Keine gute Nachricht: Ein Kontinent ist gefährdet, geht vielleicht unter, einer, der auf Landkarten nicht verzeichnet ist, also nicht geografisch zu orten ist.
Von außen gesehen mag es etwas pathetisch klingen, einen Verlag als Kontinent zu bezeichnen. Aber wenn man sieht, wie sehr uns die wichtigen Verlagshäuser mit geistigen Populationen und Sprachlandschaften bereichert haben, erscheint es doch angebracht, solche Orte der Kreativität und Produktivität als Kontinente zu charakterisieren.
Deutlicher noch wird dies aus zeitlicher Distanz, wenn die Produktion vielleicht definitiv eingestellt sein wird. Man stelle sich vor, die großen traditionellen Häuser - wie Suhrkamp, Hanser, Wagenbach oder S. Fischer - wären von einem auf den anderen Tag nicht weiter Refugien des Schöpferischen, der Fantasie und des Austauschs.
Genau dies geschieht aber zurzeit, wenn auch in noch überschaubaren Ausmaßen. Zuerst hat der Ammann Verlag sein Ende für das Frühjahr 2010 verkündet. Und jetzt ist die Situation des Verlags Urs Engeler, eines der anspruchsvollsten kleineren Verlage im deutschsprachigen Raum, sehr problematisch. Warum? Sind die Gründe nur wirtschaftlicher Natur, eine Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise?
"Die gute Nachricht ist die, dass ich mit dem Verlag tatsächlich weitermachen werde, wenn auch in einer reduzierten Form. Reduzierte Form heißt, dass es weniger Bücher werden, aber die wiederum sollen eigentlich noch besser, noch schöner werden. Das "weniger” hat tatsächlich mit Finanzen einerseits zu tun. Es gab einen Mäzen, der hat den Druck der Bücher finanziell unterstützt. Jetzt, wo er nicht mehr ist, müssen diese Bücher sich auf dem Markt behaupten, sprich durch den Verkauf ihre Druckkosten wieder einspielen. Das halte ich eigentlich für möglich. Was also dann Reduktion eigentlich meint, bedeutet, dass meine Arbeit, die ich da hineingesteckt habe - das waren zum Teil 60-Stunden-Wochen über Monate bis Jahre hin -, dass ich da relativ stark reduzieren werde und dass es deswegen auch einfach weniger Bücher sein müssen. Also, ich werde versuchen, sie sorgfältiger, noch sorgfältiger zu machen, aber weniger davon."
Der Verlag Urs Engeler publizierte 1995 ein erstes Buch und startete zwei Jahre später sein Programm. Schwerpunkt ist die Durchsetzung großer französischer Schriftsteller und Philosophen, die in Deutschland nur einem kleineren Publikum bekannt sind, hier auch nicht wirklich betreut und zum Teil von größeren Verlagen nur sporadisch übersetzt werden. Die Edition Urs Engeler verfolgt dagegen - vergleichbar den Verlagen Diaphanes, Matthes und Seitz und Passagen - eine andere Strategie: den konzeptuell ausgerichteten Aufbau einer kleinen Bibliothek von Autoren wie Maurice Blanchot, Jean Paulhan oder Philippe Lacoue-Labarthe, die ganz aus der Sprache heraus denken, bei denen Wissenschaft immer auch Poetologie ist.
Es ist ein Vergnügen zu lesen, wie subtil und feinfühlig, so ganz nah an literarischer Prosa, Essay und Poesie, Wissenschaft betrieben werden kann; etwa in Jean Paulhans "Schriften zur Theorie der Literatur” oder in Philippe Lacoue-Labarthes Schriften zur "Dichtung als Erfahrung”. Kühn, wie dieser sich als literarischer Philosoph vor einem Prüfungsausschuss vorstellte:
"Schriftsteller war für mich sehr früh schon ein Zauberwort. Ein Buch, die schwindelerregendste Sache der Welt. Meine Existenz war 'geschrieben'. Eine amouröse Situation kam von Stendhal (der erzitterte Wagemut); eine andre, Überschreitung und Scham, von Flannery O'Connor oder von Kafka. Das Staunen über die Großstadt von Dashiel Hammett oder von Joyce. Hilflosigkeit und Melancholie von Racine und Baudelaire. Das Gefühl des Grauens von Conrad; heroische Anwandlungen von Malraux. Die Versunkenheiten in einen Sonntagnachmittag von Rimbaud. Und die Revolte von ihnen allen, und einigen andern. Ich träumte davon, an der Produktion von Sätzen teilzuhaben, die bewirken, dass wir sind, was wir sind; die uns in diese Sprache weben, die niemand - kein Mensch zumindest - je erfunden hat, und die uns aufgrund einer Skansion rhythmisieren, deren Gesetz, von dem wir nur wissen, dass es da ist, wir nicht kennen.”"
Nicht weniger komplex, vielschichtig und oszillierend zwischen Wissenschaft und Literatur, teilweise von einer nicht mehr zu überschreitenden Exklusivität ist die Studie Kryptonymie von Nicolas Abraham und Maria Torok. Verbindet das nicht alle Bücher dieses Verlags miteinander: diese Sprachbesessenheit, das heißt, das sich die Autoren ganz und gar unter das Walten der Faszination stellen, die von der Sprache ausgeht?
"Die Gemeinsamkeit, die wahrscheinlich meine Bücher miteinander haben, liegt tatsächlich in dem, was Sie "die Sprache” nennen. Ich nenne es in meinem Wort "Poesie”. Poesie verstehe ich als etwas, was nicht einfach nur die Behauptung ist, dass ein bestimmtes Ding da sei, sondern es ist der Versuch, dieses bestimmte Ding in und durch Sprache tatsächlich gegenwärtig zu machen. In der Regel funktioniert Sprache so wie ein jenseitiger Bereich. Man sagt irgend etwas und denkt, der andere wird schon dahin schauen, wo man hinzeigt mit seinen Wörtchen. Und die Leute, mit denen ich arbeite, die zeigen mit ihren Wörtchen auf ihre Wörtchen einerseits, und paradoxerweise - das ist ein wichtiges und interessantes Moment an Poesie - zeigen diese Wörtchen dann doch wieder auf einen Gegenstand, der ein jenseitiges von Wörtern ist. Das sind ziemlich verwickelte Dinge, und genau um so verwickelte Dinge geht es in den Sachen, die mich interessieren."
Wenn man die Bücher des Urs Engeler Verlags um sich herum ausbreitet, hat man das Gefühl, an etwas Außergewöhnlichem und Kostbarem teilzuhaben, einem Ereignis beizuwohnen: wie Sprache theoretisch und dabei doch ganz durchdrungen von Szenischem und Experimentellem sein kann. Ein Buch wie "Gegengabe” von Felix Philipp Ingold ist viel mehr als nur ein Text, es ist gelebte und erzählte Literaturgeschichte, Tagebuch, Montage, Collage und Performance; ein Erproben von Texturen, kombiniert mit Poesie, Prosa und Kritik, Fragment, Traktat, Aphorismus und Essay; ein endloses Fortschreiben von Erfahrungen, Einfällen, Träumen und Entwürfen, limitiert nur von der Endlichkeit der eigenen Existenz.
"Dichten heißt, der Sprache zuarbeiten. Mal abwarten, mal zusehen, wie der Text sich auslebt dabei. Er nimmt seinen Lauf. Erst holt er - zumal bei Gedichten - die Schrift- und Klanggestalt der Wörter ein, hält sie fest, dann zieht er (vom Autor diskret gelenkt) deren Bedeutung hinzu und mehr noch, in präzisem Abwägen, deren Mehrdeutigkeit. Eine Idee, die Aussage, wird sich, wenn überhaupt, immer erst zuletzt einstellen, sie ergibt sich aus dem geschriebenen Gedicht, ist also keineswegs der gute Grund für ein zu schreibendes.”
Charakterisieren lässt sich das Programm des Urs Engeler Verlags auch ganz in diesem Sinne durch eine Zeile in dem Band "Unter der Kuppel. Erinnerungen an Paul Celan":
"Celan durchstöbert die Wörter.”
Die Autoren dieses Verlags durchstöbern tatsächlich auf eine zumeist abenteuerliche Weise die Wörter und die Syntax. Literatur-Theorie wird dabei selbst zu einem poetisch-assoziativen Text.
""Wenn man so mit Sprache umgeht, wie es die Dichter in meinem Verlag tun, dann ist die Reflexion darüber, was sie tun, ein wesentlicher Bestandteil. Das eine geht eigentlich nicht ohne das andere. Die Sachen sind in der Regel hoch bewusst, und insofern ist der auch theoretische Anspruch, den man damit verbinden kann, eben dass man durch Beschäftigung mit Poesie, mit Gedichten auch ein bisschen mehr über uns als Menschen und über unsere genuin menschlichen Möglichkeiten, die halt tatsächlich in Sprache liegen, dass man darüber mehr erfahren kann. Das ist ein wesentlicher Anspruch von Poesie, und ein Verlag, wie ich ihn mache, muss diesen Anspruch natürlich auch reflektieren in der Reflexion auf Poesie.”
Bände wie "Gegengabe" von Felix Philipp Ingold oder "Das Körperecho" von Ghérasim Luca thematisieren immer wieder auch die Nähe zur Klanglichkeit, so dass es naheliegen würde, den Bucheditionen verstärkt Hörfassungen hinzuzufügen. Wäre die Erweiterung der Audio-CDs nicht ein möglicher Weg aus der Krise? Und: Ist die akustische Werkausgabe Oskar Pastiors noch geplant?
""Ich habe ja sehr früh mich mit dem akustischen Aspekt der Literatur insofern beschäftigt, als die erste eigentliche Buchreihe, die ich gegründet habe, die sogenannten Kompaktbücher waren. Das waren Bücher, die vor 15 Jahren mit CDs erschienen sind - also einerseits ein Buch, andererseits eine CD. Ich komme selber vom akustischen Aspekt zwar nicht tatsächlich weg, aber in der Repräsentation interessiert es mich zunehmend weniger, muss ich sagen. Das hat auch ein bisschen mit unserer Event-lastigen Kultur zu tun, der ich doch halt das Nachdenken über Dinge gerne entgegenstellen würde. Natürlich ist Dichtung nicht ohne den Klang denkbar, aber die Sache auf den Klang zu reduzieren, das ist dann doch ein bisschen zu einfach.”"
Es wäre ein großer Verlust, wenn ein Verlag wie die Urs Engeler Edition, die mit jedem ihrer Bücher eine große Verantwortung vor der Sprache beweist, nicht weitergeführt würde und dadurch schon sehr bald zum Beispiel die frühen Sonette von E.E. Cummings auf dem Ramschtisch landeten.
"die Cambridge ladies, die in möblierten seelen
leben, sind unschön und haben behagliche mei-
nungen (außerdem mit protestantischem segen
töchter, geruchlos gestaltlos geistig im lot)
sie glauben an Christ&Longfellow, beide tot,
sind interessiert und nehmen alles entgegen -
schreibend, strickend, stets findet man finger dabei,
freudig für die sind es Polen? maschen zu zählen.
mag sein. Wobei man spröden gesichtes quasselt
vom Mrs.N-Professor-D-skandale
...die Cambridge ladies schert es nicht, wenn hoch
im himmel über Cambridge manchmal noch
in eckenlos lavendelblauer schale
der mond wie n böses stückchen kandis rasselt”
Von außen gesehen mag es etwas pathetisch klingen, einen Verlag als Kontinent zu bezeichnen. Aber wenn man sieht, wie sehr uns die wichtigen Verlagshäuser mit geistigen Populationen und Sprachlandschaften bereichert haben, erscheint es doch angebracht, solche Orte der Kreativität und Produktivität als Kontinente zu charakterisieren.
Deutlicher noch wird dies aus zeitlicher Distanz, wenn die Produktion vielleicht definitiv eingestellt sein wird. Man stelle sich vor, die großen traditionellen Häuser - wie Suhrkamp, Hanser, Wagenbach oder S. Fischer - wären von einem auf den anderen Tag nicht weiter Refugien des Schöpferischen, der Fantasie und des Austauschs.
Genau dies geschieht aber zurzeit, wenn auch in noch überschaubaren Ausmaßen. Zuerst hat der Ammann Verlag sein Ende für das Frühjahr 2010 verkündet. Und jetzt ist die Situation des Verlags Urs Engeler, eines der anspruchsvollsten kleineren Verlage im deutschsprachigen Raum, sehr problematisch. Warum? Sind die Gründe nur wirtschaftlicher Natur, eine Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise?
"Die gute Nachricht ist die, dass ich mit dem Verlag tatsächlich weitermachen werde, wenn auch in einer reduzierten Form. Reduzierte Form heißt, dass es weniger Bücher werden, aber die wiederum sollen eigentlich noch besser, noch schöner werden. Das "weniger” hat tatsächlich mit Finanzen einerseits zu tun. Es gab einen Mäzen, der hat den Druck der Bücher finanziell unterstützt. Jetzt, wo er nicht mehr ist, müssen diese Bücher sich auf dem Markt behaupten, sprich durch den Verkauf ihre Druckkosten wieder einspielen. Das halte ich eigentlich für möglich. Was also dann Reduktion eigentlich meint, bedeutet, dass meine Arbeit, die ich da hineingesteckt habe - das waren zum Teil 60-Stunden-Wochen über Monate bis Jahre hin -, dass ich da relativ stark reduzieren werde und dass es deswegen auch einfach weniger Bücher sein müssen. Also, ich werde versuchen, sie sorgfältiger, noch sorgfältiger zu machen, aber weniger davon."
Der Verlag Urs Engeler publizierte 1995 ein erstes Buch und startete zwei Jahre später sein Programm. Schwerpunkt ist die Durchsetzung großer französischer Schriftsteller und Philosophen, die in Deutschland nur einem kleineren Publikum bekannt sind, hier auch nicht wirklich betreut und zum Teil von größeren Verlagen nur sporadisch übersetzt werden. Die Edition Urs Engeler verfolgt dagegen - vergleichbar den Verlagen Diaphanes, Matthes und Seitz und Passagen - eine andere Strategie: den konzeptuell ausgerichteten Aufbau einer kleinen Bibliothek von Autoren wie Maurice Blanchot, Jean Paulhan oder Philippe Lacoue-Labarthe, die ganz aus der Sprache heraus denken, bei denen Wissenschaft immer auch Poetologie ist.
Es ist ein Vergnügen zu lesen, wie subtil und feinfühlig, so ganz nah an literarischer Prosa, Essay und Poesie, Wissenschaft betrieben werden kann; etwa in Jean Paulhans "Schriften zur Theorie der Literatur” oder in Philippe Lacoue-Labarthes Schriften zur "Dichtung als Erfahrung”. Kühn, wie dieser sich als literarischer Philosoph vor einem Prüfungsausschuss vorstellte:
"Schriftsteller war für mich sehr früh schon ein Zauberwort. Ein Buch, die schwindelerregendste Sache der Welt. Meine Existenz war 'geschrieben'. Eine amouröse Situation kam von Stendhal (der erzitterte Wagemut); eine andre, Überschreitung und Scham, von Flannery O'Connor oder von Kafka. Das Staunen über die Großstadt von Dashiel Hammett oder von Joyce. Hilflosigkeit und Melancholie von Racine und Baudelaire. Das Gefühl des Grauens von Conrad; heroische Anwandlungen von Malraux. Die Versunkenheiten in einen Sonntagnachmittag von Rimbaud. Und die Revolte von ihnen allen, und einigen andern. Ich träumte davon, an der Produktion von Sätzen teilzuhaben, die bewirken, dass wir sind, was wir sind; die uns in diese Sprache weben, die niemand - kein Mensch zumindest - je erfunden hat, und die uns aufgrund einer Skansion rhythmisieren, deren Gesetz, von dem wir nur wissen, dass es da ist, wir nicht kennen.”"
Nicht weniger komplex, vielschichtig und oszillierend zwischen Wissenschaft und Literatur, teilweise von einer nicht mehr zu überschreitenden Exklusivität ist die Studie Kryptonymie von Nicolas Abraham und Maria Torok. Verbindet das nicht alle Bücher dieses Verlags miteinander: diese Sprachbesessenheit, das heißt, das sich die Autoren ganz und gar unter das Walten der Faszination stellen, die von der Sprache ausgeht?
"Die Gemeinsamkeit, die wahrscheinlich meine Bücher miteinander haben, liegt tatsächlich in dem, was Sie "die Sprache” nennen. Ich nenne es in meinem Wort "Poesie”. Poesie verstehe ich als etwas, was nicht einfach nur die Behauptung ist, dass ein bestimmtes Ding da sei, sondern es ist der Versuch, dieses bestimmte Ding in und durch Sprache tatsächlich gegenwärtig zu machen. In der Regel funktioniert Sprache so wie ein jenseitiger Bereich. Man sagt irgend etwas und denkt, der andere wird schon dahin schauen, wo man hinzeigt mit seinen Wörtchen. Und die Leute, mit denen ich arbeite, die zeigen mit ihren Wörtchen auf ihre Wörtchen einerseits, und paradoxerweise - das ist ein wichtiges und interessantes Moment an Poesie - zeigen diese Wörtchen dann doch wieder auf einen Gegenstand, der ein jenseitiges von Wörtern ist. Das sind ziemlich verwickelte Dinge, und genau um so verwickelte Dinge geht es in den Sachen, die mich interessieren."
Wenn man die Bücher des Urs Engeler Verlags um sich herum ausbreitet, hat man das Gefühl, an etwas Außergewöhnlichem und Kostbarem teilzuhaben, einem Ereignis beizuwohnen: wie Sprache theoretisch und dabei doch ganz durchdrungen von Szenischem und Experimentellem sein kann. Ein Buch wie "Gegengabe” von Felix Philipp Ingold ist viel mehr als nur ein Text, es ist gelebte und erzählte Literaturgeschichte, Tagebuch, Montage, Collage und Performance; ein Erproben von Texturen, kombiniert mit Poesie, Prosa und Kritik, Fragment, Traktat, Aphorismus und Essay; ein endloses Fortschreiben von Erfahrungen, Einfällen, Träumen und Entwürfen, limitiert nur von der Endlichkeit der eigenen Existenz.
"Dichten heißt, der Sprache zuarbeiten. Mal abwarten, mal zusehen, wie der Text sich auslebt dabei. Er nimmt seinen Lauf. Erst holt er - zumal bei Gedichten - die Schrift- und Klanggestalt der Wörter ein, hält sie fest, dann zieht er (vom Autor diskret gelenkt) deren Bedeutung hinzu und mehr noch, in präzisem Abwägen, deren Mehrdeutigkeit. Eine Idee, die Aussage, wird sich, wenn überhaupt, immer erst zuletzt einstellen, sie ergibt sich aus dem geschriebenen Gedicht, ist also keineswegs der gute Grund für ein zu schreibendes.”
Charakterisieren lässt sich das Programm des Urs Engeler Verlags auch ganz in diesem Sinne durch eine Zeile in dem Band "Unter der Kuppel. Erinnerungen an Paul Celan":
"Celan durchstöbert die Wörter.”
Die Autoren dieses Verlags durchstöbern tatsächlich auf eine zumeist abenteuerliche Weise die Wörter und die Syntax. Literatur-Theorie wird dabei selbst zu einem poetisch-assoziativen Text.
""Wenn man so mit Sprache umgeht, wie es die Dichter in meinem Verlag tun, dann ist die Reflexion darüber, was sie tun, ein wesentlicher Bestandteil. Das eine geht eigentlich nicht ohne das andere. Die Sachen sind in der Regel hoch bewusst, und insofern ist der auch theoretische Anspruch, den man damit verbinden kann, eben dass man durch Beschäftigung mit Poesie, mit Gedichten auch ein bisschen mehr über uns als Menschen und über unsere genuin menschlichen Möglichkeiten, die halt tatsächlich in Sprache liegen, dass man darüber mehr erfahren kann. Das ist ein wesentlicher Anspruch von Poesie, und ein Verlag, wie ich ihn mache, muss diesen Anspruch natürlich auch reflektieren in der Reflexion auf Poesie.”
Bände wie "Gegengabe" von Felix Philipp Ingold oder "Das Körperecho" von Ghérasim Luca thematisieren immer wieder auch die Nähe zur Klanglichkeit, so dass es naheliegen würde, den Bucheditionen verstärkt Hörfassungen hinzuzufügen. Wäre die Erweiterung der Audio-CDs nicht ein möglicher Weg aus der Krise? Und: Ist die akustische Werkausgabe Oskar Pastiors noch geplant?
""Ich habe ja sehr früh mich mit dem akustischen Aspekt der Literatur insofern beschäftigt, als die erste eigentliche Buchreihe, die ich gegründet habe, die sogenannten Kompaktbücher waren. Das waren Bücher, die vor 15 Jahren mit CDs erschienen sind - also einerseits ein Buch, andererseits eine CD. Ich komme selber vom akustischen Aspekt zwar nicht tatsächlich weg, aber in der Repräsentation interessiert es mich zunehmend weniger, muss ich sagen. Das hat auch ein bisschen mit unserer Event-lastigen Kultur zu tun, der ich doch halt das Nachdenken über Dinge gerne entgegenstellen würde. Natürlich ist Dichtung nicht ohne den Klang denkbar, aber die Sache auf den Klang zu reduzieren, das ist dann doch ein bisschen zu einfach.”"
Es wäre ein großer Verlust, wenn ein Verlag wie die Urs Engeler Edition, die mit jedem ihrer Bücher eine große Verantwortung vor der Sprache beweist, nicht weitergeführt würde und dadurch schon sehr bald zum Beispiel die frühen Sonette von E.E. Cummings auf dem Ramschtisch landeten.
"die Cambridge ladies, die in möblierten seelen
leben, sind unschön und haben behagliche mei-
nungen (außerdem mit protestantischem segen
töchter, geruchlos gestaltlos geistig im lot)
sie glauben an Christ&Longfellow, beide tot,
sind interessiert und nehmen alles entgegen -
schreibend, strickend, stets findet man finger dabei,
freudig für die sind es Polen? maschen zu zählen.
mag sein. Wobei man spröden gesichtes quasselt
vom Mrs.N-Professor-D-skandale
...die Cambridge ladies schert es nicht, wenn hoch
im himmel über Cambridge manchmal noch
in eckenlos lavendelblauer schale
der mond wie n böses stückchen kandis rasselt”