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Wo steckt die Kultur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen?

Über eines herrschte Einigkeit: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist einer der wichtigsten Kulturträger unserer Republik - wenn nicht sogar der wichtigste! Aber was trägt er da eigentlich genau? Mit dieser Frage beschäftigte sich am vergangenen Mittwoch ein Symposium der "Initiative öffentlicher Rundfunk, Köln". Doch eine Antwort war auch dort nicht zu bekommen. In jedem Falle aber trägt er schwer, der Rundfunk, an seinem Kulturauftrag. Besser: An der Definition desselben.

Von Andreas Stopp |
    Die Wissenschaftler sagen: Es ist eine programmrechtlich schwierige Definition. In jedem Falle aber ginge es um "gesellschaftliche Kommunikation". Aber dann gehört das Dschungelcamp der Privaten auch zum Kern des Fernseh-Kulturauftrags, denn geredet wird über dieses Format ja so viel wie über wenig anderes. Auf jeden Fall muss die Kulturberichterstattung im Öffentlich-rechtlichen intensiver sein als im Privaten. Der Gefahr müsse begegnet werden, dass auch die öfentlich-rechtlichen Sender zu "Renditemedien" verkämen, dass die "angleichende Konvergenz nach unten" weiter Raum greife, das gelte es zu verhindern. Aber wie, ohne einen handhabbaren Kulturbegriff, den man destillieren könnte? Von dem immer geredet wird, aber nirgendwo ist er beschrieben.

    "Kultur ist das, was wir kochen, aus dem, was wir vorfinden". Behelfen wir uns einstweilen damit. Und freuen uns mit der WDR-Hörfunkdirektorin, dass beim Radio auf jeden Fall das Geld in der Kultur stecke. Und zwar voll und ganz. Wenn gespart werden muss, dann bei Sport und Unterhaltung. Erst danach bei der Kultur.

    Mag sein, aber beim Fernsehen? Da bekommen selbst Rundfunkratsmitglieder kalte Füße: "Wenn ich mir vorstelle, so ein EU-Kommisar guckt zwischen acht und zehn in der Primetime ARD und ZDF - der fragt sich doch, wo bin ich hier? Bei PRO7?" Aus der Sicht der Bundesregierung soll Kultur "reicher" machen. Aha, wenn das ginge, dann hätten RTL und Co. das als Geschäftsmodell schon lange entdeckt.

    Kultur muss etwas mit Qualität zu tun haben, Qualität, die "in der Breite des Programms zu suchen und zu finden sei". Vielleicht probieren wir es so: Richtige Qualität ist defizitär und nur für defizitäre Programme rechtfertigt sich die Gebührenfinanzierung. Sagt RTL. Also, dann ist Kultur im Fernsehen das, was kaum einer sehen will. Und das gehört ins Hauptprogramm von ARD und ZDF. Meint RTL.

    Und der WDR kontert: Im ARD-Fernsehen liegt der Anteil von Information und Kultur auf jeden Fall bei 70 Prozent ! Womit wir wieder bei der Ausgangsfrage angekommen sind. Wo steckt denn nun die Kultur im Fernsehen? Manchmal auch im Kitsch, denn dafür gäbe es ein "kulturelles Verlangen der Zuschauer an bestimmten Tagen". Dann ist es aber "niveauvoller Kitsch": Und es gibt die Geierwally.

    Apropos: Volkstümlicher Schlager ist nicht mehr Kultur, Volksmusik schon. Punkt.

    Aber es muss doch irgendwo noch Qualitätskriterien geben, auch für Sendungen, die die Emotionen ansprechen, nicht nur für die, die auf den Verstand zielen?! Genau das, "Qualitätskennziffern" für jedes Programm fordert seit langem ein Intendant eines öffentlich-rechtlichen, deutschlandweiten Informations- und Kulturradios. Aber bisher nur er allein.

    Die Tagungsteilnehmer wurden nachhause geschickt mit der Schlussfolgerung: Der Kulturauftrag muss präzisiert werden! Dringend. Und damit zurück auf Los.