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Wo steht der Stahl?

Technik. - Wer vom Umbau der Industriegesellschaft spricht, denkt schnell daran, dass viele der großen Stahlwerke geschlossen worden sind. Heute wird in Deutschland zwar weniger Stahl produziert als in den sechziger Jahren, doch der Werkstoff spielt immer noch eine wichtige Rolle, insbesondere für die Auto-Industrie. Welche Chancen Stahl in der Konkurrenz mit anderen Materialien hat und wie man die Stahl-Produktion wirtschaftlicher machen kann, wird auf dem Aachener Stahl-Kolloquium diskutiert.

Von Matthias Hennies |
    Wenn ein neues technisches Produkt auf den Markt kommt, ist es meist teurer als die etablierte Konkurrenz. Und dann sagen die Hersteller: Ja, wenn wir erst in die Großserie kommen, dann werden wir auch billiger. Genau das ist der Grund, weswegen Stahl immer noch eine so bedeutende Position im Markt hat: die Massen-Produktion macht diesen Werkstoff unschlagbar preiswert.

    Im Autobau, dem größten Markt für alle Werkstoff-Produzenten, liegt Stahl immer noch vorn - dabei redet man seit mindestens 15 Jahren über Stoßfänger, Heckklappen und Kotflügel aus Kunststoff. Und seit mindestens zehn Jahren drängt ein weiterer Konkurrent in den Autobau: Leichtmetall. Nicht nur bei der Karosserie, sogar beim Motorblock wird mittlerweile mit Aluminium und Magnesium experimentiert. Alle diese Materialien haben einen großen Vorteil: Sie sind leichter als Stahl. Damit sinkt der Spritverbrauch der Fahrzeuge. Aber diese Einsparung wiegt die hohen Produktionskosten nicht auf - die neuen Materialien lohnen sich höchstens in Autos, wo man ohnehin nicht so genau auf den Preis guckt:

    Bei den Sportwagen und bei den kleineren Serien, dort ist Aluminium stärker drin, aber alles in allem kann man sagen, 60 Prozent Stahl und zehn bis 20 Prozent Aluminium, Kunststoff.

    Reiner Kopp, Stahl-Forscher an der Technischen Hochschule Aachen, glaubt an die Zukunft "seines" Werkstoffs. Denn die Stahlhersteller haben auch Fortschritte gemacht. Wenn Stahl zu schwer ist, haben sie sich gesagt, muss man eben weniger davon nehmen: Sie haben alle Stellen gesucht, wo dünnere Bleche eingesetzt werden können, ohne dass die Sicherheit des Fahrzeugs darunter leidet. Einem Forscherteam um Professor Kopp ist es sogar gelungen, innerhalb eines Blechs die Stärke zu variieren: Beim Walzen des Stahls erzeugen sie dünnere und dickere Stellen in einem Werkstück.

    Mit der modernen Computertechnik kann man die Walzen, zwischen denen das Band gewalzt wird, in ihrem Abstand steuern. Da gibt es Hydraulikeinrichtungen, die die Walzen positionieren und diese Position kann man computer-gesteuert verändern, entsprechend der gewünschten Dicken-Verteilung.

    Computertechnik ist der Schlüssel, um die Stahlproduktion noch wirtschaftlicher zu machen. Sie ermöglicht es, die Erkaltung des glühenden Stahls zu simulieren. In Modell-Rechnungen lässt sich ermitteln, wo beim Stahlgießen die heißesten Stellen sind, und wo er schneller erkaltet - eine wichtige Frage für einheitliche Produktqualität.

    In Computer-Modellen lässt sich auch genau vorausberechnen, wie ein neues Bauteil aussehen soll. Und wenn man an den Computer dann ein automatisches Schlag-Werkzeug anschließt, kann man ein Blech schrittweise in die vorausberechnete Form bringen, Schlag für Schlag, ähnlich wie es einst ein Schmied getan hat. Kopp:

    Der Schmied ist der geniale Blech-Umformer, denn mit seinem Hammer kann er das Metall treiben in alle beliebige Formen. Und genau das wird heute großtechnisch und computergesteuert gemacht.

    Die Hammerschläge einer solchen Maschine fallen zwar viel schneller als beim Schmieden mit der Hand. Trotzdem rechnet sich dieses Fertigungsverfahren nicht für die Standard-Produktion. Aber einen Prototyp zum Testen, etwa eine neue Kotflügel-Form kann man so sehr kostengünstig herstellen. Und Stahl wird durch solche Innovationen sogar wieder für kleine Serien attraktiv.