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Wohnen für Hilfe

Die Initiative "Wohnen für Hilfe" des Aachener Studentenwerks bringt Jung und Alt unter einem Dach zusammen. Für ein Zimmer im Haus eines älteren Menschen muss der Studierende keine Miete hinlegen. Das Zahlungsmittel: Mithilfe im Haushalt.

Von Peter Kolakowski | 14.10.2010
    "So, dann zeig ich Ihnen jetzt einmal Ihr Zimmer. Kommen Sie herein, schauen Sie sich um. Das sieht sehr schön aus, also muss ich schon sagen. Sind noch einige Möbel, Schrank, Bett, Schrank und Schreibtisch und eine kleine Couch. Ich denke mal, es wird schon ganz gemütlich werden für Sie. Ja was mir sehr gefällt ist auch der kleine Balkon, passt gut. Schön im Sommer mal ein bisschen draußen zu sitzen."
    Gertrude Barth hat Besuch von der 19-jährigen Studentin Sarah Finke. Frau Barth, gerade 63 geworden, hat in ihrer großen Wohnung seit längerem ein hübsches Zimmer leer stehen. Und die Sozialpädagogik-Studentin ist dringend auf der Suche nach einer gemütlichen Studentenbude. Zusammengebracht hat sie "Wohnen für Hilfe". Eine Servicestelle, die es mittlerweile in vielen großen Städten gibt, darunter auch in Aachen. Walter Meurer vom Aachener Studentenwerk:

    "Man muss einfach versuchen, Interessenten gegenseitig auszugleichen. Und da muss man viel Fingerspitzengefühl beweisen. Nicht alles, was passend scheint, passt auch wirklich zusammen."

    Gemeinsam wohnen und den Alltag erleichtern ist das Motto, unter dem das Aachener Studentenwerk jung und alt zusammenbringt. Zahlen muss Sarah Finke nur Strom und Wasserkosten, das Zimmer selbst kostet sie keinen Cent. Dafür hilft sie im Haushalt mit. Als Faustregel gilt: Pro Quadratmeter eine Stunde Mitarbeit im Monat. Erklärt Walter Meurer vom Aachener Studentenwerk das Konzept.

    "Den Senioren bieten wir an Hilfe in alltäglichen Lebenslagen, ausgeschlossen sind pflegerische Tätigkeiten. Um vielleicht ein paar Beispiele zu bringen: Hilfe im Haushalt oder bei der Gartenarbeit , Haustiere versorgen, kleinere Reparaturen oder Renovierungsarbeiten, Probleme rund um den PC, was bei älteren Leuten ja gerne vorkommt, Besorgungen erledigen, Behördengänge, Fremdsprachen lernen oder vermitteln im Haushalt präsent sein, zu Veranstaltungen begleiten. Das ist so ein Spektrum, was wir den älteren Leuten anbieten, wo wir also Studenten hinvermitteln, die diese Sache gerne machen können."

    Frau Barth und Frau Finke sind sich schnell einig geworden, wer was machen soll. Die flinke Sarah Finke soll vor allem da helfen, wo Frau Barth nicht mehr so richtig kann oder will.

    "Ich hab Ihnen hier mal den Einkaufszettel vorbereitet. Was soll ich noch mitbringen außer Brokkoli, Blumenkohl, Putzzeug, Zewa?"

    "Eventuell. ein paar Kekse und aus der Apotheke können Sie mir ein paar Kopfschmerztabletten mitbringen. Ich wollte sowieso bei der Apotheke vorbeischauen und heiße Zitrone holen."

    Die Vermittlung zwischen Wohnraumanbieter und Student ist kostenlos. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, dass die Mini-WG zwischen alt und jung auch zusammenpasst. Alles wird dann vertraglich vereinbart. Walter Meurer:

    "Wir sind natürlich als Vermittler tätig, das heißt, wir werden auch ein Auge auf die Leute haben, die wir vermitteln. Man kann den Leuten zwar immer nur vor den Kopf aber nicht in den Kopf gucken, aber man kann einen Eindruck von den Menschen gewinnen, man kann den Leumund feststellen, man kann schauen, wie die Leute bisher gelebt haben, wobei eines ganz klar freigestellt ist: Beide Wohnpartner legen gemeinsam die Regeln des Zusammenlebens fest. Es wird also niemand in eine Lage hineinmanövriert, die er nicht überschauen kann."

    Die Einkäufe für Frau Barth hat Sarah Finke fix erledigt. Nun steht noch Hausputz an, vorher wird abgesprochen, wann welche Hausarbeiten erledigt werden sollen.

    "Frau Finke, könnten Sie mir mal heute beim Bodenwischen helfen? Ich habe ein bisschen Probleme, kann mich nicht so bücken, da wär das schon ganz angenehm, wenn Sie die Aufgabe übernehmen könnten."

    "Heute wird vielleicht ein bisschen schwer, weil ich erst spät von der Uni komme, aber morgen kann ich das auf jeden Fall machen. Ja und dann wären auch noch die Gardinen zu waschen, beim Auf- und Abhängen hab ich Probleme, vielleicht könnten Sie das heute noch schaffen. Ansonsten wäre das auch noch morgen in Ordnung."

    Ist das nicht ein bisschen viel Arbeit dafür, dass Sie das Zimmer umsonst kriegen?

    "Nein, ich find das ist ok, ist gerecht."

    Grundsätzlich kann sich jeder, der über freien Wohnraum verfügt, bei Wohnen für Hilfe melden, also auch alleinerziehende junge Mütter und Väter, Familien oder auch Menschen mit Behinderung. Gerade für alleinleibende ältere Menschen bietet Wohnen für Hilfe aber eine gute Gelegenheit, soziale Kontakte zu knüpfen und gleichzeitig in Alltagsdingen entlastet zu werden.