"Etwa 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten werden bei einer Erwärmung von drei Grad sterben. Wir werden dramatische Wasserknappheit in Regionen erleben, von der Hunderte von Millionen betroffen sein könnten. Und was ganz besonders wichtig ist: Die großen Mündungsgebiete in Asien werden in einer Weise überschwemmt, dass mehrere Hundert Millionen das Land verlassen müssen."
Prophezeit Michael Müller, Staatssekretär im Umweltministerium. Und die Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul pflichtet ihm bei:
"Klimawandel ist heute das Sicherheitsrisiko Nummer eins der Menschheit. Wer heute nicht in den Klimaschutz investiert, wird schon morgen von den globalen Problemen eingeholt, zum Beispiel durch wachsende Immigration und wird auch eingeholt von den Folgen von Wirtschaftskrisen in anderen Teilen der Welt."
Es führt also kein Weg am Klimaschutz vorbei. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat deshalb das Thema während ihrer sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft ganz oben auf die Agenda gesetzt. So erweist sich die deutsche Kanzlerin auf dem Frühjahrsgipfel der Europäischen Union in Brüssel als geschickte Taktikerin. Sie verpflichtet die Regierungschefs der 27 Mitgliedsländer auf ehrgeizige Ziele.
Um mindestens 20 Prozent will die Europäische Union ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 unter das Niveau von 1990 senken. Ziehen die übrigen Industriestaaten mit, wollen die Europäer die Emissionen sogar um 30 Prozent verringern.
"Die CO2-Emissonen um 20 Prozent zu senken, ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Wenn man sieht, dass Europa derzeit noch nicht einmal sehr viel geschafft hat, um überhaupt die ersten Ziele des Kyoto-Protokolls - die minus acht Prozent, die wir uns verpflichtet haben, zu reduzieren bis 2012 - und dass wir das nicht einmal ansatzweise geschafft haben. Wir sind jetzt bei knapp einem Prozent. Also, da ist ein langer Weg zu gehen,"
betont Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Vieles ist noch ungeklärt: etwa, welches Land wie viele CO2-Emissionen konkret einsparen soll. Deutschland werde mehr leisten müssen als zum Beispiel die osteuropäischen Staaten, verlautet bereits aus dem Bundesumweltministerium. Die Details werden aber erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt.
Das gilt auch für die erneuerbaren Energien. Ihr Anteil am Gesamtenergieverbrauch der EU soll bis 2020 auf 20 Prozent aufgestockt werden - auch hier wird erst noch an Konkretem gefeilt. Derzeit liegt der Anteil von Energieträgern wie Sonne, Wind und Wasser an der Stromerzeugung in Deutschland bei knapp zwölf Prozent. Angela Merkel gibt sich dennoch optimistisch. Für sie zählt, dass Europa Vorreiter ist:
"Das ist ein qualitativer Durchbruch. Das wird Innovationsfähigkeit sichern und die EU auch damit in der angestrebten Vorbildrolle, die wir haben wollen, auch in der internationalen Öffentlichkeit, wirklich glaubwürdig machen."
Nun will die Kanzlerin den Schwung nutzen und die Klimawende auch beim G8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm durchsetzen. Europa kann den Klimaschutz verständlicherweise keinesfalls alleine schaffen. Die USA gelten als die größten Treibhaussünder. Sie verweigern nach wie vor eine Begrenzung ihrer Emissionen. Das 1997 verabschiedete Kyoto-Protokoll haben sie nicht ratifiziert. Auch die aufstrebende Weltmacht China ist nicht bereit, internationale Abkommen zu unterzeichnen, um Treibhausgase zu senken.
Fest steht jedoch: Die Einsparungen beim Kohlendioxid-Ausstoß, die sich die europäischen Länder vornehmen, könnten also von den Ländern mit dem höchsten Wirtschaftswachstum wieder zunichte gemacht werden. Das meint auch Carsten Kreklau, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der deutschen Industrie:
"Es wird ein teures Unterfangen. Und wir müssen sehen, was wir unserer Volkswirtschaft, uns Bürgern zumuten können an zusätzlichen Anstrengungen. Vielleicht wäre es viel einfacher, mit anderen Ländern auf dieser Welt zusätzliche Kooperationen abzuschließen und zu sagen: Wir helfen euch mit unserer Technik, um bei euch große CO2-Einsparerfolge zu erzielen. Dies wäre unter Umständen sehr viel wirtschaftlicher, als bei uns mit höchstem Aufwand zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen."
Jeder Schritt in Richtung Klimaschutz ein Balanceakt! Das zeigt sich auch daran, wie schwer sich die Bundesregierung damit tut, wenn es um den konkreten Schutz des Klimas geht - etwa wenn sie sich dagegen wehrt, strenge CO2-Grenzwerte der EU-Kommission für die Automobilindustrie anzuerkennen. Angela Merkel hat sich zunächst quergelegt mit dem Argument, das würde in Deutschland Arbeitsplätze vernichten. Wichtig ist deshalb, nun sichtbare Pflöcke für den Klimaschutz einzuschlagen. Vergangene Woche hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel daher im Auftrag der Regierung die Pläne vorgelegt, wie die deutschen Klimaziele finanziert werden sollen.
"Mit der Klimaschutzstrategie der Bundesregierung verbinden sich für unser Land enorme wirtschaftliche Chancen, die leider viele noch gar nicht wahrnehmen. Wir sollten uns das Ziel setzen, Deutschland zur energieeffizientesten Nation zu machen. Deutschland ist das größte Industrieland in Europa. Im Ausland wird genau verfolgt, inwieweit es uns gelingt, einen ambitionierten Klimaschutz zu verbinden mit wirtschaftlichem Wachstum und wirtschaftlicher Entwicklung. Deshalb sollten wir bei diesem Prozess Schrittmacher sein. "
Geht es nach den Plänen Gabriels, sollen der Stromverbrauch um elf Prozent sinken, die kombinierte Nutzung von Strom und Wärme in Kraftwerken verdoppelt und die regenerativen Energien ausgebaut werden. Auch durch Gebäudesanierung und modernere Heizungen könnte nach den Vorstellungen des Umweltministers der Energieverbrauch stark gedrosselt werden. Schließlich verwenden die deutschen Haushalte mehr als 70 Prozent ihrer Energie zum Heizen. Durch Sanierung, so Verbraucherschützer, ließen sich rund 50, in Einzelfällen bis zu 90 Prozent Energie einsparen.
Die Fördermittel sollen durch Steuermehreinnahmen zusammenkommen - indem Vergünstigungen für Dienstwagen bei Geländefahrzeugen wegfallen. Darüber hinaus hofft Gabriel, Zertifikate im Emissionshandel teilweise zu versteigern. Das könnte dem Bund jährlich rund 500 Millionen Euro einbringen.
Auch wenn viele Fragen bleiben: Bundesumweltminister Gabriel hat sich jede Menge vorgenommen. Sein Programm soll nicht nur für mehr Klimaschutz sorgen, sondern auch dafür, Energie sicherer zu machen. Angesichts des weltweit rasant steigenden Energiebedarfs ist das ein schwieriges Unterfangen: Der Verteilungskampf um das kostbare Gut hat längst begonnen - nur zu gut war das zu spüren, als der russische Präsident Putin unlängst den Gashahn zudrehte und dem Westen damit seine Abhängigkeit vorführte.
"Wir importieren einen Großteil unserer Energie aus dem Ausland. Nahezu unseren gesamten Ölverbrauch, den wir brauchen für Heizöl, für Benzin, beziehen wir aus dem Ausland. Wir beziehen sehr viel Gas. Wir haben nur Kohle im eigenen Land und können die erneuerbaren Energien nutzen - und das sind natürlich zwei wichtige Optionen,"
resümiert Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Jahrzehntelang schien Energie reichlich vorhanden. Kaum einer machte sich Gedanken, woher sie kam. Jetzt ändere sich das ganz schnell, so Claudia Kemfert:
"Wir können zwar mit Energieeffizienz Energiesparmaßnahmen in der Zukunft auch erzielen, dass wir nicht mehr so viel Energie verbrauchen. Dennoch müssen wir uns fragen: Wie setzt sich dann der restliche Teil, der nicht aus den erneuerbaren Energien gewonnen wird, zusammen? Zunächst einmal sehen wir, haben wir Kohlekraftwerke in Deutschland, die derzeit die Hälfte unserer Stromproduktion erzielen, und die wird man nicht so einfach abschalten können. "
Die Versorgung aus Braun- und Steinkohle bleibe auf absehbare Zeit die wichtigste Säule in der Stromerzeugung, heißt es auch in einem Gutachten einer Arbeitsgruppe der Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt. Dennoch: Die hiesige Steinkohle kann nicht kostendeckend gefördert werden. Deutschland muss Steinkohle im Ausland zu günstigen Preisen kaufen - das bedeutet auch hier eine große Abhängigkeit.
Seit Anfang Februar dieses Jahres ist das Ende des deutschen Steinkohlebergbaus besiegelt. Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, ist froh über den Ausstieg:
"Denken Sie nur einmal an die hohen Gelder, die da hineinlaufen, etwa 70.000 Euro pro Arbeitsplatz. Wenn wir diese Gelder investieren würden in erneuerbare Energien, wären wir sehr schnell bei einem Ersatz für Kohle. Sie ist als heimische Energiequelle sowieso nur beschränkt nutzbar. Die Kohle ist die schmutzigste Energieform, die wir haben. Vor allem an CO2-Emissionen, aber auch in vielen anderen Bereichen."
Gaskraftwerke produzieren weitaus weniger Kohlendioxid. Doch Gas ist wegen der starken Nachfrage weltweit ein knappes Gut - und die politischen Verhältnisse in Förderländern wie Russland oder dem Iran gelten nicht eben als stabil. Bleibt die Kohle: Derzeit tüfteln die großen Energieunternehmen an Pilotvorhaben, Kohlekraftwerke umweltverträglicher produzieren zu lassen, also CO2-frei: Das anfallende Kohlendioxid würde abgetrennt und in Salzkavernen oder in ehemaligen Gas-Lagerstätten unterirdisch entsorgt. Die Technologie soll 2020 marktreif sein. Doch zunächst einmal stehen andere Neubauten an, so Carsten Kreklau vom Bundesverband der deutschen Industrie:
"Wir werden in Deutschland einen großen Teil unserer Kraftwerke in den nächsten Jahren sozusagen runderneuern oder ersetzen müssen, und mit jeder Investition ist eine weitere Energie- und CO2-Einsparung verbunden. "
Insgesamt 40 moderne Anlagen sind geplant. Jüngst allerdings hat das Bundeskabinett neue Regeln für den Emissionshandel verabschiedet. Das führt dazu, dass der Neubau von Kohlekraftwerken künftig teurer wird. Investoren bekommen nicht mehr - wie bislang zugesagt 14 Jahre lang Schutz vor den Lasten des Emissionshandels, sondern nur noch bis Ende 2012.
Im Grunde ist der Emissionshandel ein gutes Instrument für den Klimaschutz: Seit 2003 erhält jedes Unternehmen, das am Emissionshandel teilnehmen muss, kostenlose Emissions-Zertifikate. Diese erlauben eine bestimmte Menge an CO2-Ausstoß. Bläst das Unternehmen weniger Emissionen in die Luft, kann es die nicht benötigten Zertifikate an der Börse weiterverkaufen. Das führe zu Mitnahmegewinnen, kritisieren Umweltschützer, die sich beschweren, alles laufe dem eigentlichen Ziel des Emissionshandels zuwider. Auch der Bundesumweltminister vertritt diese Meinung.
"Deutschland hat im Rahmen der europäischen Lastenverteilung, weil es natürlich Staaten gibt, die in den kommenden Jahren aufgrund ihres wirtschaftlichen Nachholbedarfs sogar mehr CO2 emittieren dürfen, eine Senkung bis 2012 in Höhe von 21 Prozent übernommen. Wir haben in Deutschland in den Jahren bis 2006 von diesen 21 Prozent in der Größenordnung von 18 Prozent erreicht. Wir haben allerdings auch feststellen müssen, dass in den Jahren 2004, 2005 und 2006 insbesondere durch die Elektrizitätswirtschaft nicht etwa weniger CO2 emittiert wurde, sondern mehr."
Auch wenn neue Kraftwerke die älteren, schmutzigen ersetzen, dürfe man eines nicht vergessen, warnen Experten: Auch die Neubauten schleudern CO2 in Hülle und Fülle in die Atmosphäre. Besonders klimaschädlich ist die Braunkohle, die traditionell in den neuen Bundesländern abgebaut wird. Darf sie noch in der zukünftigen Energieversorgung in Deutschland eine Rolle spielen? Wirtschaftsminister Glos fordert einen Sonderstatus und verweist auf die hiesigen Arbeitsplätze. Gabriel hingegen fürchtet um seinen Klimaschutz. Am Ende steht der Kompromiss: Wenn die Emissionsrechte zugeteilt werden, wird es keine Bevorzugung geben. Aber: besonders moderne Braunkohle-Anlagen sollen großzügiger wegkommen als vergleichbare Steinkohle- oder Erdgaskraftwerke.
Dreckschleudern hin oder her - die Politik verweist darauf, dass die Kraftwerksneubauten dafür sorgen sollen, die Stromlücke zu überbrücken, wenn die Atommeiler vom Netz gehen. Ausgerechnet die aktuelle Diskussion um den Klimaschutz beschert dem ewigen Streitthema Atomenergie eine Renaissance. Ein Viertel der Stromerzeugung entfällt derzeit auf die Kernenergie. Der Ausstieg steht fest: 2001 hatten sich die rot-grüne Regierung und die deutsche Energiewirtschaft darauf geeinigt, die Atommeiler nach und nach abzuschalten. Die Laufzeit aller bestehenden Atomanlagen ist durch diesen Beschluss auf 32 Jahre beschränkt. Das heißt: Bis 2021 werden nach Stand der Dinge alle 17 noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke vom Netz gehen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Jochen Fell fürchtet, dass der Streit darüber erneut entflammen könnte:
"Die alten Lobbyisten für die Atomenergie bekommen teils wieder Oberwasser. Viele in den Regierungen machten sich völlig unrealistische Hoffnungen, was Atomenergie liefern könnte. Sie werden nicht erfüllbar sein. Vor allem auch deswegen, weil das Uran viel zu knapp ist auf der Erde, um all diese Wünsche erfüllen zu können."
Die Befürworter der Atomenergie betonen, dass die Emissionen bei der Atomkraft praktisch bei null liegen.
Im März hat das Energieunternehmen Vattenfall Europe einen Antrag auf längere Laufzeiten für den schleswig-holsteinischen Reaktor Brunsbüttel gestellt. Der Meiler soll länger Strom erzeugen als bislang erlaubt. Zuvor haben einen solchen Antrag bereits Energie Baden-Württemberg für Neckarwestheim 1 und RWE für das Kernkraftwerk Biblis A überreicht. Umweltminister Gabriel lehnt es ab, Laufzeiten anderer Kraftwerke auf das älteste deutsche Atomkraftwerk Biblis A übertragen zu können. Bundeskanzlerin Merkel akzeptiert diese Absicht:
"Wir sind der Meinung, die Kernkraftwerke könnten so lange laufen, wie sie auch den Sicherheitsstandards entsprechen. Die SPD hat hier eine andere Meinung. Der Koalitionsvertrag gilt: Ich bin vertragstreu und entsprechend des Koalitionsvertrags hat der Umweltminister die Möglichkeit, seine Entscheidung zu treffen - das hat er getan."
Während die Diskussion über die Atomenergie neu entflammt ist, schwelt ein alter Streit: Die Frage, wohin mit dem hochradioaktiven Atommüll, ist nach wie vor nicht beantwortet. Zehn Castor-Transporte sind bislang in das Zwischenlager ins niedersächsische Gorleben gerollt. Erbittert haben die Atomgegner dagegen protestiert, weil sie fürchten, dass dadurch gleichzeitig ein Endlagerstandort festgelegt werden könnte. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung:
"Also für die nächsten 50 bis 60 Jahre denke ich, wird die Atomenergie noch durchaus eine Rolle spielen. Danach wird man allerdings vollständig auf erneuerbare Energien umsatteln müssen."
Dass hier die Energieerzeugung der Zukunft liegt, darin sind sich die meisten Fachleute einig. Zum einen sind die Ressourcen in unbegrenzten Mengen verfügbar, zudem schonen sie das Klima. Doch wie schnell der Umstieg gelingen kann, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Aus der einst bespöttelten, mit Milliarden an Steuergeldern subventionierten Branche, ist längst ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor geworden. Inzwischen liegt der Anteil der sauberen Stromerzeugung bei 15 Prozent und damit deutlich über den Erwartungen. Der Verbraucher wendet dafür pro Kilowattstunde rund 0,5 Cent auf, der Haushaltsstrom koste etwa 20 Cent, erklärt Björn Klusmann vom Bundesverband für Erneuerbare Energie. Doch die Rechnung sei unvollständig:
"Im Moment ist es so, dass erneuerbare Energien noch etwas teurer sind als konventionelle Energien. Das liegt auch daran, dass die Energiepreise nicht die Wirklichkeit widerspiegeln. Denn sie sagen nichts über die externen Kosten, aus, beispielsweise Kosten, die durch Umweltschäden entstehen, beispielsweise durch die konventionelle Energie- oder Stromproduktion."
Die grüne Branche auf der Überholspur: Schon in 15 Jahren, so das Ergebnis einer Studie des DIW, dürfte die Umweltindustrie die Automobilbranche als deutsche Leitindustrie abgelöst haben. Schon jetzt arbeiten rund 1,5 Millionen Deutsche im Umweltschutz. Und die Nachfrage wächst, nicht zuletzt aus Asien: Jede dritte Solarzelle weltweit wird inzwischen in Deutschland produziert sowie fast jedes zweite Windrad. So bedrohlich die Berichte über den Klimawandel auch klingen, für Deutschland sind sie eine ökonomische Chance. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hält die hohen Erwartungen allerdings für überzogen:
"Was unwirklich erscheint, ist, große Teile, zum Beispiel unserer Grundlast in der Industrie durch die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien zu ersetzen. Das wird nicht möglich sein. Zumindest nicht zu den Kosten, die dann den Industriestandort Deutschland auch künftig attraktiv bleiben lassen. Insofern findet hier sicherlich eine Überschätzung statt. "
Die Verfechter einer Erneuerbaren Energien-Wende weisen dies zurück. Björn Klusmann vom Bundesverband Erneuerbare Energie:
"Die fossilen Ressourcen sind endlich. Das heißt, je mehr wir uns dem Punkt nähern, zu dem es dann kein Öl und Gas mehr geben wird, umso teurer werden diese Ressourcen. Der Preisvorteil wird dann ganz klar auf Seiten der erneuerbaren Energien sein."
Am Ende, soviel zeichnet sich ab, wird sich Deutschland aus einem ganzen Mix von Maßnahmen bedienen müssen, um den Klimaschutz voranzubringen und gleichzeitig die Energieversorgung für ein hoch entwickeltes Industrieland sicherzustellen. Ein Königsweg ist nicht in Sicht.
Prophezeit Michael Müller, Staatssekretär im Umweltministerium. Und die Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul pflichtet ihm bei:
"Klimawandel ist heute das Sicherheitsrisiko Nummer eins der Menschheit. Wer heute nicht in den Klimaschutz investiert, wird schon morgen von den globalen Problemen eingeholt, zum Beispiel durch wachsende Immigration und wird auch eingeholt von den Folgen von Wirtschaftskrisen in anderen Teilen der Welt."
Es führt also kein Weg am Klimaschutz vorbei. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat deshalb das Thema während ihrer sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft ganz oben auf die Agenda gesetzt. So erweist sich die deutsche Kanzlerin auf dem Frühjahrsgipfel der Europäischen Union in Brüssel als geschickte Taktikerin. Sie verpflichtet die Regierungschefs der 27 Mitgliedsländer auf ehrgeizige Ziele.
Um mindestens 20 Prozent will die Europäische Union ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 unter das Niveau von 1990 senken. Ziehen die übrigen Industriestaaten mit, wollen die Europäer die Emissionen sogar um 30 Prozent verringern.
"Die CO2-Emissonen um 20 Prozent zu senken, ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Wenn man sieht, dass Europa derzeit noch nicht einmal sehr viel geschafft hat, um überhaupt die ersten Ziele des Kyoto-Protokolls - die minus acht Prozent, die wir uns verpflichtet haben, zu reduzieren bis 2012 - und dass wir das nicht einmal ansatzweise geschafft haben. Wir sind jetzt bei knapp einem Prozent. Also, da ist ein langer Weg zu gehen,"
betont Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Vieles ist noch ungeklärt: etwa, welches Land wie viele CO2-Emissionen konkret einsparen soll. Deutschland werde mehr leisten müssen als zum Beispiel die osteuropäischen Staaten, verlautet bereits aus dem Bundesumweltministerium. Die Details werden aber erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt.
Das gilt auch für die erneuerbaren Energien. Ihr Anteil am Gesamtenergieverbrauch der EU soll bis 2020 auf 20 Prozent aufgestockt werden - auch hier wird erst noch an Konkretem gefeilt. Derzeit liegt der Anteil von Energieträgern wie Sonne, Wind und Wasser an der Stromerzeugung in Deutschland bei knapp zwölf Prozent. Angela Merkel gibt sich dennoch optimistisch. Für sie zählt, dass Europa Vorreiter ist:
"Das ist ein qualitativer Durchbruch. Das wird Innovationsfähigkeit sichern und die EU auch damit in der angestrebten Vorbildrolle, die wir haben wollen, auch in der internationalen Öffentlichkeit, wirklich glaubwürdig machen."
Nun will die Kanzlerin den Schwung nutzen und die Klimawende auch beim G8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm durchsetzen. Europa kann den Klimaschutz verständlicherweise keinesfalls alleine schaffen. Die USA gelten als die größten Treibhaussünder. Sie verweigern nach wie vor eine Begrenzung ihrer Emissionen. Das 1997 verabschiedete Kyoto-Protokoll haben sie nicht ratifiziert. Auch die aufstrebende Weltmacht China ist nicht bereit, internationale Abkommen zu unterzeichnen, um Treibhausgase zu senken.
Fest steht jedoch: Die Einsparungen beim Kohlendioxid-Ausstoß, die sich die europäischen Länder vornehmen, könnten also von den Ländern mit dem höchsten Wirtschaftswachstum wieder zunichte gemacht werden. Das meint auch Carsten Kreklau, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der deutschen Industrie:
"Es wird ein teures Unterfangen. Und wir müssen sehen, was wir unserer Volkswirtschaft, uns Bürgern zumuten können an zusätzlichen Anstrengungen. Vielleicht wäre es viel einfacher, mit anderen Ländern auf dieser Welt zusätzliche Kooperationen abzuschließen und zu sagen: Wir helfen euch mit unserer Technik, um bei euch große CO2-Einsparerfolge zu erzielen. Dies wäre unter Umständen sehr viel wirtschaftlicher, als bei uns mit höchstem Aufwand zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen."
Jeder Schritt in Richtung Klimaschutz ein Balanceakt! Das zeigt sich auch daran, wie schwer sich die Bundesregierung damit tut, wenn es um den konkreten Schutz des Klimas geht - etwa wenn sie sich dagegen wehrt, strenge CO2-Grenzwerte der EU-Kommission für die Automobilindustrie anzuerkennen. Angela Merkel hat sich zunächst quergelegt mit dem Argument, das würde in Deutschland Arbeitsplätze vernichten. Wichtig ist deshalb, nun sichtbare Pflöcke für den Klimaschutz einzuschlagen. Vergangene Woche hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel daher im Auftrag der Regierung die Pläne vorgelegt, wie die deutschen Klimaziele finanziert werden sollen.
"Mit der Klimaschutzstrategie der Bundesregierung verbinden sich für unser Land enorme wirtschaftliche Chancen, die leider viele noch gar nicht wahrnehmen. Wir sollten uns das Ziel setzen, Deutschland zur energieeffizientesten Nation zu machen. Deutschland ist das größte Industrieland in Europa. Im Ausland wird genau verfolgt, inwieweit es uns gelingt, einen ambitionierten Klimaschutz zu verbinden mit wirtschaftlichem Wachstum und wirtschaftlicher Entwicklung. Deshalb sollten wir bei diesem Prozess Schrittmacher sein. "
Geht es nach den Plänen Gabriels, sollen der Stromverbrauch um elf Prozent sinken, die kombinierte Nutzung von Strom und Wärme in Kraftwerken verdoppelt und die regenerativen Energien ausgebaut werden. Auch durch Gebäudesanierung und modernere Heizungen könnte nach den Vorstellungen des Umweltministers der Energieverbrauch stark gedrosselt werden. Schließlich verwenden die deutschen Haushalte mehr als 70 Prozent ihrer Energie zum Heizen. Durch Sanierung, so Verbraucherschützer, ließen sich rund 50, in Einzelfällen bis zu 90 Prozent Energie einsparen.
Die Fördermittel sollen durch Steuermehreinnahmen zusammenkommen - indem Vergünstigungen für Dienstwagen bei Geländefahrzeugen wegfallen. Darüber hinaus hofft Gabriel, Zertifikate im Emissionshandel teilweise zu versteigern. Das könnte dem Bund jährlich rund 500 Millionen Euro einbringen.
Auch wenn viele Fragen bleiben: Bundesumweltminister Gabriel hat sich jede Menge vorgenommen. Sein Programm soll nicht nur für mehr Klimaschutz sorgen, sondern auch dafür, Energie sicherer zu machen. Angesichts des weltweit rasant steigenden Energiebedarfs ist das ein schwieriges Unterfangen: Der Verteilungskampf um das kostbare Gut hat längst begonnen - nur zu gut war das zu spüren, als der russische Präsident Putin unlängst den Gashahn zudrehte und dem Westen damit seine Abhängigkeit vorführte.
"Wir importieren einen Großteil unserer Energie aus dem Ausland. Nahezu unseren gesamten Ölverbrauch, den wir brauchen für Heizöl, für Benzin, beziehen wir aus dem Ausland. Wir beziehen sehr viel Gas. Wir haben nur Kohle im eigenen Land und können die erneuerbaren Energien nutzen - und das sind natürlich zwei wichtige Optionen,"
resümiert Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Jahrzehntelang schien Energie reichlich vorhanden. Kaum einer machte sich Gedanken, woher sie kam. Jetzt ändere sich das ganz schnell, so Claudia Kemfert:
"Wir können zwar mit Energieeffizienz Energiesparmaßnahmen in der Zukunft auch erzielen, dass wir nicht mehr so viel Energie verbrauchen. Dennoch müssen wir uns fragen: Wie setzt sich dann der restliche Teil, der nicht aus den erneuerbaren Energien gewonnen wird, zusammen? Zunächst einmal sehen wir, haben wir Kohlekraftwerke in Deutschland, die derzeit die Hälfte unserer Stromproduktion erzielen, und die wird man nicht so einfach abschalten können. "
Die Versorgung aus Braun- und Steinkohle bleibe auf absehbare Zeit die wichtigste Säule in der Stromerzeugung, heißt es auch in einem Gutachten einer Arbeitsgruppe der Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt. Dennoch: Die hiesige Steinkohle kann nicht kostendeckend gefördert werden. Deutschland muss Steinkohle im Ausland zu günstigen Preisen kaufen - das bedeutet auch hier eine große Abhängigkeit.
Seit Anfang Februar dieses Jahres ist das Ende des deutschen Steinkohlebergbaus besiegelt. Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, ist froh über den Ausstieg:
"Denken Sie nur einmal an die hohen Gelder, die da hineinlaufen, etwa 70.000 Euro pro Arbeitsplatz. Wenn wir diese Gelder investieren würden in erneuerbare Energien, wären wir sehr schnell bei einem Ersatz für Kohle. Sie ist als heimische Energiequelle sowieso nur beschränkt nutzbar. Die Kohle ist die schmutzigste Energieform, die wir haben. Vor allem an CO2-Emissionen, aber auch in vielen anderen Bereichen."
Gaskraftwerke produzieren weitaus weniger Kohlendioxid. Doch Gas ist wegen der starken Nachfrage weltweit ein knappes Gut - und die politischen Verhältnisse in Förderländern wie Russland oder dem Iran gelten nicht eben als stabil. Bleibt die Kohle: Derzeit tüfteln die großen Energieunternehmen an Pilotvorhaben, Kohlekraftwerke umweltverträglicher produzieren zu lassen, also CO2-frei: Das anfallende Kohlendioxid würde abgetrennt und in Salzkavernen oder in ehemaligen Gas-Lagerstätten unterirdisch entsorgt. Die Technologie soll 2020 marktreif sein. Doch zunächst einmal stehen andere Neubauten an, so Carsten Kreklau vom Bundesverband der deutschen Industrie:
"Wir werden in Deutschland einen großen Teil unserer Kraftwerke in den nächsten Jahren sozusagen runderneuern oder ersetzen müssen, und mit jeder Investition ist eine weitere Energie- und CO2-Einsparung verbunden. "
Insgesamt 40 moderne Anlagen sind geplant. Jüngst allerdings hat das Bundeskabinett neue Regeln für den Emissionshandel verabschiedet. Das führt dazu, dass der Neubau von Kohlekraftwerken künftig teurer wird. Investoren bekommen nicht mehr - wie bislang zugesagt 14 Jahre lang Schutz vor den Lasten des Emissionshandels, sondern nur noch bis Ende 2012.
Im Grunde ist der Emissionshandel ein gutes Instrument für den Klimaschutz: Seit 2003 erhält jedes Unternehmen, das am Emissionshandel teilnehmen muss, kostenlose Emissions-Zertifikate. Diese erlauben eine bestimmte Menge an CO2-Ausstoß. Bläst das Unternehmen weniger Emissionen in die Luft, kann es die nicht benötigten Zertifikate an der Börse weiterverkaufen. Das führe zu Mitnahmegewinnen, kritisieren Umweltschützer, die sich beschweren, alles laufe dem eigentlichen Ziel des Emissionshandels zuwider. Auch der Bundesumweltminister vertritt diese Meinung.
"Deutschland hat im Rahmen der europäischen Lastenverteilung, weil es natürlich Staaten gibt, die in den kommenden Jahren aufgrund ihres wirtschaftlichen Nachholbedarfs sogar mehr CO2 emittieren dürfen, eine Senkung bis 2012 in Höhe von 21 Prozent übernommen. Wir haben in Deutschland in den Jahren bis 2006 von diesen 21 Prozent in der Größenordnung von 18 Prozent erreicht. Wir haben allerdings auch feststellen müssen, dass in den Jahren 2004, 2005 und 2006 insbesondere durch die Elektrizitätswirtschaft nicht etwa weniger CO2 emittiert wurde, sondern mehr."
Auch wenn neue Kraftwerke die älteren, schmutzigen ersetzen, dürfe man eines nicht vergessen, warnen Experten: Auch die Neubauten schleudern CO2 in Hülle und Fülle in die Atmosphäre. Besonders klimaschädlich ist die Braunkohle, die traditionell in den neuen Bundesländern abgebaut wird. Darf sie noch in der zukünftigen Energieversorgung in Deutschland eine Rolle spielen? Wirtschaftsminister Glos fordert einen Sonderstatus und verweist auf die hiesigen Arbeitsplätze. Gabriel hingegen fürchtet um seinen Klimaschutz. Am Ende steht der Kompromiss: Wenn die Emissionsrechte zugeteilt werden, wird es keine Bevorzugung geben. Aber: besonders moderne Braunkohle-Anlagen sollen großzügiger wegkommen als vergleichbare Steinkohle- oder Erdgaskraftwerke.
Dreckschleudern hin oder her - die Politik verweist darauf, dass die Kraftwerksneubauten dafür sorgen sollen, die Stromlücke zu überbrücken, wenn die Atommeiler vom Netz gehen. Ausgerechnet die aktuelle Diskussion um den Klimaschutz beschert dem ewigen Streitthema Atomenergie eine Renaissance. Ein Viertel der Stromerzeugung entfällt derzeit auf die Kernenergie. Der Ausstieg steht fest: 2001 hatten sich die rot-grüne Regierung und die deutsche Energiewirtschaft darauf geeinigt, die Atommeiler nach und nach abzuschalten. Die Laufzeit aller bestehenden Atomanlagen ist durch diesen Beschluss auf 32 Jahre beschränkt. Das heißt: Bis 2021 werden nach Stand der Dinge alle 17 noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke vom Netz gehen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Jochen Fell fürchtet, dass der Streit darüber erneut entflammen könnte:
"Die alten Lobbyisten für die Atomenergie bekommen teils wieder Oberwasser. Viele in den Regierungen machten sich völlig unrealistische Hoffnungen, was Atomenergie liefern könnte. Sie werden nicht erfüllbar sein. Vor allem auch deswegen, weil das Uran viel zu knapp ist auf der Erde, um all diese Wünsche erfüllen zu können."
Die Befürworter der Atomenergie betonen, dass die Emissionen bei der Atomkraft praktisch bei null liegen.
Im März hat das Energieunternehmen Vattenfall Europe einen Antrag auf längere Laufzeiten für den schleswig-holsteinischen Reaktor Brunsbüttel gestellt. Der Meiler soll länger Strom erzeugen als bislang erlaubt. Zuvor haben einen solchen Antrag bereits Energie Baden-Württemberg für Neckarwestheim 1 und RWE für das Kernkraftwerk Biblis A überreicht. Umweltminister Gabriel lehnt es ab, Laufzeiten anderer Kraftwerke auf das älteste deutsche Atomkraftwerk Biblis A übertragen zu können. Bundeskanzlerin Merkel akzeptiert diese Absicht:
"Wir sind der Meinung, die Kernkraftwerke könnten so lange laufen, wie sie auch den Sicherheitsstandards entsprechen. Die SPD hat hier eine andere Meinung. Der Koalitionsvertrag gilt: Ich bin vertragstreu und entsprechend des Koalitionsvertrags hat der Umweltminister die Möglichkeit, seine Entscheidung zu treffen - das hat er getan."
Während die Diskussion über die Atomenergie neu entflammt ist, schwelt ein alter Streit: Die Frage, wohin mit dem hochradioaktiven Atommüll, ist nach wie vor nicht beantwortet. Zehn Castor-Transporte sind bislang in das Zwischenlager ins niedersächsische Gorleben gerollt. Erbittert haben die Atomgegner dagegen protestiert, weil sie fürchten, dass dadurch gleichzeitig ein Endlagerstandort festgelegt werden könnte. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung:
"Also für die nächsten 50 bis 60 Jahre denke ich, wird die Atomenergie noch durchaus eine Rolle spielen. Danach wird man allerdings vollständig auf erneuerbare Energien umsatteln müssen."
Dass hier die Energieerzeugung der Zukunft liegt, darin sind sich die meisten Fachleute einig. Zum einen sind die Ressourcen in unbegrenzten Mengen verfügbar, zudem schonen sie das Klima. Doch wie schnell der Umstieg gelingen kann, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Aus der einst bespöttelten, mit Milliarden an Steuergeldern subventionierten Branche, ist längst ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor geworden. Inzwischen liegt der Anteil der sauberen Stromerzeugung bei 15 Prozent und damit deutlich über den Erwartungen. Der Verbraucher wendet dafür pro Kilowattstunde rund 0,5 Cent auf, der Haushaltsstrom koste etwa 20 Cent, erklärt Björn Klusmann vom Bundesverband für Erneuerbare Energie. Doch die Rechnung sei unvollständig:
"Im Moment ist es so, dass erneuerbare Energien noch etwas teurer sind als konventionelle Energien. Das liegt auch daran, dass die Energiepreise nicht die Wirklichkeit widerspiegeln. Denn sie sagen nichts über die externen Kosten, aus, beispielsweise Kosten, die durch Umweltschäden entstehen, beispielsweise durch die konventionelle Energie- oder Stromproduktion."
Die grüne Branche auf der Überholspur: Schon in 15 Jahren, so das Ergebnis einer Studie des DIW, dürfte die Umweltindustrie die Automobilbranche als deutsche Leitindustrie abgelöst haben. Schon jetzt arbeiten rund 1,5 Millionen Deutsche im Umweltschutz. Und die Nachfrage wächst, nicht zuletzt aus Asien: Jede dritte Solarzelle weltweit wird inzwischen in Deutschland produziert sowie fast jedes zweite Windrad. So bedrohlich die Berichte über den Klimawandel auch klingen, für Deutschland sind sie eine ökonomische Chance. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hält die hohen Erwartungen allerdings für überzogen:
"Was unwirklich erscheint, ist, große Teile, zum Beispiel unserer Grundlast in der Industrie durch die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien zu ersetzen. Das wird nicht möglich sein. Zumindest nicht zu den Kosten, die dann den Industriestandort Deutschland auch künftig attraktiv bleiben lassen. Insofern findet hier sicherlich eine Überschätzung statt. "
Die Verfechter einer Erneuerbaren Energien-Wende weisen dies zurück. Björn Klusmann vom Bundesverband Erneuerbare Energie:
"Die fossilen Ressourcen sind endlich. Das heißt, je mehr wir uns dem Punkt nähern, zu dem es dann kein Öl und Gas mehr geben wird, umso teurer werden diese Ressourcen. Der Preisvorteil wird dann ganz klar auf Seiten der erneuerbaren Energien sein."
Am Ende, soviel zeichnet sich ab, wird sich Deutschland aus einem ganzen Mix von Maßnahmen bedienen müssen, um den Klimaschutz voranzubringen und gleichzeitig die Energieversorgung für ein hoch entwickeltes Industrieland sicherzustellen. Ein Königsweg ist nicht in Sicht.