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Wölfe in Deutschland
Neue Debatte um Abschussquote

Seit gut 15 Jahren ist der Wolf in Deutschland wieder ansässig. Die Rückkehr hat alte Ängste geweckt, spätestens seit Schafe vermehrt von Wölfen angegriffen wurden. Jetzt hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt die Diskussion um eine "beschränkte Abschussfreigabe" neu entfacht. Der Vorstoß ist ein Politikum.

Alexandra Gerlach | 11.01.2017
    Ein Wolf läuft durch ein Gehege in einem Wildpark in Niedersachsen.
    Der Bestand von Wölfen in Deutschland nimmt zu. (picture alliance / Lino Mirgeler)
    Seit gut 15 Jahren ist der Wolf in Deutschland wieder ansässig. Strengstens geschützt hat er sich zunächst in Sachsen und Brandenburg angesiedelt, inzwischen ist er offenbar auch in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen heimisch geworden. Die Rückkehr des Raubtieres hat alte Ängste in der Bevölkerung geweckt, spätestens seit Wolfs-Angriffe auf Nutztiere – vor allem auf Schafe - drastisch zugenommen haben. Befürworter und Gegner der Wolfsansiedlung stehen sich unerbittlich gegenüber. Schon lange fordern vor allem Landwirte und Jäger in den Wolfsgebieten eine Abschussquote zur Regulierung der Population. Jetzt hat sich Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt der Sache angenommen und die Diskussion um eine "beschränkte Abschussfreigabe" neu entfacht. Der Vorstoß ist ein Politikum.
    "Also der Wolf ist spätestens seit den Gebrüdern Grimm natürlich negativ besetzt. Es schwingt immer eine gewisse Angst mit, die emotional begründet und weniger faktisch begründet ist."
    Schäfer verliert über 60 Schafe
    Michael Harig ist Landrat im Kreis Bautzen, einem Landkreis in Sachsen, der so groß ist wie das Saarland und mit 130 Einwohnern pro Quadratkilometer vergleichsweise eng besiedelt. Der CDU-Mann hält den Vorstoß des Bundesagrarministers für richtig, denn er kennt die Sorgen im ländlichen Raum, wenn es um das Thema Wolf geht. Viele Hobby-Tierzüchter geben auf und jede Woche sprechen Bürger bei ihm vor,
    "die mir heute sagen, sie gehen nicht mehr ohne Bedenken in den Wald, die mir sagen, dass sie auch Sorgen haben, wenn sie ihre Kinder früh an die Bushaltestelle stellen. Deshalb geht es mir nicht darum, den Wolf als solchen zu verhindern, sondern es geht darum Artenschutz zu betreiben aber gleichzeitig auch die Interessen des ländlichen Raumes zu sehen und dazu gehört auch eine vernünftige Regulierung und dazu gehört auch eine Abschussregelung für Tiere, die verhaltensauffällig sind."
    Was das bedeutet hat der Schafzüchter im Nebenerwerb, Martin Just aus Cunnewitz in der Lausitz in den vergangenen 2 Jahren erlebt. Er unterhält zwei Herden, mit insgesamt 150 hochwertigen Mutterschafen. Gleich mehrfach fielen Wölfe bei ihm ein. Insgesamt 60 Schafe, hat er eingebüßt. Der Freistaat zahlt zwar Entschädigung für jedes tote Nutztier, doch den weitaus höheren Schaden im Zuchtbestand kann er damit nicht ersetzen.
    Von Wölfen gerissene Schafe des Schäfers Martin Just.
    Von Wölfen gerissene Schafe des Schäfers Martin Just. (Martin Just)
    Abwehrzäune helfen nicht
    Die Wölfe haben so eine Entwicklungsgeschichte bei uns gehabt. Also die haben irgendwann mal gelernt Schafe zu reißen und gemerkt, dass Schafe leichte Beute sind, daraufhin haben sie sich dann spezialisiert und natürlich auch angepasst. 2015 sind sie über einen Elektrozaun rüber, welcher von 3 Seiten zusätzlich mit Flatterband gesichert war. Und um die 20 Tiere sind getötet worden, tragende Tiere. Und im letzten Jahr sind sie dann erstmalig in die Festzäune eingedrungen."
    Seitdem gilt das so genannte Rosenthaler Wolfsrudel als Problemrudel, da es sich durch die bislang als sicher geltenden Abwehrmechanismen wie Elektrozaun und Flatterband nicht abschrecken lässt. Maßnahmen, die vom Freistaat Sachsen hoch bezuschusst werden mit 80 und bisweilen gar 100 Prozent bei den professionellen Zuchtbeständen. Der Mehraufwand an Arbeit für die zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen sei enorm, sagt Schäfer Martin Just.
    "Und jeder, der Schafe hält, überlegt an der Stelle natürlich wie es weitergehen soll."
    Der Wolf, in Europa unter Naturschutz, darf nicht bejagt werden. Wer es trotzdem tut riskiert drastische Geldstrafen und den Entzug des Jagdscheins. So ist es geregelt im Washingtoner Artenschutzabkommen und der Berner Konvention sowie auch in der FFH-Richtlinie der EU. Ob sich das ändern wird, hängt entscheidend davon ab, ob sein Bestand als stabil eingestuft wird oder nicht. Auf Antrag der Länder Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hat die Bundesregierung nun den Auftrag zu prüfen, ob, bzw. wann der angestrebte gute Erhaltungszustand der Wölfe der mitteleuropäischen Tieflandpopulation, zu der auch die Lausitzer Wölfe zählen, gegeben ist. Erst dann darf über eine Abschussquote entschieden werden. Die Entscheidung fällt in Brüssel, sagt Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt:
    "Es sind sehr, sehr dicke Bretter, die wir hier bohren müssen, aber auch durch ein dickes Brett ist man irgendwann durch. Es ist nur ganz, ganz schwierig das auf Bundesebene und am Ende auch auf Europäischer Ebene herbei zu führen, aber wir werden mit Nachdruck da dranbleiben."
    Abschusspläne stoßen auf Kritik
    Im Bundeskabinett stößt die Forderung von Bundesagrarminister Christian Schmidt, CDU, nach einer "beschränkten Abschussfreigabe" für Wölfe bei Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, SPD, auf Protest. Schon heute sei die "Entnahme einzelner Wölfe", die zum Beispiel immer wieder geschützte Nutztiere erbeuteten oder sich dem Menschen gegenüber auffällig verhielten, möglich. Die geltende Rechtslage zum jetzigen Status des Wolfs reiche völlig aus, so Hendricks in einem Zeitungsinterview.
    Dem Lausitzer Schäfer Martin Just nützt das wenig. Zuletzt hat die Untere Naturschutzbehörde Bautzen ein Einschreiten gegen die Cunnewitzer Problemwölfe abgelehnt. Ans Aufgeben denkt er noch nicht.
    "Man macht sich natürlich seine Gedanken. Es muss ja irgendwie weitergehen. Man hat ja auch eine Verpflichtung bezogen auf das Land und auf das, was man von seinen Vorgängern übertragen bekommen hat auch weiter zu führen."