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Wo steht Deutschland wirklich im internationalen Vergleich?

    Campus & Karriere: Mitte Mai veröffentlichte die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine Studie, in der sie die Bildungssysteme von mehr als 40 Ländern miteinander verglich. Untersucht wurden die Ausgaben für Bildung, der Zugang zu Bildungseinrichtungen, Abschlüsse, Lernumgebung und auch Lehrergehälter. Fazit: bei der schulischen Ausbildung ist Deutschland nur noch Mittelmaß, nachdem es vor 40 Jahren auf Platz zwei hinter den USA lag. Auch in der Hochschulausbildung machte die Studie zumindest statistische Defizite aus. Während in Deutschland 16 Prozent eines Jahrgangs eine Hochschulausbildung abschliessen, waren es im OEDC-Durchschnitt immerhin 23 Prozent, in den USA liegt die Quote sogar doppelt so hoch wie hier zu Lande. Herr Professor Künzel, wie hat Ihnen die Studie geschmeckt?

    Professor Künzel: Sie bringt zum Ausdruck, was wir schon lange sagen. Einmal, dass das Hochschulsystem in Deutschland zunehmend unzureichend finanziert wird. Das drückt sich darin aus, dass der Anteil der Bildungsausgaben für die Hochschulen in Deutschland im Zeitraum von 1990 bis 1997 praktisch um 20 Prozent gesunken ist. Im Durchschnitt der OECD-Staaten war die entgegengesetze Tendenz zu beobachten.

    Campus & Karriere: Nun hat die Studie gesagt, auf 100.000 Beschäftigte kommen in Deutschland nur 1.040 Graduierte. Wo kann man hier den Hebel ansetzen?

    Professor Künzel: Die Abschlussquoten verzerren die tatsächlichen Verhältnisse insofern, als wir nicht nur ein Hochschulsystem haben, sondern auch ein duales Ausbildungssystem. Man kann es also nicht so direkt vergleichen. Die Green-Card-Diskussion hingegen hat etwas zu tun mit dem Stellenwert von Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik in Deutschland. Das Problem beginnt schon in der Schule. Dort muss der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht einen größeren Stellenwert bekommen. Hinzu kommt, dass wir vom Arbeitsmarkt die falschen Signale bekommen haben. Die Industrie, die Wirtschaft hat ja lange Zeit fast einen Einstellungsstopp gehabt für Absolventen der Naturwissenschaften. Auf fehlende Berufsperspektiven reagiere Studienbewerber sehr empfindlich.

    Campus & Karriere: Sie haben das Stichwort Geld schon genannt. Die USA, Kanada, aber auch die benachbarte Schweiz geben doppelt so viel für ihr Hochschulwesen aus wie wir, lassen dafür aber auch mehr privates Geld einfließen. Arbeitet die Hochschulrektorenkonferenz an Modellen, die private Finanzierung zu erhöhen?

    Professor Künzel: Der private Anteil der Finanzierung wird langfristig in Deutschland steigen müssen, weil wir erkennen müssen, dass die rein staatliche Finanzierung auf Dauer dazu führen wird, dass wir immer weniger Geld zur Verfügung haben werden, die Qualität sonst langfristig sinken wird. Die Entwicklung privater Einkommensquellen setzt natürlich vieles voraus. Erstens haben wir im Ausland Studiengebühren, zweitens haben wir dort einen ausgebildeten Weiterbildungssektor, der auch zum Einkommen der Hochschulen beiträgt, und drittens gibt es einen viel stärker ausgebauten Dienstleistungsbereich an den Hochschulen, der auch vermarktet wird. Die Hochschulen haben damit mehrere Einnahmequellen, die sie nutzen können, um die Primärprozesse zu finanzieren.

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    Hochschulrektorenkonferenz

    Die Studie Bildung auf einen Blick der OECD