Archiv


"Wofür kämpfen wir eigentlich?"

Der britische Premier Gordon Brown hat es, ähnlich wie derzeit der deutsche Verteidigungsminister, nicht leicht, seine Landsleute vom Sinn des Afghanistaneinsatzes zu überzeugen. Seit Juli ist die Zahl gefallener britischer Soldaten deutlich gestiegen.

Von Ruth Rach |
    Der englische Admiral Nelson steht auf seiner Siegessäule auf dem Trafalgar Square in London und blickt sinnend in Richtung Parlament. Drei weitere Nationalhelden in Übergröße posieren auf niedrigeren Sockeln. Der vierte Sockel ist schon seit 150 Jahren verwaist: Die Behörden können sich schlichtweg nicht einigen, wer am besten darauf passt.

    Ein Denkmal für den Weltfrieden wäre viel besser, als das was wir jetzt gerade um uns haben, sagt ein Herr mittleren Alters. Man könnte zum Beispiel einem alten britischen Kriegsveteranen ein Andenken setzen, der erklärt hatte, Kriege seien eine Lizenz zum Morden.

    Andere Passanten kommen da schnell auf ähnliche Gedanken – und auf den Einsatz in Afghanistan:

    Ich kann noch so viel zum Thema lesen, aber ich habe immer das Gefühl, dass die Fakten verdreht werden, erklärt eine junge Frau.

    Afghanistan ist eine Katastrophe, sagt ein älterer Herr.

    Die USA und Großbritannien haben in Afghanistan viel zu wenig Streitkräfte aufgeboten. Die Regierungen sollten sich ein Beispiel am Falklandkrieg nehmen: Frau Thatcher entsandte die genau richtige Anzahl an Soldaten, Schiffen und Flugzeugen, und der Krieg war blitzschnell vorbei.

    Noch im Frühsommer hatten über 50 Prozent der Briten die Kampagne in Afghanistan unterstützt. Der Einsatz war weitaus weniger umstritten als der Krieg im Irak. Mittlerweile sind in Afghanistan mehr Soldaten gefallen als im Irak. Premierminister Gordon Brown spricht von einem sehr harten Sommer. Eine Hiobsbotschaft folgt der anderen.

    Acht britische Soldaten – so die BBC Nachrichten - haben innerhalb von 24 Stunden ihr Leben verloren.

    Dieser Einsatz kann nicht gewonnen werden, keine fremde Macht hat das Land jemals besiegt, erklärt Patrick McAuslan. Der Juraprofessor hat in Afghanistan für UNO- und Weltbankprojekte gearbeitet.

    Die Regierung in Afghanistan ist dysfunktional und korrupt, doch wir unterstützen sie noch, indem wir unsere Soldaten nach Afghanistan schicken. Damit geben wir der Regierung das Signal, sie könne ewig so weitermachen und wir würden dennoch bleiben.

    Kritik auch aus den Reihen des britischen Militärs. Es fehle an Hubschraubern sowie an gepanzerten Fahrzeugen, um die Soldaten sicher zu transportieren. Immer mehr Soldaten müssten sterben, weil ihre Fahrzeuge in Sprengstofffallen gerieten.

    Die oppositionellen Konservativen greifen diese Kritik begierig auf – dabei haben sie sich in der Vergangenheit keinesfalls grundsätzlichen gegen den Einsatz in Afghanistan ausgesprochen.
    Was sind eigentlich unsere Kriegsziele? - fragen auch die Medien. Erst sei es darum gegangen El-Kaida zu vernichten, dann habe es geheißen, man wolle einen demokratischen Staat in Afghanistan etablieren. Am Wochenende nahm Premierminister Gordon Brown endlich Stellung:

    "Unser Einsatz in Afghanistan ist Teil einer internationalen Strategie: Wir wollen die Menschen in Afghanistan nicht im Stich lassen. Der Terrorismus kennt keine Grenzen, wir alle profitieren davon, ihn in dieser Region zu besiegen, deswegen müssen alle Mitglieder unserer internationalen Koalition ihren Teil beitragen."

    Mit diesen Worten geben sich Gordon Browns Kritiker aber noch lange nicht zufrieden. Unter ihnen George Pascoe Watson vom Boulevardblatt "The Sun".

    ""Unser Land ist im Kriegszustand, das sollte Premierminister Brown klar und deutlich zugeben. In unserer Redaktion gehen Tag für Tag Klagen ranghoher Offiziere und Frontsoldaten ein. Wir brauchen einen kompetenten Verteidigungsminister, der sein Ministerium im Griff hat: im Moment ist es zutiefst gespalten, und wird von Grabenkämpfen zerrissen.""

    Nun hofft Premierminister Brown auf eine – so seine Worte – Afghanisierung, in deren Zuge afghanische Soldaten und Polizisten die Aufgaben der ausländischen Kräfte übernehmen und so einen baldigen Abzug ermöglichen würden. Aber der neue Generalstabchef Sir David Richards prophezeit bereits, Großbritannien werde wohl noch die nächsten 30 bis 40 Jahre in irgendeiner Form in Afghanistan engagiert sein.