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Woher stammte das Schwarzgeld der Hessen-CDU?

Vor dem Landgericht Wiesbaden hat der Prozess gegen den früheren Bundesinnenminister Manfred Kanther wegen der im Jahr 2000 bekannt gewordenen Finanzaffäre der hessischen CDU begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft Kanther Untreue zu Lasten seiner Partei vor. Er soll als Generalsekretär der Landes-CDU 1983 mehr als 20 Millionen Mark aus dem Parteivermögen ins Ausland verschoben haben.

    Simon: Erwarten Sie, dass infolge dieses Prozesses auch bekannt wird, woher der Grundstock dieser 20 Millionen stammt?

    Leyendecker: Ja, diese Chance ist da, wenn Herr Kanther sagt, es sei behauptet worden, er habe sich möglicherweise bereichert. Ich kenne alle Pressegeschichten, die erschienen sind, niemand hat jemals so einen Vorwurf gemacht, aber eine wesentliche Frage muss schon an ihn gerichtet werden: woher stammte das Geld? Die Einlassung, dass der arme Landesverband plötzlich über einen Dukatenschatz verfügt habe über 20 Millionen ist nachgewiesenermaßen so nicht zu halten, also muss man sagen: woher kommt es? Und es gibt den Verdacht, dass es aus zwei Geldwaschanlagen kommt, die illegal waren. Dass die Hessen mit diesen illegal operierenden Geldwaschanlagen weitergearbeitet haben, als Staatsanwälte schon Verfahren machten gegen Leute, die das getan hatten. Und dass sie dann, weil die Bundespartei gesagt hatte, das geht alles auf keinen Fall, dass sie das Geld dann heimlich in die Schweiz weggeschleppt haben. Da liegt natürlich ein starker Vorwurf drin. Und die Frage könnte geklärt werden.

    Simon: Was lässt Sie annehmen, dass Herr Kanther das nun sagt, wo er das schon vor viereinhalb Jahren nicht erklärt hat, woher das Geld kommt?

    Leyendecker: Es kann eine Situation geben, dass sich einfach durch die Addition die Frage, wenn wir uns jetzt noch mal hinsetzen und addieren, wie kommen wir dann auf diesen Betrag und es gibt ja die Spenden, die damals reingekommen sind, da waren falsche Zahlen angegeben worden. Wenn man sich hinsetzt und noch mal durchgeht, dann kann es schon den Punkt geben, dass der eine oder andere sagt: Ich will mal sagen, wie die Geschichte wirklich war. Wir haben es ja auch erlebt mit den jüdischen Vermächtnissen. Das war ja eine Zwecklüge, die aufgebaut wurde, sehr unappetitlich muss man sagen, dass Juden hier genommen wurden, um so eine dreckige Geldgeschichte zu verdecken und da hat man nachher auch sagen müssen: nein, es war anders, es gab einen Honigtopf im Süden, der speiste sich nicht aus jüdischen Vermächtnissen, sondern es gab einen anderen Hintergrund. Solche Situationen können kommen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass in diesem Prozess große Bekenntnisse gemacht werden außer dass die drei Angeklagten unschuldig sind, aber es kann schon eine Situation eintreten, dass darüber mal ehrlich gesprochen wird.

    Simon: Ministerpräsident Roland Koch musste ja noch während der Affäre damals zugeben, dass er in einer wichtigen Frage öffentlich gelogen hat. Er wird jetzt im Kanther-Verfahren als Zeuge aussagen, vor den Untersuchungsausschüssen in Berlin und Frankfurt hatte Koch seine Aussagen nicht unter Eid machen wollen. Wie schätzen Sie es ein, wie schwierig ist dieses Verfahren für den Ministerpräsidenten?

    Leyendecker: Ich glaube nicht, dass Kanther ihn irgendwo belasten wird. Ich denke auch nicht, dass Weyrauch versuchen wird, Koch zu belasten. Er hat ja, wie Sie eben richtig gesagt haben, eine Lüge eingestanden. Da wurde ein Darlehensvertrag erfunden, der wurde dann auch noch rückdatiert. Er hat falsche Behauptungen aufgestellt, die er dann korrigieren musste. Es ist die sehr spannende Frage: wann wusste Koch wirklich, dass es dieses Auslandsvermögen gab. Wusste er jemals, wie es sich wirklich zusammensetzte? Auch das kann angesprochen werden. Nur ich glaube, einer der drei Angeklagten, Kasimir Sayn-Wittgenstein, ist ein kranker, sehr alter Mann, der wird vermutlich gar nichts sagen. Es ist die Frage, wie sich Weyrauch einlässt auf diesen Prozess. Er empfindet es als großes Unrecht, dass er da vor Gericht steht, er ist aus der CDU ausgetreten. Er hat Loyalitäten, nur ob die so stark sind, dass er tatsächlich seine Geschichte weiter so fortsetzt, wie er sie angefangen hat, wird man sehen müssen.

    Simon: Halten Sie das für eine erfolgversprechende Anklage?

    Leyendecker: Es ist eine schwierige, aber es gibt einen wesentlichen Punkt, der auf ihn zukommt. Es gibt vom Bundesverwaltungsgericht ein Urteil, dass die Bundes-CDU genau wegen dieser Hessengeschichte Sanktionen in Höhe von 41 Millionen Mark zu zahlen hat. Da ist man jetzt vorm Bundesverfassungsgericht und was, wenn dieses sagt: ja, wir sehen das so, wie das Bundesverwaltungsgericht das gesehen hat? Da werden die Sanktionen tatsächlich fällig. Dann ist natürlich der Partei auch ein Vermögensschaden entstanden, dann wird auch nicht weiterhelfen, dass man sagt, das war unser Geld, wir haben das vermehrt, sondern es gibt tatsächlich einen akuten Vermögensschaden.

    Simon: Gehen Sie davon aus, dass dieses Verfahren der Schlusspunkt des Spendenskandals bei der Hessen-CDU ist?

    Leyendecker: Ja. Es ist das erste und letzte Verfahren, vermute ich. Wir haben ja andere Problemzonen: den Altkanzler Dr. Helmut Kohl, der nicht sagt, von wem er das Geld bekommen hat, da hat man ja einen anderen Weg in der Justiz gefunden, man hat die Schreiber-Spende von 100.000 Mark, die ungeklärt sind. Dieser Fall ist nun tatsächlich der einzige, der vor Gericht verhandelt wird und es wird der letzte sein.

    Simon: Herzlichen Dank. Das war ein Gespräch mit Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung".