte man es dann abändern? "

    Nicht nur, dass Meadows sein Buch von 1972 gegen alle Kritik verteidigt, er veröffentlicht es auch immer wieder neu, mit Anpassungen. Anfang der 90er Jahre hieß das: Die neuen Grenzen des Wachstums. Im Mai erscheint nun auf Deutsch das 30-Years-Update, die Aktualisierung 30 Jahre nach Ersterscheinen. Meadows’ Grundthesen, aufgestellt anhand von Computermodellen, bleiben die gleichen: Ständiges Wachstum der Industrieproduktion und der Weltbevölkerung zerstört unsere Lebensgrundlage. Die Ressourcen der Erde sind endlich. Früher oder später werden sie nicht mehr ausreichen, die Umwelt wird zerstört sein. Pessimismus einerseits, Werbung für ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit andererseits. Die derzeitigen Bemühungen sind noch viel zu gering, sagt Meadows. Das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz etwa.

    " Die Kyoto-Vereinbarung über den CO2-Ausstoß ist weit weg von dem, was eigentlich nötig wäre, um den Klimawandel zu stoppen. Das ist so, als kämen Sie in Ihr Badezimmer und sähen, wie der Wasserhahn läuft und schon alles überschwemmt ist. Und Sie rufen acht Klempner an, damit sie mal eine Konferenz darüber abhalten sollen, wie man mit dem Problem fertig wird. "

    Dennis Meadows mag einfache Vergleiche. Er hat etwas von einem Alleinunterhalter. Um seine Thesen plastisch zu machen, lässt er seine Zuhörer schon mal einen Hula-Hoop-Reifen auf dem Finger balancieren. Dann wieder kommt er auf die Schlacht im Teutoburger Wald zu sprechen, um schließlich alle am großen Tisch in ein Experiment einzubeziehen. Jeder soll die Arme verschränken und darauf achten, welcher Arm dabei oben liegt. Dann ein zweites Mal. Und siehe da: Bei fast allen liegt derselbe Arm oben. Für Meadows ein Beispiel dafür, wie schwer es ist, Gewohnheiten zu ändern. Genau darum aber gehe es, um ein Umdenken: Nachhaltigkeit statt ungezügeltem Wachstum. Meadows glaubt daran, dass man viele Menschen davon überzeugen kann

    " Wir haben Umfragen in den USA gemacht, ob die Menschen dazu bereit wären, mehr Geld für Energie zu bezahlen, wenn es erneuerbare Energie wäre. Und viele waren dazu bereit. Aber es ist natürlich so: Veränderungen beginnen immer am Rand der Gesellschaft. Zuerst müssen wir nur ein paar Leute überzeugen. Dann wird das zum Selbstläufer. "

    Die notwendigen Veränderungen werden groß sein. Die heutige Mobilität etwa wird bei den zu erwartenden hohen Energiepreisen bald der Vergangenheit angehören, prognostiziert Meadows. Aus dem Publikum kommen zahlreiche Fragen nach Lösungen unserer Umweltprobleme. Meadows winkt ab. Nur weil er ein berühmtes Buch geschrieben habe, wisse er auch nicht alle Antworten auf die Probleme der Welt. Und tatsächlich sorgt er für betretenes Schweigen in der Runde, als er behauptet, die starke Zuwanderung und ethnische Differenziertheit in Amerika verhindere die Lösung gesellschaftlicher Probleme. Besser seien sehr homogene Gesellschaften. Für so manchen am Tisch bekommt die Ikone Dennis Meadows an dieser Stelle wohl einen Kratzer.