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Wohlfühlpaket für Deutschland

Jede Landesregierung hat ihren Integrationsbeauftragten. Auch im Sport ist dies längst üblich, wie das Beispiel Bayer Leverkusen zeigt. Die Integrationsarbeit am Rhein gilt als vorbildlich - und der Erfolg dürfte Politiker neidisch werden lassen.

Von Manfred Christoph |
    Ein Trainer ist manchmal mehr als nur ein Fußballlehrer. Besonders wenn er wie Bruno Labbadia als Coach bei Bayer Leverkusen jeden Tag mit Spielern aus Deutschland, der Schweiz, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Griechenland, Tunesien, der Elfenbeinküste, Chile und natürlich mit Renato Augusto aus Brasilien auf dem Trainingsplatz steht. Bruno Labbadia:

    "Was die Integration betrifft, bin ich natürlich als Trainer gefordert. Das ist schon ein Spieler, mit dem ich mich sehr, sehr viel befasse, oft noch über einen Dolmetscher, aber es gilt auch, durch Gesten, ihm das ein oder andere Mal einfach ein Stück zu geben, damit er sich hier einfach wohl fühlt. Das ist etwas, wo man da auch mal ein Stück anders umgehen muss als mit deutschen Spielern."

    Für den Wohlfühlfaktor ist bei den Rheinländern Frank Dittgens zuständig. Dittgens ist Diplom-Sportlehrer mit dem Schwerpunkt Sportpädagogik. Dank seines Einfühlungsvermögens in die Mentalität von Spielern aus anderen Kulturkreisen ist der 42-Jährige in Leverkusen so etwas wie der Integrationsbeauftragte. Seine Arbeit beginnt, sobald der Transfer eines Spielers aus dem Ausland feststeht. Frank Dittgens:

    "Es fängt ja schon damit an, dass bevor der Spieler überhaupt hier in Leverkusen auftaucht, wir uns erkundigen, wie er in seinem Heimatland zurecht gekommen ist und dort lebt und unter welchen Umständen, mit welchem sozialen Background et cetera. Und aus diesem Grunde bin ich im Sommer nach Brasilien geflogen und hab dort die Freunde, die Familie, das Management, das Umfeld, den alten Verein von Renato Augusto kennengelernt und hab mir aus diesen Informationen heraus ein Konzept zusammengestrickt, um ihn hier besser aufnehmen zu können, damit er hier besser zurechtkommt und sich hier wohlfühlt."

    Alle 25 Spiele hat Renato Augusto im Mittelfeld von Bayern Leverkusen bestritten. Der 21-Jährige erzielte ein Tor, sechs weitere bereitete er vor. Man ist mehr als zufrieden mit dem Spieler, der im vergangenen Sommer für sechs Millionen Euro von Flamengo Rio de Janeiro an den Rhein kam. Frank Dittgens hat das Konzept gut zusammengestrickt:

    "Wir haben es zumindest ganz gut angepasst, das heißt, wir haben da eine Wohnung gefunden, der kommt direkt aus Rio, aus dem ganz bekannten Stadtteil Barra von Rio de Janeiro, und den kann man jetzt nicht ins Bergische Land schicken und dort wohnen lassen. Das heißt, wir haben da eine Wohnung mitten im Zentrum von Köln gesucht für ihn und da fühlt er sich super wohl - eine ganz moderne schicke Wohnung, zu Fuß alle brasilianischen Restaurants zu erreichen, Einkaufsmöglichkeiten, et cetera - und das hat ihm schon gut gefallen."

    Gut gefallen hat es schon anderen Brasilianern im beschaulichen Leverkusen. Ende der 80er-Jahre fing die Eingliederung der Brasilianer mit einem gewissen Tita an, setzte sich über Jorginho fort und ging weiter mit Lucio und Zé Roberto, die mit nicht unerheblichem Gewinn zum FC Bayern München transferiert wurden. Mit Renato Augustos Landsmann Henrique steht ein weiterer Ballkünstler vom Zuckerhut im Kader. Für Frank Dittgens ist die Betreuung mehr als ein Vollzeitjob.

    "Jeden Tag. Das heißt, wir haben uns immer getroffen, haben den Tag besprochen, haben organisatorische Dinge abgewickelt, natürlich am Anfang sind Dinge zu erledigen wie Visum, wie Anmeldung bei der Stadt Leverkusen, Auto, Versicherungen, et cetera. Und dadurch sah man sich natürlich sowieso jeden Tag. Hinzu kam dann, dass man auch die Freizeit zusammen verbracht hat teilweise - am Anfang, dass man zusammen essen gegangen ist und bis er dann mal alle Restaurants kennengelernt hat und dann selbständig dann losgezogen ist. Und er hat auch dann natürlich viele Freunde immer hier, seine Familie hier, seine Mutter und die haben wir dann mit gleich betreut."

    Die Umsicht zahlt sich aus. Renato Augusto hat seinen Vertrag bereits im Winter vorzeitig um ein weiteres Jahr bis 2014 verlängert. Ein weiterer Ausdruck dafür, dass das Wohlfühlpaket von Dittgens gut geschnürt ist. Renato Augusto:

    "Ich habe vom Verein erstmal jede Hilfe bekommen, die ich gebraucht habe, von der Infrastruktur bis zu anderen Kleinigkeiten. Mich haben alle sehr gut behandelt, von Michael Reschke bis zum Zeugwart haben mir alle sehr geholfen und das hat bei der Eingewöhnung einfach sehr geholfen."