Samstag, 20. April 2024

Archiv


Wohin mit dem Müll?

Raumfahrt.- Vor gut einem Jahr sind im Weltraum zwei Satelliten zusammengestoßen. Die Anzahl der Einzelteile an Weltraumschrott stieg dadurch schlagartig an. In Köln haben Wissenschaftler nun darüber beraten, wie der Müll im All vermieden werden könnte.

Von Guido Meyer | 04.05.2010
    "Der Satellit liefert auf einmal keine Daten mehr; der ist einfach schwarz. Und dann fängt die Spekulation an: War die Batterie leer? Ist irgendwas ausgefallen? Oder war es eben ein Trümmerteil, das ihn zerstört hat? Und es gibt eine Handvoll von Beispielen, wo man vermutet, dass ein kleines Teil einen Satelliten zerstört hat."

    Rüdiger Jehn vom Europäischen Satellitenkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt kennt solche Fälle schon. Der Experte für Weltraumschrott versucht für Europas Missionen im All freie Bahnen zu finden, damit solche Totalausfälle vermieden werden. Doch seine Möglichkeiten sind begrenzt: Erst ab ungefähr zehn Zentimeter Größe lassen sich Trümmerteile vom Boden aus nachweisen. Aber selbst Objekte von einem Zentimeter Größe genügen bereits, um einen Satelliten komplett zu zerstören. Allem was größer ist als zehn Zentimeter, kann ausgewichen werden – und das ist derzeit ein bis zweimal im Jahr nötig.

    "Man kann drum herum fliegen. Das machen wir in Darmstadt mit unseren Satelliten. Wir haben zwei Erderkundungssatelliten, die fliegen genau in der Höhe und genau in der Bahnneigung, wo der größte Müll sich befindet. Und wir müssen des Öfteren Ausweichmanöver fliegen. Wenn das jetzt so weiter geht, wenn eine neue Kollision stattfindet, dann müssen wir einmal pro Woche Ausweichmanöver fliegen. Und jedes Ausweichmanöver, das kostet uns zwei Tage. Wir müssen einen Tag vorher abschalten, wir müssen es einen Tag danach wieder hochfahren, wir müssen den Satellit wieder an die ursprüngliche Position bringen. Und wenn man das zu häufig machen muss, dann ist das ganze ad absurdum geführt, das heißt, man muss jetzt schleunigst Gegenmaßnahmen ergreifen, damit das nicht noch weiter anwächst."

    Maßnahmen gegen bereits vorhandenen Weltraumschrott zu ergreifen, ist so gut wie unmöglich. Es wäre technisch sehr anspruchsvoll und extrem teuer, eine "Putze für’s All" zu entwickeln, die da oben mal eben aufräumt. Bleibt also als Gegenmaßnahme nur die Prävention, das Vermeiden künftigen Weltraumschrotts. Abgesehen von den selten stattfindenden Kollisionen ist das Explodieren ausgedienter Raketenoberstufen eine der Hauptursachen für die Vermehrung von Trümmerteilen auf Erdumlaufbahnen. Diese ließe sich durch technische Verbesserungen aufhalten, findet Berndt Feuerbacher, der Präsident der International Astronautical Federation.

    ""Ich versuche, meine Teile so kompakt wie möglich zu machen, dass sie am Stück bleiben, nicht in Einzelteile zerbrechen, dass ich keine Rückstände von Antriebsmitteln habe da oben, die dann so kleine Flöckchen machen, die sehr gefährlich werden können. Die zweite Möglichkeit ist operationell, das heißt, ich versuche den Transport in den Weltraum so zu machen, dass möglichst wenig Bruchstücke anfallen und wir das auf diese Art und Weise minimieren, und dass die Bruchstücke möglichst niedrig anfallen, so dass sie von selbst in der Atmosphäre verglühen.”"

    Derzeit ist niemand verpflichtet, sich im All vorausschauend zu verhalten und Raketenstufen entsprechend zu modernisieren. Es bleibt jedem Land selbst überlassen, im All Müll zu produzieren oder ihn zu vermeiden. Und so müsse dies künftig UN-weit geregelt werden und neben den staatlichen Raumfahrtbehörden auch kommerzielle Unternehmen erfassen, so das Plädoyer von Stephan Hobe, dem Direktor des Instituts für Luft- und Weltraumrecht der Universität zu Köln.

    ""Kommerzielle Aktivitäten privater Nutzer kann man direkt nicht an das Völkerrecht binden. Aber man muss es über den Umweg der Staaten machen. Man muss dafür sorgen, dass Staaten in ihrem nationalen Recht, wann immer sie – und das müssen sie – Private autorisieren, ihnen die Erlaubnis geben, Weltraumobjekte in den Weltraum zu schicken, dass sie dann die Privaten verpflichten, entsprechend für keinen weiteren Müll zu sorgen oder den Müll, den sie machen, wegzuräumen.”"

    In wenigen Jahren wollen die Weltraumjuristen eine Resolution vorlegen, die als UN-Beschluss dann verbindlich für alle Nationen werden soll.