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Wohlstand dank Genmais

Die Position gegenüber gentechnisch veränderten Nahrungspflanzen hängt in erster Linie davon ab, in welchen Teilen der Welt darüber diskutiert wird. In den satten Ländern Westeuropas wollen die meisten Verbraucher keine Lebensmittel essen, die mit Hilfe gentechnischer Manipulation erzeugt worden sind. Wo viele Menschen hungern, also zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent, sieht das ganz anders aus.

Von Cathrin Hennicke |
    Mit schnellen Schritten scheucht Motlatsi Musi drei weiße Gänse beiseite. In der Ferne könnte er die endlosen Häuserzeilen des Millionen-Townships Soweto sehen. Aber Musi hat heute nur Augen für Eines: Sein Maisfeld. Groß und gesund sehen die Kolben aus, die er aus den Blättern pellt. Kein einziger gefräßiger Maisstängelbohrer ist darüber her gefallen.

    Früher hat Musi diesen Schädling gefürchtet. Denn viele Kleinbauern in Südafrika verlieren durch den Maisstängelbohrer bis zu 70 Prozent ihrer Ernte. Aber Motlatsi Musi ist diese Sorgen los. Auf seinem Land, das er von der Regierung bekommen hat, baut er Genmais an. Seit drei Jahren. Seither steigen die Erträge. Er konnte sich sogar neue Felder dazu pachten. Und stellt inzwischen zehn Saisonarbeiter an.

    Von der letzten Ernte konnte er sich eine Wasserpumpe kaufen, eine kleine Mühle und noch eine Erntemaschine. Sein halbes Leben hat der Mittfünfziger für weiße Farmer geschuftet.

    Er war wohl nicht afrikanisch genug, um in diesem Land ein Stück Land zu besitzen, sagt er zynisch. Noch heute erfüllt ihn Bitterkeit, wenn er an die 60er Jahre denkt, als das weiße Regime seiner Familie sogar den kleinen Gemüsegarten in Soweto wegnahm.

    Wenn Motlatsi Musi heute seine eigene Ernte einfährt, dann treibt ihn eine Mission: Er will die Ernährungskrise Afrikas lösen helfen. Musi nennt sich selbst Soldat im Kampf gegen den Hunger. Und Genmais ist seine Waffe.

    "Umweltschützer warnen vor langfristigen Auswirkungen. Aber was bedeutet schon langfristig, wenn jemand jetzt Hunger hat? Genmais ist die Zukunft. "

    Wie Musi denken schon gut 450-tausend Farmer in Südafrika. Nach Angaben der Biotechnologie-Lobbyisten der Organisation Africa-Bio stammen schon fast 60 Prozent der hochwertigen Maisproduktion aus Gensaaten. Allein im letzten Jahr sei die Anbaufläche um 30 Prozent gestiegen. Statistisch gesehen gibt es keinen Südafrikaner mehr, der noch nicht gentechnisch veränderte Lebensmittel verzehrt hat - nur ist das kaum jemandem bewusst.

    Es gibt in Südafrika kein Gesetz, das die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln vorschreibt, ärgert sich David Fick von der Umweltschutzorganisation Biowatch. Wie auch, wo doch die Regierung mit Gentech-Befürwortern und Saatgutindustrie eng zusammenarbeite. Im Eastern Cape etwa, der ärmsten Region Südafrikas, haben die Provinzregierung und der Gensaat-Riese Monsanto Starterpakete mit Gen-Mais und dazugehörigem Dünger unters bitterarme Volk gebracht. Fünf Jahre lang sollte sich jeder Kleinstbauer an das Projekt binden.

    "Im ersten Jahr gab es den Samen wohl umsonst, aber dann stiegen die Preise. Das habe viele, die den Mais nur für den eigenen Verbrauch anbauten, in den Ruin getrieben. "

    Umweltschützer Fick empört nicht nur, dass Kleinbauern über die Gentechnik kaum aufgeklärt werden. Die teuren Patente trieben sie auch in eine neue Spirale aus Verschuldung und noch mehr Hunger. Bauer Musi winkt nur ab bei solchen Bedenken. Richtig in Rage aber bringt ihn die Skepsis Europas gegen Gentechnik. Für scheinheilig hält er sie. - Für eine neue Art der Kolonisierung. Die Herren von einst wollten den Afrikanern doch wieder mal nur ihre Entscheidungsfreiheit absprechen.

    "Mit vollen Mägen könne man leicht Angst vor Gentechnik schüren. Aber wie viele Menschen hungerten in Afrika? "