Dieter Salomon steht mitten im Wahlkampf. Freiburg im Breisgau ist die einzige deutsche Großstadt mit einem grünen Oberbürgermeister. Am kommenden Sonntag muss sich der 49-Jjährige nach acht Jahren zur Wiederwahl stellen. Um sein Amt fürchten muss er nicht.
Die südbadische Universitätsstadt ist schwarz-grünes Herzland: Hier sind konservative, gebildete, christliche und ökologisch angehauchte Besserverdienende in Solarhäusern zuhause. Bürgerlich gewordene Grüne und bürgerliche gebliebene CDU-ler – schwarz-grünes Lebensgefühl eben, schrieb die "FAZ".
Weil sich die Freiburger CDU sowieso keine Chancen gegen Dieter Salomon ausrechnet, hat sie gar nicht erst einen Gegenkandidaten aufgestellt. Warum auch, sagen Kommunalpolitiker der CDU: Mit den Grünen ließen sich in Freiburg 80 Prozent der schwarzen Ziele umsetzen. Das um Stimmen buhlende Stadtoberhaupt sieht es ähnlich. Dieter Salomon findet.
"Dass wir mit der CDU-Fraktion im Gemeinderat jemand haben an der Seite, der die Haushaltskonsolidierung mitgetragen hat, was die SPD nicht gemacht hat. Nämlich in die Bildung zu investieren, in die Köpfe der Kinder und Jugendliche zu investieren, in Wohnungsbau und Klimaschutz zu investieren. Und wenn die CDU das mitmacht, und das macht sie mit großer Überzeugung, weiß ich eigentlich gar nicht, wo das große Problem sein soll. Und ich gehe davon aus, dass Wähler, die bislang die CDU gewählt haben, mit dieser Politik einverstanden sind."
Nicht immer hatten die Südwest-Grünen ein so unbekümmertes Verhältnis zur CDU. Hervorgegangen sind sie aus dem Kampf gegen das Atomkraftwerk im südbadischen Wyhl. CDU-Ministerpräsident Hans Filbinger wollte Ende der Siebzigerjahre den Meiler bauen - gegen den Willen eines Großteils der Bevölkerung. Winfried Kretschmann ist Mitbegründer der baden-württembergischen Grünen und heute Fraktionschef im Landtag - er hält die Verbindung mit anderen Bevölkerungsgruppen für ein prägendes Element der Partei:
"Wir hatten vor allem eine ganz starke Wurzel in der Anti-AKW-Bewegung. Wyhl, das war die erste große Schlacht. Die Bürgerinitiativen haben da eine ganz große Rolle gespielt. Deswegen sind wir von Anfang an sehr pragmatisch ran gegangen, und waren da nicht so ideologisch besessen. Sondern haben schon radikal gedacht, aber schon auch immer pragmatisch in Herangehensweisen. Das ist es auch, was die baden-württembergischen Grünen ausmacht: dieser Pragmatismus."
Bekannte Gesichter wie eben Dieter Salomon, Fritz Kuhn oder Rezzo Schlauch stehen dafür. Bei den Südwest-Grünen dominieren die sogenannten Realos. Ihre Stärke ist ihre kommunale Verankerung. Auch die CDU lernte, damit zu leben. Der CDU-OB in Stuttgart etwa, wo die Grünen zur größten Fraktion im Stadtrat aufrückten. Im schwäbischen Tübingen eroberte Boris Palmer für die Grünen den Posten des Oberbürgermeisters - gewählt mit den Stimmen der CDU.
Palmer: "Vor 30 Jahren wollte man eine Anti-Parteien-Partei sein. Aber das ist doch erledigt. Wir haben uns entschieden fürs Regieren. Damit ist diese Frage doch eindeutig beantwortet. Ich kann es nicht verstehen, und werde auch ein bisschen ungehalten, wenn man einer Partei vorwirft, dass sie an die Macht will, damit sie etwas verändern kann. Das macht mir keinen Spaß, dafür bin ich nicht in der Politik."
Bei den Grünen vollzieht sich ein Generationswechsel. Der 37-jährige Palmer ist eindeutig Realpolitiker. Sein Cousin war einst CDU-Staatsminister unter Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel. Berührungsängste gegenüber schwarz sind der jungen Garde um Cem Özdemir – schwäbisch schwätzend wie Palmer – sowieso fremd. Denn wer im Schwäbischen groß wurde, wuchs im konservativen Milieu auf. Nicht umsonst nennt man im barocken Oberschwaben die Grünen: die Kinder der CDU. Boris Palmer kennt noch ein Geheimnis des Grünen-Erfolgs, wenn er behauptet, sie könnten gut mit Geld umgehen:
"Wir haben zum Beispiel als baden-württembergische Grünen als Erstes die Schuldenbremse vorgeschlagen."
In Baden-Württemberg wollen die Grünen an die Macht. Am 27. März des kommenden Jahres ist Landtagswahl. Landtagsfraktionschef Windried Kretschmann will in die Regierung, egal mit wem:
"Wir wollen stärker werden, wir stehen richtig im Saft nach 30 Jahren. Und ich hoffe, dass sich dann andere an uns abarbeiten. Und nicht wir an denen."
Zwar wäre die SPD der bevorzugte Partner, die aber schwächelt im Südwesten sehr. Den Grünen dagegen mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Die Regierungsbeteiligung ist in Baden-Württemberg erklärtes Ziel. Und Schwarz-Grün für die Landesvorsitzende Silke Krebs eine realistische Möglichkeit:
"Wir wollen an die Regierung, um gestalten zu können. Wir sehen Veränderungen, die anstehen und die wollen wir anpacken können."
Es läuft gut für die Grünen: in Hamburg und im Saarland entschieden sie sich erstaunlich geräuschlos für jene Koalitionen mit der CDU, über die seit den frühen Neunzigern nur ergebnislos diskutiert worden war.
Spannend wird es nun in Nordrhein-Westfalen. Drei Wochen vor der Landtagswahl liegen – nach aktuellen Umfragen - die Regierungsparteien CDU und FDP sowie die Oppositionsparteien SPD und Grüne mit je 45 Prozent gleichauf. Entscheidend für den Ausgang der Wahl am 9. Mai könnte die Linkspartei sein. Die Qual der Wahl aber haben wohl die Grünen: schwarz-grün oder rot-grün. Die Demoskopen halten im größten Bundesland beide Regierungskonstellationen für möglich. Ein rot-rot-grünes Bündnis schließt die Ökopartei für NRW aus.
Schwarz-Grün oder Rot-Grün – die Wahl im größten Bundesland könnte wegweisend sein – auch für die kommende Bundestagswahl. Morgen ist die Bundespressekonferenz reserviert. "Rot-grüner Politikwechsel für NRW" heißt das Thema. Die Besetzung ist hochkarätig: SPD-Chef Sigmar Gabriel kommt, auch die Grünen-Spitze mit Claudia Roth und Cem Özdemir. Von einer Retro-PK spottet bereits die FDP. Die Grünen schlucken es, fühlen sich ob des potenziellen Koalitionsinteresses fast geschmeichelt. Die SPD wiederum darf hoffen. Nur wenige Wochen vor der Wahl scheint in NRW möglich, was längst vergessen schien: eine rot-grüne Koalition – wie in Bremen.
Die Bremer Grünen sind selbstbewusst. Kein Wunder: Bei der Bürgerschaftswahl im Mai 2007 kamen sie auf 16,4 Prozent der Stimmen. Bis dahin ihr bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt. Seitdem regiert rot-grün in Bremen. Nach zwölf Jahren Großer Koalition kamen die Grünen mit den Sozialdemokraten wieder an die Macht. Schon einmal, 1991 bis 1995, waren sie Teil einer Ampelkoalition. Damals wurden sie noch von vielen als Revoluzzer belächelt. Heute sind sie anerkannte Verwalter der Staatskasse. Karoline Linnert ist grüne Finanzsenatorin. Sie hat keinen leichten Job. Denn in Bremen gibt es nicht viel zu verteilen.
Linnert: "Ich wusste, was mir blüht. Ich war im Haushaltsausschuss Vorsitzende. Aber ich musste keine grundlegenden Positionen über Bord werfen, Dinge ändern. Jetzt haben wir uns in die Mitte der Macht und der Realität vorgearbeitet."
Linnert, 51 Jahre alt und studierte Psychologin, kommt ursprünglich aus der linken Szene - wie viele der ersten Grünen in Bremen. Sie verkörpert auch äußerlich ganz gut, was die Grünen in Bremen ausmacht: Keine steifen Kostüme, sondern moderne, fließende Stoffe – ein Stil, der sich mit dem Wort Edel-Öko beschreiben lässt. Die Grünen und ihre Wähler sind ökologisch bewusst, gebildet und politisch aufgeklärt. Sie verdienen meist gut und haben linksliberale Ansichten. Bürgerlich, auch dieses Attribut passt zu den Bremer Grünen. Die Landesvorsitzende Susan Mittrenga beschreibt grün in der Hansestadt so.
Mittrenga: "Wir sind eine lebendige Partei mit sehr vielen, sehr kreativen Köpfen, und sind auch in dieser Koalition ein entscheidender Motor."
Ein Motor, der manchmal auch stottert, weiß Björn Tschöpe. Er ist Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft.
Tschöpe: "Ich glaube, dass sowohl die SPD als auch die Grünen primär Programmparteien sind, und wenn man unterschiedliche Programme hat, wird die Auseinandersetzung um die Programme natürlich anders geführt. Hinzu kommt, dass die Grünen natürlich aus ihrer Oppositionszeit auch dadurch geprägt sind, dass sie durch individualisierte Interessenwahrnehmung, zunächst uns auch manchmal Schwierigkeiten bereiten."
Während für die SPD die Frage im Mittelpunkt steht, wie die soziale Spaltung der Stadt verhindert werden kann - ist für die Grünen eher die Ökologie das Kernthema. Doch man habe sich eben zusammengerauft. Für Tschöpe aber sind die Grünen weder Volkspartei noch links.
Tschöpe: "Sie sind eine linksliberale Partei, das ist auch in Ordnung. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir noch eine linke Partei sind, aber das geht in der Regierungsarbeit trotzdem gut zusammen."
Finanzsenatorin Linnert bleibt gelassen. Heute, sagt sie, sind die Grünen akzeptiert. Als eine ganz normale etablierte Partei. Und nicht als Spaltprodukt der Genossen. Sind die Grünen die Kinder der Roten? Karoline Linnert schüttelt energisch den Kopf. Der Sozialdemokratie galt ihr Interesse nie.
Linnert: "Das möchten die Roten vielleicht gerne: Fleisch von ihrem Fleische. Aber Ich komme da nicht her. Ich war nie bei der SPD, sonder ich war eine autonome Linke, die eine politische Heimat fern vom Dogmatismus gesucht hat. Mich hat immer interessiert, was ist mit Frauenfragen und was ist eigentlich mit der Frage, wie gehen wir mit unserer Umwelt um, auch Teile der Frauen- und Friedensbewegung kommen da nicht her. Die Grünen sind schon was Eigenständiges."
In Bremen dreht sich fast alles ums Geld. Wie finanziert man Bildung, den Sozialstaat, wie fördert man den Wirtschaftsstandort? Und wie baut dabei dennoch den Schuldenberg ab. Leidenschaftlich klingt das nicht. Eher nach einem Zweckbündnis. Aber es ist immerhin eines, das funktioniert, betont Karoline Linnert:
"Ich bin überzeugt von dieser Regierung in Bremen. Sie ist zumindest für Bremen das Beste. Wir haben es mit pragmatischen und Politik erfahrenen Grünen zu tun. Und auf der anderen Seite mit einer SPD die Teile der alten Betonlinie verlassen hat. Dann kann das ein sehr gutes und fruchtbares Bündnis geben. Allerdings immer unter der Voraussetzung dass die Chemie auch stimmt."
Das glaubt auch der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst: Solange das Tandem Linnert-Böhrnsen führt, funktioniert auch das Bündnis. Denn was das Regieren angeht, sind die Grünen, seiner Ansicht nach, inzwischen alte Hasen.
Probst: "Die SPD hat es hier mit einem durchaus selbstbewussten Koalitionspartner zu tun, der seine eigenen Akzente versucht zu setzen. In der Umweltpolitik, aber auch Frau Linnert in der Finanzpolitik. Und wichtig ist immer das Kommunikationsmanagement von oben. So lange die wesentlichen Fragen im Einvernehmen zwischen Herrn Böhrnsen und Frau Linnert gelöst werden, sehe ich nicht, dass diese Koalition jetzt wirklich richtig unter die Räder kommen."
Grüne sowie Sozialdemokraten gehen aber derzeit davon aus, dass die rot-grüne Koalition auch nach der Wahl im Mai 2011 weitergehen kann.
Die ursprünglichen Ziele waren absolut neu und komplett anders. Damals, vor gut 30 Jahren gründeten sich die Grünen als Anti-Parteien-Partei. Sozial, ökologisch, basisdemokratisch und gewaltfrei wollten sie sein. Manches erwies sich im Laufe der Jahre dann doch als unhaltbar. Den Kriegseinsätzen im Kosovo und Afghanistan haben sie genauso zugestimmt, wie Hartz IV und auch von der Basisdemokratie ist nicht mehr so viel übriggeblieben. Die einst Verschmähten sind inzwischen als Koalitionspartner begehrt, sagt der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer.
Niedermayer: ""Die Grünen heute fühlen sich sehr viel stärker als normaler Teil des deutschen Parteiensystems und insofern eben auch als eine Partei, die mit anderen durchaus, um Regierungsmacht zu erlangen, Kompromisse eingehen kann, was am Anfang zumindest von einem großen Teil, vor allem der Basis, immer ausgeschlossen wurde."
Anfangs war die Partei das Sammelbecken der Enttäuschten. SPD-Dissidenten, Linksradikale, Aktivisten und Umweltschützer hatten sich zusammengerauft. Die stark studentisch geprägte Partei besaß eine extreme Streitkultur und einen Hang zur Selbstzerfleischung. Abseits der Forderungen nach Umweltschutz, Atomausstieg einer Integrations- und Migrationspolitik existierten aber nur wenige klare Positionen. Auch Personen standen machtpolitischen Optionen im Weg, erklärt Wahlforscher Richard Hilmer von Infratest dimap.
Hilmer: "Man hat sich getrennt von einigen Gruppierungen, um Jutta von Ditfurth und andere, das ist längst passé, die Grünen haben sich da eben auch ein Stück weit arrondiert, ohne eben ihre zentralen Ziele aufgegeben zu haben, das sind immer noch ökologische Ziele, heute sicherlich stärker als damals mit dem Impetus Ökologie und Ökonomie zu verbinden und zu harmonisieren."
Eine gravierende Veränderung der Partei ergab sich, als die Rotation zugunsten der Personen aufgeben wurde. Trotzdem scheiterte man an der Fünfprozenthürde bei der Bundestagswahl 1990. Man glaubte, Wahlplakate mit den führenden Köpfen seien überflüssig. Der Slogan damals "Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter" brachte die Partei zwar an den Abgrund, war aber auch mit einem nachhaltigen Lerneffekt verbunden, meint Parteienforscher Niedermayer.
"Seit Joschka Fischer eben auch ein Zugpferd geworden ist, ist mit Fischer ein deutliches Personalisierungselement hinein gekommen. Das heißt, sie mussten sich eben in ihrer Außendarstellung, in ihrer Wahlkampfstrategie anpassen an die Normalität, an alle anderen Parteien, um im Parteienwettbewerb keine Nachteile zu haben."
In anderer Hinsicht blieben die Grünen die eigensinnige Avantgarde, obwohl vor 20 Jahren Umweltschutz mehrheitlich noch als Job-Killer galt. Mit erneuerbaren Energien hatten sich nur die grünen Phantasten befasst. Heute findet sich das Wort Ökologie im Programm aller Parteien wieder. Trotzdem ist Umweltschutz für die Grünen das Alleinstellungs- und Unterscheidungsmerkmal geblieben, erläutert Niedermayer.
"In den Augen der Bevölkerung sind es immer noch sehr deutlich die Grünen, die diesen Politikbereich so zu sagen repräsentieren. Und das ist ganz wichtig, denn jede Partei braucht einen solchen Markenkern, eine solche Identität, die sie nach außen ihren Wählern deutlich machen kann und wegen der sie eben hauptsächlich gewählt wird. Wenn man sich alle Umfragen anschaut, ist es immer noch der Umweltbereich bei den Grünen."
Die Wähler der Grünen sind in der Regel gebildet, mitunter auch erfolgreich und gehören zur Mitte der Gesellschaft. Am liebsten kaufen die Architekten, Lehrer und leitenden Angestellten in Öko-Supermärkten ein und globale Zukunft und Bildungspolitik sind ihnen wichtiger als materielle Werte. Die Grünen besitzen die markanteste Wählerstruktur aller Parteien, sagt Wahlforscher Hilmer.
"Es ist ganz klar ein überwiegend städtisches Milieu. Sie gewinnen immer noch viele Anhänger aus der jungen Generation, deswegen auch das kontinuierliche Wachstum der Grünen. Sie haben nach wie vor Probleme auf der anderen Seite mit den Wählern ab 60, da wachsen sie erst langsam hinein."
Soll heißen: Die treuen, angestammten Wähler kommen langsam in das Alter, in dem etliche grüne Politiker schon längst angekommen sind. Mit der Verschiebung der Alterspyramide und der steigenden Zahl älterer Menschen, werden die Grünen auch in der Altersgruppe der über 60-Jährigen weiter Wähler hinzu gewinnen. Die Wählerschaft ist der Partei äußerst treu, wie überhaupt das moralische Streben und Leben für alle Wähler der Grünen eine wesentlich höhere Bedeutung besitzt als für die meisten Wähler anderer Parteien, lautet Wahlforscher Hilmers Charakterisierung.
Hilmer: "Klar werteorientiert, auch sehr stark bezogen auf die Zukunft, nicht nur im Hier und Jetzt, sondern politische Entscheidungen werden auch immer dahingehend abgeklopft, was bringen sie der künftigen Generation, deswegen auch viele Mütter und Väter die eben auch grün wählen, so zu sagen ihren Kindern zuliebe. Das sind starke und wichtige Orientierungsmaßstäbe für die Wähler der Grünen."
Als Gutmensch glaubt man an Gott, bezieht selbstverständlich Ökostrom, möchte aber trotzdem nicht das Windrad vor der eigenen Haustür. Das Pendant und mit den gleichen bürgerlichen Wertvorstellungen findet sich auch in der CDU. Die entsprechende Schnittmenge besitzt bei den Christdemokraten inzwischen die Meinungsführerschaft.
Hilmer: "In den Fragen der Gentechnologie beispielsweise, jetzt auch in Fragen des Klimaschutzes, wo ja auch die neue CDU Merkels sich sehr stark in Richtung Klimaschutz bewegt hat und damit stiegen natürlich auch die Schnittmengen zwischen beiden Parteien."
Selbst in der CDU hegen viele inzwischen starke Zweifel an der Atomkraft und preisen die erneuerbaren Energien. In vielen baden-württembergischen Gemeinden, in Frankfurt, dem Stadtstaat Hamburg und anderswo existieren schon zahlreich schwarz-grüne Koalitionen. Auch in Nordrhein-Westfalen haben die Sympathiewerte füreinander erheblich zugenommen, sagt Infratest dimap-Chef Richard Hilmer.
Hilmer: "Nach den Alternativen gefragt gibt es klare Präferenzen noch für rot-grün, das an der Spitze steht vor der Großen Koalition, vor schwarz-gelb, an vierter Stelle kommt dann schwarz-grün. Aber auch hier ist erkennbar, dass die Zustimmung für schwarz-grün steigt für den Fall, dass es eben für Rot-Grün nicht reicht."
Doch je lauter die Spekulationen um schwarz-grün tönen, desto mehr rumort es an der grünen Parteibasis. Aktuell in Nordrhein-Westfalen. Vor allem der linke Flügel verspürt hier wenig Euphorie für eine Zusammenarbeit mit der CDU. Sicher ist: am 9. Mai kann sich die politische Heimat für die Grünen ändern.
Die südbadische Universitätsstadt ist schwarz-grünes Herzland: Hier sind konservative, gebildete, christliche und ökologisch angehauchte Besserverdienende in Solarhäusern zuhause. Bürgerlich gewordene Grüne und bürgerliche gebliebene CDU-ler – schwarz-grünes Lebensgefühl eben, schrieb die "FAZ".
Weil sich die Freiburger CDU sowieso keine Chancen gegen Dieter Salomon ausrechnet, hat sie gar nicht erst einen Gegenkandidaten aufgestellt. Warum auch, sagen Kommunalpolitiker der CDU: Mit den Grünen ließen sich in Freiburg 80 Prozent der schwarzen Ziele umsetzen. Das um Stimmen buhlende Stadtoberhaupt sieht es ähnlich. Dieter Salomon findet.
"Dass wir mit der CDU-Fraktion im Gemeinderat jemand haben an der Seite, der die Haushaltskonsolidierung mitgetragen hat, was die SPD nicht gemacht hat. Nämlich in die Bildung zu investieren, in die Köpfe der Kinder und Jugendliche zu investieren, in Wohnungsbau und Klimaschutz zu investieren. Und wenn die CDU das mitmacht, und das macht sie mit großer Überzeugung, weiß ich eigentlich gar nicht, wo das große Problem sein soll. Und ich gehe davon aus, dass Wähler, die bislang die CDU gewählt haben, mit dieser Politik einverstanden sind."
Nicht immer hatten die Südwest-Grünen ein so unbekümmertes Verhältnis zur CDU. Hervorgegangen sind sie aus dem Kampf gegen das Atomkraftwerk im südbadischen Wyhl. CDU-Ministerpräsident Hans Filbinger wollte Ende der Siebzigerjahre den Meiler bauen - gegen den Willen eines Großteils der Bevölkerung. Winfried Kretschmann ist Mitbegründer der baden-württembergischen Grünen und heute Fraktionschef im Landtag - er hält die Verbindung mit anderen Bevölkerungsgruppen für ein prägendes Element der Partei:
"Wir hatten vor allem eine ganz starke Wurzel in der Anti-AKW-Bewegung. Wyhl, das war die erste große Schlacht. Die Bürgerinitiativen haben da eine ganz große Rolle gespielt. Deswegen sind wir von Anfang an sehr pragmatisch ran gegangen, und waren da nicht so ideologisch besessen. Sondern haben schon radikal gedacht, aber schon auch immer pragmatisch in Herangehensweisen. Das ist es auch, was die baden-württembergischen Grünen ausmacht: dieser Pragmatismus."
Bekannte Gesichter wie eben Dieter Salomon, Fritz Kuhn oder Rezzo Schlauch stehen dafür. Bei den Südwest-Grünen dominieren die sogenannten Realos. Ihre Stärke ist ihre kommunale Verankerung. Auch die CDU lernte, damit zu leben. Der CDU-OB in Stuttgart etwa, wo die Grünen zur größten Fraktion im Stadtrat aufrückten. Im schwäbischen Tübingen eroberte Boris Palmer für die Grünen den Posten des Oberbürgermeisters - gewählt mit den Stimmen der CDU.
Palmer: "Vor 30 Jahren wollte man eine Anti-Parteien-Partei sein. Aber das ist doch erledigt. Wir haben uns entschieden fürs Regieren. Damit ist diese Frage doch eindeutig beantwortet. Ich kann es nicht verstehen, und werde auch ein bisschen ungehalten, wenn man einer Partei vorwirft, dass sie an die Macht will, damit sie etwas verändern kann. Das macht mir keinen Spaß, dafür bin ich nicht in der Politik."
Bei den Grünen vollzieht sich ein Generationswechsel. Der 37-jährige Palmer ist eindeutig Realpolitiker. Sein Cousin war einst CDU-Staatsminister unter Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel. Berührungsängste gegenüber schwarz sind der jungen Garde um Cem Özdemir – schwäbisch schwätzend wie Palmer – sowieso fremd. Denn wer im Schwäbischen groß wurde, wuchs im konservativen Milieu auf. Nicht umsonst nennt man im barocken Oberschwaben die Grünen: die Kinder der CDU. Boris Palmer kennt noch ein Geheimnis des Grünen-Erfolgs, wenn er behauptet, sie könnten gut mit Geld umgehen:
"Wir haben zum Beispiel als baden-württembergische Grünen als Erstes die Schuldenbremse vorgeschlagen."
In Baden-Württemberg wollen die Grünen an die Macht. Am 27. März des kommenden Jahres ist Landtagswahl. Landtagsfraktionschef Windried Kretschmann will in die Regierung, egal mit wem:
"Wir wollen stärker werden, wir stehen richtig im Saft nach 30 Jahren. Und ich hoffe, dass sich dann andere an uns abarbeiten. Und nicht wir an denen."
Zwar wäre die SPD der bevorzugte Partner, die aber schwächelt im Südwesten sehr. Den Grünen dagegen mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Die Regierungsbeteiligung ist in Baden-Württemberg erklärtes Ziel. Und Schwarz-Grün für die Landesvorsitzende Silke Krebs eine realistische Möglichkeit:
"Wir wollen an die Regierung, um gestalten zu können. Wir sehen Veränderungen, die anstehen und die wollen wir anpacken können."
Es läuft gut für die Grünen: in Hamburg und im Saarland entschieden sie sich erstaunlich geräuschlos für jene Koalitionen mit der CDU, über die seit den frühen Neunzigern nur ergebnislos diskutiert worden war.
Spannend wird es nun in Nordrhein-Westfalen. Drei Wochen vor der Landtagswahl liegen – nach aktuellen Umfragen - die Regierungsparteien CDU und FDP sowie die Oppositionsparteien SPD und Grüne mit je 45 Prozent gleichauf. Entscheidend für den Ausgang der Wahl am 9. Mai könnte die Linkspartei sein. Die Qual der Wahl aber haben wohl die Grünen: schwarz-grün oder rot-grün. Die Demoskopen halten im größten Bundesland beide Regierungskonstellationen für möglich. Ein rot-rot-grünes Bündnis schließt die Ökopartei für NRW aus.
Schwarz-Grün oder Rot-Grün – die Wahl im größten Bundesland könnte wegweisend sein – auch für die kommende Bundestagswahl. Morgen ist die Bundespressekonferenz reserviert. "Rot-grüner Politikwechsel für NRW" heißt das Thema. Die Besetzung ist hochkarätig: SPD-Chef Sigmar Gabriel kommt, auch die Grünen-Spitze mit Claudia Roth und Cem Özdemir. Von einer Retro-PK spottet bereits die FDP. Die Grünen schlucken es, fühlen sich ob des potenziellen Koalitionsinteresses fast geschmeichelt. Die SPD wiederum darf hoffen. Nur wenige Wochen vor der Wahl scheint in NRW möglich, was längst vergessen schien: eine rot-grüne Koalition – wie in Bremen.
Die Bremer Grünen sind selbstbewusst. Kein Wunder: Bei der Bürgerschaftswahl im Mai 2007 kamen sie auf 16,4 Prozent der Stimmen. Bis dahin ihr bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt. Seitdem regiert rot-grün in Bremen. Nach zwölf Jahren Großer Koalition kamen die Grünen mit den Sozialdemokraten wieder an die Macht. Schon einmal, 1991 bis 1995, waren sie Teil einer Ampelkoalition. Damals wurden sie noch von vielen als Revoluzzer belächelt. Heute sind sie anerkannte Verwalter der Staatskasse. Karoline Linnert ist grüne Finanzsenatorin. Sie hat keinen leichten Job. Denn in Bremen gibt es nicht viel zu verteilen.
Linnert: "Ich wusste, was mir blüht. Ich war im Haushaltsausschuss Vorsitzende. Aber ich musste keine grundlegenden Positionen über Bord werfen, Dinge ändern. Jetzt haben wir uns in die Mitte der Macht und der Realität vorgearbeitet."
Linnert, 51 Jahre alt und studierte Psychologin, kommt ursprünglich aus der linken Szene - wie viele der ersten Grünen in Bremen. Sie verkörpert auch äußerlich ganz gut, was die Grünen in Bremen ausmacht: Keine steifen Kostüme, sondern moderne, fließende Stoffe – ein Stil, der sich mit dem Wort Edel-Öko beschreiben lässt. Die Grünen und ihre Wähler sind ökologisch bewusst, gebildet und politisch aufgeklärt. Sie verdienen meist gut und haben linksliberale Ansichten. Bürgerlich, auch dieses Attribut passt zu den Bremer Grünen. Die Landesvorsitzende Susan Mittrenga beschreibt grün in der Hansestadt so.
Mittrenga: "Wir sind eine lebendige Partei mit sehr vielen, sehr kreativen Köpfen, und sind auch in dieser Koalition ein entscheidender Motor."
Ein Motor, der manchmal auch stottert, weiß Björn Tschöpe. Er ist Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft.
Tschöpe: "Ich glaube, dass sowohl die SPD als auch die Grünen primär Programmparteien sind, und wenn man unterschiedliche Programme hat, wird die Auseinandersetzung um die Programme natürlich anders geführt. Hinzu kommt, dass die Grünen natürlich aus ihrer Oppositionszeit auch dadurch geprägt sind, dass sie durch individualisierte Interessenwahrnehmung, zunächst uns auch manchmal Schwierigkeiten bereiten."
Während für die SPD die Frage im Mittelpunkt steht, wie die soziale Spaltung der Stadt verhindert werden kann - ist für die Grünen eher die Ökologie das Kernthema. Doch man habe sich eben zusammengerauft. Für Tschöpe aber sind die Grünen weder Volkspartei noch links.
Tschöpe: "Sie sind eine linksliberale Partei, das ist auch in Ordnung. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir noch eine linke Partei sind, aber das geht in der Regierungsarbeit trotzdem gut zusammen."
Finanzsenatorin Linnert bleibt gelassen. Heute, sagt sie, sind die Grünen akzeptiert. Als eine ganz normale etablierte Partei. Und nicht als Spaltprodukt der Genossen. Sind die Grünen die Kinder der Roten? Karoline Linnert schüttelt energisch den Kopf. Der Sozialdemokratie galt ihr Interesse nie.
Linnert: "Das möchten die Roten vielleicht gerne: Fleisch von ihrem Fleische. Aber Ich komme da nicht her. Ich war nie bei der SPD, sonder ich war eine autonome Linke, die eine politische Heimat fern vom Dogmatismus gesucht hat. Mich hat immer interessiert, was ist mit Frauenfragen und was ist eigentlich mit der Frage, wie gehen wir mit unserer Umwelt um, auch Teile der Frauen- und Friedensbewegung kommen da nicht her. Die Grünen sind schon was Eigenständiges."
In Bremen dreht sich fast alles ums Geld. Wie finanziert man Bildung, den Sozialstaat, wie fördert man den Wirtschaftsstandort? Und wie baut dabei dennoch den Schuldenberg ab. Leidenschaftlich klingt das nicht. Eher nach einem Zweckbündnis. Aber es ist immerhin eines, das funktioniert, betont Karoline Linnert:
"Ich bin überzeugt von dieser Regierung in Bremen. Sie ist zumindest für Bremen das Beste. Wir haben es mit pragmatischen und Politik erfahrenen Grünen zu tun. Und auf der anderen Seite mit einer SPD die Teile der alten Betonlinie verlassen hat. Dann kann das ein sehr gutes und fruchtbares Bündnis geben. Allerdings immer unter der Voraussetzung dass die Chemie auch stimmt."
Das glaubt auch der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst: Solange das Tandem Linnert-Böhrnsen führt, funktioniert auch das Bündnis. Denn was das Regieren angeht, sind die Grünen, seiner Ansicht nach, inzwischen alte Hasen.
Probst: "Die SPD hat es hier mit einem durchaus selbstbewussten Koalitionspartner zu tun, der seine eigenen Akzente versucht zu setzen. In der Umweltpolitik, aber auch Frau Linnert in der Finanzpolitik. Und wichtig ist immer das Kommunikationsmanagement von oben. So lange die wesentlichen Fragen im Einvernehmen zwischen Herrn Böhrnsen und Frau Linnert gelöst werden, sehe ich nicht, dass diese Koalition jetzt wirklich richtig unter die Räder kommen."
Grüne sowie Sozialdemokraten gehen aber derzeit davon aus, dass die rot-grüne Koalition auch nach der Wahl im Mai 2011 weitergehen kann.
Die ursprünglichen Ziele waren absolut neu und komplett anders. Damals, vor gut 30 Jahren gründeten sich die Grünen als Anti-Parteien-Partei. Sozial, ökologisch, basisdemokratisch und gewaltfrei wollten sie sein. Manches erwies sich im Laufe der Jahre dann doch als unhaltbar. Den Kriegseinsätzen im Kosovo und Afghanistan haben sie genauso zugestimmt, wie Hartz IV und auch von der Basisdemokratie ist nicht mehr so viel übriggeblieben. Die einst Verschmähten sind inzwischen als Koalitionspartner begehrt, sagt der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer.
Niedermayer: ""Die Grünen heute fühlen sich sehr viel stärker als normaler Teil des deutschen Parteiensystems und insofern eben auch als eine Partei, die mit anderen durchaus, um Regierungsmacht zu erlangen, Kompromisse eingehen kann, was am Anfang zumindest von einem großen Teil, vor allem der Basis, immer ausgeschlossen wurde."
Anfangs war die Partei das Sammelbecken der Enttäuschten. SPD-Dissidenten, Linksradikale, Aktivisten und Umweltschützer hatten sich zusammengerauft. Die stark studentisch geprägte Partei besaß eine extreme Streitkultur und einen Hang zur Selbstzerfleischung. Abseits der Forderungen nach Umweltschutz, Atomausstieg einer Integrations- und Migrationspolitik existierten aber nur wenige klare Positionen. Auch Personen standen machtpolitischen Optionen im Weg, erklärt Wahlforscher Richard Hilmer von Infratest dimap.
Hilmer: "Man hat sich getrennt von einigen Gruppierungen, um Jutta von Ditfurth und andere, das ist längst passé, die Grünen haben sich da eben auch ein Stück weit arrondiert, ohne eben ihre zentralen Ziele aufgegeben zu haben, das sind immer noch ökologische Ziele, heute sicherlich stärker als damals mit dem Impetus Ökologie und Ökonomie zu verbinden und zu harmonisieren."
Eine gravierende Veränderung der Partei ergab sich, als die Rotation zugunsten der Personen aufgeben wurde. Trotzdem scheiterte man an der Fünfprozenthürde bei der Bundestagswahl 1990. Man glaubte, Wahlplakate mit den führenden Köpfen seien überflüssig. Der Slogan damals "Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter" brachte die Partei zwar an den Abgrund, war aber auch mit einem nachhaltigen Lerneffekt verbunden, meint Parteienforscher Niedermayer.
"Seit Joschka Fischer eben auch ein Zugpferd geworden ist, ist mit Fischer ein deutliches Personalisierungselement hinein gekommen. Das heißt, sie mussten sich eben in ihrer Außendarstellung, in ihrer Wahlkampfstrategie anpassen an die Normalität, an alle anderen Parteien, um im Parteienwettbewerb keine Nachteile zu haben."
In anderer Hinsicht blieben die Grünen die eigensinnige Avantgarde, obwohl vor 20 Jahren Umweltschutz mehrheitlich noch als Job-Killer galt. Mit erneuerbaren Energien hatten sich nur die grünen Phantasten befasst. Heute findet sich das Wort Ökologie im Programm aller Parteien wieder. Trotzdem ist Umweltschutz für die Grünen das Alleinstellungs- und Unterscheidungsmerkmal geblieben, erläutert Niedermayer.
"In den Augen der Bevölkerung sind es immer noch sehr deutlich die Grünen, die diesen Politikbereich so zu sagen repräsentieren. Und das ist ganz wichtig, denn jede Partei braucht einen solchen Markenkern, eine solche Identität, die sie nach außen ihren Wählern deutlich machen kann und wegen der sie eben hauptsächlich gewählt wird. Wenn man sich alle Umfragen anschaut, ist es immer noch der Umweltbereich bei den Grünen."
Die Wähler der Grünen sind in der Regel gebildet, mitunter auch erfolgreich und gehören zur Mitte der Gesellschaft. Am liebsten kaufen die Architekten, Lehrer und leitenden Angestellten in Öko-Supermärkten ein und globale Zukunft und Bildungspolitik sind ihnen wichtiger als materielle Werte. Die Grünen besitzen die markanteste Wählerstruktur aller Parteien, sagt Wahlforscher Hilmer.
"Es ist ganz klar ein überwiegend städtisches Milieu. Sie gewinnen immer noch viele Anhänger aus der jungen Generation, deswegen auch das kontinuierliche Wachstum der Grünen. Sie haben nach wie vor Probleme auf der anderen Seite mit den Wählern ab 60, da wachsen sie erst langsam hinein."
Soll heißen: Die treuen, angestammten Wähler kommen langsam in das Alter, in dem etliche grüne Politiker schon längst angekommen sind. Mit der Verschiebung der Alterspyramide und der steigenden Zahl älterer Menschen, werden die Grünen auch in der Altersgruppe der über 60-Jährigen weiter Wähler hinzu gewinnen. Die Wählerschaft ist der Partei äußerst treu, wie überhaupt das moralische Streben und Leben für alle Wähler der Grünen eine wesentlich höhere Bedeutung besitzt als für die meisten Wähler anderer Parteien, lautet Wahlforscher Hilmers Charakterisierung.
Hilmer: "Klar werteorientiert, auch sehr stark bezogen auf die Zukunft, nicht nur im Hier und Jetzt, sondern politische Entscheidungen werden auch immer dahingehend abgeklopft, was bringen sie der künftigen Generation, deswegen auch viele Mütter und Väter die eben auch grün wählen, so zu sagen ihren Kindern zuliebe. Das sind starke und wichtige Orientierungsmaßstäbe für die Wähler der Grünen."
Als Gutmensch glaubt man an Gott, bezieht selbstverständlich Ökostrom, möchte aber trotzdem nicht das Windrad vor der eigenen Haustür. Das Pendant und mit den gleichen bürgerlichen Wertvorstellungen findet sich auch in der CDU. Die entsprechende Schnittmenge besitzt bei den Christdemokraten inzwischen die Meinungsführerschaft.
Hilmer: "In den Fragen der Gentechnologie beispielsweise, jetzt auch in Fragen des Klimaschutzes, wo ja auch die neue CDU Merkels sich sehr stark in Richtung Klimaschutz bewegt hat und damit stiegen natürlich auch die Schnittmengen zwischen beiden Parteien."
Selbst in der CDU hegen viele inzwischen starke Zweifel an der Atomkraft und preisen die erneuerbaren Energien. In vielen baden-württembergischen Gemeinden, in Frankfurt, dem Stadtstaat Hamburg und anderswo existieren schon zahlreich schwarz-grüne Koalitionen. Auch in Nordrhein-Westfalen haben die Sympathiewerte füreinander erheblich zugenommen, sagt Infratest dimap-Chef Richard Hilmer.
Hilmer: "Nach den Alternativen gefragt gibt es klare Präferenzen noch für rot-grün, das an der Spitze steht vor der Großen Koalition, vor schwarz-gelb, an vierter Stelle kommt dann schwarz-grün. Aber auch hier ist erkennbar, dass die Zustimmung für schwarz-grün steigt für den Fall, dass es eben für Rot-Grün nicht reicht."
Doch je lauter die Spekulationen um schwarz-grün tönen, desto mehr rumort es an der grünen Parteibasis. Aktuell in Nordrhein-Westfalen. Vor allem der linke Flügel verspürt hier wenig Euphorie für eine Zusammenarbeit mit der CDU. Sicher ist: am 9. Mai kann sich die politische Heimat für die Grünen ändern.