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Wohin mit dem Elektroschrott?

In kaum einer anderen Branche werden die Produkte wohl schneller schneller vom technischen Fortschritt eingeholt hat als in der IT-Branche. Das heißt, Jahr für Jahr wandern also unzählige ausgemusterte Rechner und Labtops auf den Müll. Allein in Deutschland fallen jährlich 125.000 Tonnen IT-Schrott an, samt umweltschädlicher Substanzen wie bromierte Flammschutzmittel für Gehäuse und Leiterplatinen.

Von Mirco Smiljanic |
    Zwei neue Richtlinien aus Brüssel sollen hier einen Riegel vorschieben. Zum einen wird in Zukunft bereits bei der Produktion von Elektrogeräten auf die Umweltverträglichkeit geachtet, zum anderen werden die Hersteller bei der Entsorgung stärker in die Pflicht genommen, und zwar ab Mitte 2006. Denn in Deutschland hat der Bundesrat für das so genannte Elektro- und Elektronikgerätegesetz im Februar grünes Licht gegeben. Doch wie gut ist die Industrie auf die Rücknahme alter Geräte vorbereitet?

    Die Kosten des Recyclings alter Computer, Digitalkameras oder Laptops tragen ab Mitte kommenden Jahres die Hersteller - so will es das Elektronikschrottgesetz. Deshalb müssen sich die Firmen bis zum kommenden Herbst beim Rückgabesystem anmelden. Das heißt,...
    "...dass er sich zum einen registrieren lassen muss bei einer Registrierungsstelle und dass er dort sagen muss, wie viele Geräte er in Verkehr bringt. Und an dieser Menge in Verkehr gebrachter Geräte bemisst sich seine Verpflichtung gegenüber den Altgeräten, die nämlich von allen Bürgern zurückgebracht werden an bestimmte Stellen. Und dort übernimmt der Hersteller den Anteil zurück gekommener Geräte. Das ist so ein Schlüssel, in der Regel werden die Hersteller so ihre Verpflichtung erfüllen. "

    Sagt Christiane Schnepel vom Umweltbundesamt in Berlin. Die Abgabestellen sollen ab Juni 2006 zügig zunächst in Städten über 100.000 Einwohner eingerichtet werden. Bei einem anderen Ziel des Elektronikschrottgesetzes benötigen die Verantwortlichen mehr Zeit.

    "Es geht nicht nur um das Recycling, es geht auch darum, dass die Hersteller verpflichtet werden, bestimmte Stoffe in den Neugeräten nicht mehr zu verwenden, das wird dazu führen, dass, wenn diese Geräte Altgeräte werden, dass sie einfach nicht mehr so Schadstoff belastet sind wie derzeit."


    Um die Verarbeitung von umweltschädlichen Stoffen bei der Produktion von Elektronik-Produkten zu unterbinden, wollen sich mehrere Staaten der Europäischen Union zu so genannten "Kontrollverbünden" zusammenschließen. Der Aufbau eines gemeinsamen Kontrolldienstes und entsprechender Untersuchungslabors wird aber wohl erst gegen Ende des Jahres 2006 abgeschlossen sein. Einige Hersteller haben sich bereits jetzt auf die neuen Bestimmungen eingestellt, sie teilweise sogar vor dem Geltungstermin umgesetzt. So haben nach Auskunft von Peter Esser, Vorstandsmitglied des Computerbauers Fujitsu-Siemens, die Entwicklungsingenieure...

    "...die Motherboards, die Gehirne der PCs, von ihrer Löttechnik her auf bleifreies Löten umgestellt. Blei ist ja ein sehr umweltschädigendes Element. Und so sind wir in der Lage von einem Bestandteil von vorher zwölf Gramm pro PC - hört sich nicht sehr viel an, aber wenn man das über Millionen PCs hochrechnet, kommen da viele Tonnen raus, also die Reduktion von zwölf Gramm pro Motherboard auf drei Gramm, bringt hier einen ganz deutlichen Vorteil für die Umweltentlastung. Andere Stoffe wie Halogene sind weitestgehend raus."


    Um Schadstoffe bei der Produktion von PCs und anderen Elektronik-Produkten zu vermeiden, mussten und müssen die Hersteller viel Geld investieren, ihre Fertigungsstätten teilweise umbauen und neue Produktionsverfahren einführen. Und bei Recycling geht es um gewaltige Schrottmengen: Pro Jahr fallen eine Million Tonnen Elektroschrott in der Bundesrepublik an, davon betrifft die Computerbranche etwa 125.000 Tonnen. Deshalb haben die Branchenverbände gemeinsam mit beteiligten Herstellerunternehmen eine eigene Stiftung für die Umsetzung des Elektronikschrittgesetzes gegründet. Hier sind Richtlinien für das Rückgabesystem erarbeitet worden, die auch in das nationale Gesetzgebungsverfahren eingeflossen sind. Diese Richtlinien sind in Pilotprojekten ausführlich getestet worden. Menno Harms, Vizepräsident des Branchenverbandes Bitkom:

    "Wir haben einen Piloten gestartet mit der Stadt Reutlingen, d.h. Hewlett-Packard hat das gemacht, letztes Jahr, und haben da schon mal getestet, wie das funktioniert. Man muss wirklich sagen, einwandfrei. Sowohl die Einwohner der Stadt Reutlingen haben hervorragend mitgemacht, wie auch wir haben entsprechende Informationen bekommen, über das durchschnittliche Alter der Geräte, die waren im Schnitt etwa achteinhalb Jahre alt."


    Dieses Ergebnis hat auch die Elektronikschrott-Experten überrascht. Ebenso die erheblichen Einsparmöglichkeiten, die sich durch die Umstellung auf umweltschonende Produktionsverfahren ergeben haben. Peter Esser von Fujitsu-Siemens:

    "Wir benötigen ungefähr 60 Prozent weniger Energie, um einen PC zu bauen als noch vor einigen Jahren. Wir benötigen weniger Wasser, wir brauchen nicht so viel Recycling, das heißt wir lassen uns eine Menge einfallen, auch zum Beispiel im Bereich der Verpackung, im Bereich Transport, wo wir Kosten einsparen, aber gleichzeitig der Umwelt einen gefallen tun. Also hier spielen Umweltbewusstsein und kommerzielle Überlegungen sehr gut zusammen. Wir finden eine gute Balance."

    Wirtschaftlich rechnen soll sich nicht nur der Wunsch des Brancheverbandes Bitkom zufolge. Auch das Recycling. Verbandsvizepräsident Jörg Menno Harms setzt hier auf möglichst viel Wettbewerb unter Entsorgungsunternehmen. Das wäre ökonomisch und ökologisch sinnvoll.