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Wohin mit 40 Euro?

Kaum hat das Bundesverfassungsgericht Rückmeldegebühren für verfassungswidrig erklärt, verlangt die Landesregierung in Baden-Württemberg von ihren Studenten einen neuen Obolus. Ab dem kommenden Semester soll jeder der knapp 240.000 Hochschüler 40 Euro Verwaltungsgebühren zahlen. Nicht mit uns, erklärten Studenten an der Uni Ulm vor mehr als einem Monat und riefen auch andere Einrichtungen zum Boykott auf. Anstatt das Geld an die jeweilige Hochschulkasse zu überweisen, soll es auf ein Treuhandkonto fließen. Zahlen genügend Studierende ein, kann sich das Land die Exmatrikulation aller Beteiligten kaum leisten. Machen nur wenige mit, wird das Geld kurz vor Ablauf der Rückmeldefrist doch noch an die Hochschulkasse überwiesen.

    Von Stephanie Ley

    Die Boykottwelle rollt. Zumindest suggerieren das die aktuellen Zahlen: von insgesamt neun Universitäten in Baden-Württemberg wollen Studierende an sieben ein von einem Anwalt verwaltetes Treuhandkonto einrichten. Darunter auch angehende Akademiker der Uni Heidelberg. Hier ist unter anderem der Physik-Student Jorit Falke aktiv. Der 25-Jährige informiert über den Boykott nach Vorlesungen, klebt Protestplakate, verteilt Überweisungsträger. Denn: Jorit Falke sieht die Einführung der neuen Gebühr höchst kritisch.

    Ich sehe das so, dass es einfach dazu dient, die Leute an solche Kosten zu gewöhnen. Damit man dann später keine größeren Proteste mehr hat. Im Moment ist die Höhe der Verwaltungsgebühr ja 40 Euro, aber das lässt sich leicht auf bis zu 150 Euro erhöhen. Und es ist natürlich leichter zu erhöhen, als eine neue Gebühr einzuführen. Und später kann man sich dann sagen, okay, wir vereinfachen das dann und nennen das Studiengebühr. Die lässt sich noch wesentlich einfacher erhöhen. Das gibt es das Beispiel aus Australien. Da wurden Studiengebühren eingeführt, und die sind dann innerhalb kürzester Zeit auf das Zehnfache gestiegen.

    Miese Perspektiven, erklärt auch der Heidelberger Biologiestudent Jan Drechsel. Der 26jährige will auf jeden Fall auf das Treuhandkonto einzahlen - zumal ihn besonders auf die Palme bringt, dass das Geld für die Verwaltungsgebühr direkt auf das Konto der Landesregierung fließt und nicht in der Unikasse bleibt. Dabei fehle es an allem:

    Zum Beispiel in der Bibliothek. Das sind nur alte Schinken, die in den Regalen stehen. Wenn man da sagen würde, zahlt drauf, dass wir neue Bücher beschaffen könnten - solche Sachen, die der Uni zugute kämen- damit wäre ich einverstanden. Aber so wie es aussieht, scheint es nur ein Mittel für die Landespolitik zu sein, damit sie wieder neue Quellen abschöpfen können und das finde ich nicht okay. Irgendwann muss Schluss sein!

    Denken weitere 22.000 Hochschüler im Land so wie er und überweisen, gilt der Boykott für die Initiatoren als geglückt. Doch bis dato kann man von solchen Zahlen nur träumen. Lediglich 1240 Studierende haben bislang auf die verschiedenen Treuhandkonten eingezahlt. Der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg plant den Boykott schon im Keim zu ersticken und droht allen Beteiligten mit Exmatrikulation. Hans-Wolfgang Arndt, Rektor der Universität Mannheim, stimmt ihm angesichts der desolaten Finanzlage des Landes zu:

    Ich kann Ihnen nur raten, diese 40 Euro - übrigens eine moderate Summe wenn man sich vorstellt, Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen man umsonst studieren kann, der Steuerzahler zahlt die ganzen Dienstleistungen, die wir erbringen - ich kann ihnen nur dringend raten, diese moderate Summe zu zahlen! Andernfalls - und jetzt spreche ich nicht als Rektor, sondern als Jurist- dürfte die harte Haltung des Landes, nämlich Exmatrikulation, auch rechtlich durchsetzbar sein. Eine Verunsicherungstaktik, die offenbar Wirkung zeigt. Wie bei dieser Heidelberger Medizinstudentin:

    Ich finde es ein bisschen schwierig, da mitzumachen. Weil ich einen ZVS-Platz habe und es sein kann, dadurch den Studienplatz zu verlieren. Wäre ich jetzt in der Physik eingeschrieben, würde ich sage, okay, kann ich ohne Probleme mitmachen, die schmeißen mich raus, und ich kann mich einfach wieder immatrikulieren. Nur - mit ZVS-Plätzen geht das so eben nicht. Und da muss ich abwägen - gehe ich das Risiko ein oder zahle ich halt.

    Der Wissenschaftsjurist Professor Wolfgang Löwer von der Uni Bonn kommentiert für Campus und Karriere die Rechtslage. Er hält Wissenschaftsminister Peter Frankenbergs Drohung mit Exmatrikulation für rechtlich korrekt. Bei einer sehr hohen Beteiligung von Studierenden am Boykott könnte es in der Praxis aber zu einem anderen Ergebnis kommen. Hören Sie seine Einschätzung als RealAudio-Datei