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Wohin mit dem Geld?

Einige Hochschulen in Nordrhein-Westfalen kassieren künftig Studiengebühren, ohne zu wissen, was sie damit anfangen sollen. Sie verlangen zum Wintersemesters 500 Euro von ihren Erstsemester. Im Sommer müssen dann fast alle Studierenden zahlen. Das Besondere in NRW: Per Gesetz ist festgelegt, dass die Studenten mitbestimmen dürfen, was mit ihrem Geld passiert.

Von Christina Bramsmann |
    " Das ist ein Teil der Hörsaal-Einrichtung, nämlich die Schreibunterlage, die einem entgegenkommt, mehr oder weniger. "

    Ein Hörsaal für Mediziner an der Uni Bonn. Holzbänke, Holzdecke, auf den ersten Blick noch ganz okay. Mittendrin steht der Medizinstudent Stefan Ehrentraut im weißen Kittel und beschreibt die Lage:

    " Diverse Sitzflächen hängen komplett durch oder sind nicht mehr existent. Das Klo läuft in regelmäßigen Abständen über, so dass der Flur vor dem Hörsaal eine Handbreit unter Wasser steht."

    Hier sollen die Studiengebühren helfen. Die Mediziner wollen ein neues Hörsaal-Gebäude bauen. Dekan Reinhard Büttner schwärmt von der neuen Flexibilität, denn normalerweise würde der Bau mit allen Verwaltungshürden über zehn Jahre dauern:

    " Und das ist für die Studenten inakzeptabel, denn die sind dann alle mit ihrem Studium durch. Und mit diesen Studiengebühren konnten wir hier eine Maßnahme anstoßen, die ganz schnell unseren dringendsten Bedarf in dieser Frage löst."

    An der RWTH Aachen hat die Uni schon ein bisschen Geld vorgestreckt, um schneller etwas vorzeigen zu können, erklärt Lucia Vennarini aus dem Planungsdezernat:

    " Als Erstsemester müsste ich zum Beispiel sehen, dass für alle Grundstudiumsveranstaltungen diverse Übungsgruppen eingerichtet wurden, dass die studentischen Mitarbeiter, die daran mitwirken geschult wurden und zwar nicht nur rhetorisch sondern auch fachlich."

    Aber wie genau werden die Studiengebühren in NRW eigentlich verteilt? Der Student zahlt 500 Euro. Entweder aus der eigenen Tasche oder über einen Kredit durch die Landesbank.

    Von diesen 500 Euro behält die Landesbank etwa einhundert Euro ein. Als Sicherheit falls Absolventen nach dem Studium das Geld nicht zurückzahlen können.

    Weitere einhundert Euro behalten die Universitäten. Davon werden allgemeine Dinge, wie neue Lampen, Wege oder Reparaturen an den Hauptgebäuden bezahlt.

    Bleiben 300 Euro. Und die gehen komplett an die Fakultät aus der der Student kommt.

    In Aachen wird in Zukunft mit knapp 20 Millionen Euro gerechnet. Die Fachbereiche wünschen sich davon zum Beispiel neue Bücher, Mikroskope und mehr Übungsgruppen. Wichtig ist, dass mit dem Geld keine Dinge angeschafft werden, die eigentlich aus dem normalen Haushalt kommen sollen, sagt die Aachener Asta-Vorsitzende Anna Nelles:

    " Die Befürchtungen sind immer da, weil wir natürlich in erster Regel denken, dass das Land mit den Studiengebühren irgendwo Geld einsparen will. Aber bisher macht es wirklich den Eindruck, dass die Sachen neu sind. Wir werden weiterhin ein Auge drauf haben, dass das nicht passiert, dass irgendwo Haushaltslöcher gestopft werden."

    Bei den Medizinern in Bonn bestimmt in Zukunft eine Kommission darüber, wo die Studiengebühren verwendet werden sollen. Die Studenten haben dort die Hälfte der Sitze. Sie können und sollen blockieren, was ihnen nicht passt, sagt Dekan Reinhard Büttner:

    " Denn das sind ja Mittel, die letztendlich von jedem Studenten selber aufgebracht werden. Deshalb wollten wir a) das nicht in einen großen Topf, unseren allgemeinen Haushalt rühren und hinterher weiß keiner mehr, was damit passiert ist, und zweitens soll durch eine Kommission, in der die Studenten so stark vertreten sind, dass sie auch Maßnahmen, die sie gar nicht finanzieren wollen mit ihrem eigenen Geld, blockieren können."

    Nachdem der neue Hörsaal fertig ist, sollen die Gelder in Bonn auch als Belohnung für besonders gute Lehre genutzt werden. Bisher war in Deutschland vor allem die Forschung für Professoren reizvoll. Im Labor, nicht im Hörsaal konnte man Lorbeeren ernten. Das soll sich ändern, so Büttner:

    " Lebenslange Budgets - einmal Professor geworden und dann hab ich für 30 Jahre ein festes Budget mit festen Stellen und kann machen, was ich will, und im Extremfall auch nur schlechte Lehre, gar nichts machen, da müssen wir wegkommen. Und in diesem Restrukturierungsprozess sind wir und da helfen auch die Studiengebühren."

    Klingt plausibel, aber bezahlen müssen die Studenten, sagt Stefan Ehrentraut.

    " Viele sehen es als enorme soziale Belastung, denn 500 Euro mehr pro Semester sind 500 Euro mehr pro Semester. Andererseits muss man sagen: Jetzt sind Studiengebühren da, die lassen sich nicht wegdiskutieren, also muss man einfach sehen, dass man diese Chance nutzt."