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Wölfe in Brandenburg
Furcht vor Wolfs-Hybriden wohl unbegründet

Von den bundesweit erfassten 60 Wolfsrudeln leben 25 in Brandenburg. Jäger berichten von immer mehr Mischlingen zwischen Wölfen und Hunden - Hybriden - die gefährlicher sein sollen, weil sie weniger Scheu vor dem Menschen hätten. Experten sagen, solche Paarungen seien extrem selten.

Von Vanja Budde |
    Drei Wölfe (Canis Lupus Lupus), aufgenommen am 18.01.2017 in einem Gehege des Biotopwildpark Anholter Schweiz in Isselburg (Nordrhein-Westfalen).
    Wölfe in einem Wildpark. Das Umweltministerium hat seit 2006 mehr als 1.000 Genproben untersuchen lassen und auf mögliche Hybridisierung mit Haushunden getestet - alle negativ. (dpa / picture-alliance / Bernd Thissen)
    Im südbrandenburgischen Eichholz hat Achim Gasper seit Jahren ein Jagdrevier gepachtet. In letzter Zeit macht es ihm nicht mehr viel Freude: Ein benachbartes Wolfsrudel habe das Wild dezimiert, klagt der Waidmann. Auch viele Schafe hätten die Raubtiere gerissen, zum Beispiel hier, auf der Koppel eines Hobbyzüchters am Waldrand.
    "Ich zeig Ihnen jetzt mal die Stelle, wo die sich durchgegraben haben."
    Gasper zeigt die Stelle, an der die Wölfe durch den Zaun sind und sich die Schafe geholt haben.
    "Und da waren Haare, die in an diesem Maschendrahtzaun hingen, den die aufgebogen haben. Die haben wir abgesammelt und zu einem Labor geschafft, das sich auch mit Wölfen beschäftigt, und haben das proben lassen."
    "Auffällig neugieriges, hundeähnliches Verhalten von Wölfen"
    Gasper hatte nämlich das Gefühl, dass die Wölfe in dieser Gegend sich merkwürdig verhalten:
    "Viele Leute hier in Eichholz haben mich angesprochen, weil ich hier der Jäger bin, haben gesagt: ‚Sag mal, ist das normal, dass die Wölfe am Tag an unsere Grundstücke kommen, unsere Tiere beobachten, unsere Schafe, unsere Haustiere beobachten?‘ Die kommen ans Dorf und schauen, was es hier so im Angebot gibt."
    Die Wölfe benehmen sich wie Hunde, findet Gasper. Manche würden bellen, einer habe an seinem Hochsitz das Bein gehoben. Auffällig neugieriges, hundeähnliches Verhalten von Wölfen werde immer häufiger beobachtet, sagt auch der Präsident des Landesjagverbandes, Dirk Wellershoff. Wie Wellershoff glaubt auch Jäger Achim Gasper, dass bereits die nach Deutschland eingewanderten Tiere Mischlinge von Wolf und Hund waren.
    Forensiker gehen von Hundemischlingen aus
    Freilebende Hybriden jedoch neigten eher zu aggressivem Verhalten, warnt Jagdverbands-Präsident Wellershoff. Eckhard Kluge, Wolfsexperte des Umweltministeriums in Potsdam, weist das zurück. Hybriden seien nur für den Artenschutz ein Problem:
    "Weil sie natürlich die Wolfspopulation verwässern. Deswegen sagt auch der Artenschutz: ‚Wenn wir Hybriden feststellen, dann sollen die entnommen werden.‘ Aber das hat eben nichts mit einer vermeintlichen Gefährlichkeit oder sonst irgendwas zu tun, sondern es sind wirklich artenschutzfachliche Gründe."
    Das private forensische Labor in Hamburg, dem Jäger Achim Gasper die Proben geschickt hat, kam zu dem Ergebnis, dass die Tiere bei Eichholz möglicherweise Hundemischlinge seien.
    "Zwei Vollprofile konnten erstellt werden. Das eine Ergebnis war eine Mischung, also 50 Prozent Anteil war Hütehund, ich glaube 25 Prozent baltischer Wolf und russischer Wolf. Das andere Ergebnis war ein 50-prozentiger Anteil Timberwolf. Timberwolf ist der amerikanische Wolf. Den haben wir hier in Deutschland überhaupt nicht."
    Zweifel an Identifikationsmethode zu Wolf oder Hybrid
    Das Hamburger Labor gleiche jedoch seines Wissens die eingereichten Proben mit dem Genabdruck von Gehegewölfen ab, entgegnet Eckhard Kluge vom Umweltministerium.
    "Und in Gehegewölfen ist meistens ein Sammelsurium von allen möglichen Wölfen drin. Das könnte auch erklären, warum jetzt auf einmal Timberwolf auftaucht. Weil, wenn die einen Timberwolf als Referenzprobe haben, dann ergibt natürlich die Probe, wenn der Wolfsanteil festgestellt wird: Aha, Ähnlichkeit zum Timberwolf - weil das die einzige Referenzprobe möglicherweise ist, die dort vorliegt."
    Außerdem habe das Labor für forensische Genetik und Rechtsmedizin die sogenannte Assoziationsmethode angewandt, gibt der Biologe Kluge zu bedenken:
    "Das ist eine Methode, die zur Unterscheidung von Hunderassen entwickelt wurde. Zu über 99 Prozent stimmen Hund und Wolf noch überein. Das heißt, jede Wolfsprobe muss automatisch immer irgendwo eine Ähnlichkeit zum Hund haben. Deswegen wäre bei jeder Wolfsprobe, die eingesandt würde, Hund mit drin. Und wir bezweifeln, dass diese Methode auch geeignet ist, Wölfe oder Wolfshybriden zu identifizieren."
    Umweltministerium: "Keine Wolfshybriden in Brandenburg"
    Das Umweltministerium lässt dagegen seine Proben vom Labor für Wildtiergenetik am Senckenberg Forschungsinstitut untersuchen. Es dient als nationales Referenzzentrum für Wolfsgenetik.
    "Die haben Vergleichsproben aus so ziemlich allen Wolfspopulationen Europas, die sie heranziehen können."
    Das Umweltministerium hat dort seit 2006 mehr als 1 000 Genproben untersuchen lassen. Alle wurden nach international üblichen Verfahren mittels sogenannter Mikrosatellitenmarker auch auf eine mögliche Hybridisierung mit Haushunden getestet. Alle negativ.
    "Nach unseren Erkenntnissen gibt es keine Wolfshybriden in Brandenburg."
    Jäger Achim Gasper beruhigt das nicht.
    "Wenn eben dieser Wolfstamm aus dieser Muskauer Heide schon unrein war, dann haben wir hier komplett unreine Wölfe."
    Wolfs-Mischlinge fallen übrigens bis in die vierte Generation unter Artenschutz. Sie dürfen nur mit einer Ausnahmegenehmigung geschossen werden.