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Wohnen im Smart Home

Energie.- Wenn in Zukunft mehr Strom aus Sonne und Wind entsteht, könnte der Strompreis ständig schwanken – weil der Wind nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint, wenn gerade viel Strom gebraucht wird. Deshalb sind auch in Wohnhäusern intelligente Stromnetze und neue Speichermöglichkeiten gefragt. Eine wichtige Rolle sollen dabei Elektroautos spielen.

Von Hendrik Kirchhof |
    Das Smart Home auf dem Campus des Karlsruher Instituts für Technologie ähnelt äußerlich einer Garage. Es fiele kaum auf – wäre da nicht die riesige Photovoltaikanlage auf dem Flachdach. Im eingeschossigen Wellblech-Wohncontainer ist Platz für ein großes Wohnzimmer mit Küchenzeile. Dahinter liegen eine Dusche und die Zimmer für zwei Bewohner. Die nagelneue, spärliche Einrichtung versprüht den Charme eines Möbelhauses und ist nicht besonders wohnlich, aber dafür steckt der Container voller modernster Technik.

    Im Maschinenraum erzeugt ein Blockheizkraftwerk Wärme und Strom, daneben stehen mehrere große Rechnerschränke, dazwischen liegen überall Kabel. In jedem Zimmer hängt ein Touchscreen in Laptopgröße an der Wand. Damit lässt sich sämtliche Elektronik im Haus kontrollieren, erklärt Projektleiter Daniel Pathmaperuma:

    "Zum einen kann ich halt auf dieser ersten Seite die Energiedaten sehen. Dann habe ich hier meinen Strommix. Und ich sehe meinen aktuellen Verbrauch. Dann habe ich hier die Daten über meine Wohnung, wo ich jetzt mal zum Beispiel auf die Küche gehen kann, dann habe ich alle Geräte der Küche hier, kann sehen, wie viel gerade welches Gerät verbraucht. Oder ich kann jetzt sehen, wie viel Strom hat mein Kühlschrank in den letzten 24 Stunden verbraucht und wann verbraucht er den."

    Die Steuerbox, der zentrale Rechner im Haus, überwacht also den Verbrauch jeder einzelnen Steckdose. Außerdem lassen sich über die Touchscreens alle Geräte ein- und ausschalten. Was zunächst aussieht wie eine nette Spielerei, hat eigentlich einen anderen Zweck, meint Daniel Pathmaperuma:

    "Uns kam es darauf an, dass sie automatisch steuerbar ist. Also dass eben genau unsere Steuerbox entscheiden kann, jetzt ist der Strom günstig, ich schalte den Spüler an, oder: Jetzt ist er unerwartet hoch, ich unterbreche mal den Waschgang und mache in einer Stunde weiter."

    In Zukunft könnte der Strompreis im 15-Minuten-Takt schwanken, je nach Angebot und Nachfrage. Damit zu Hause bei teurem Strom nicht alles stehen und liegen bleibt, lassen sich zusätzliche Bedingungen einstellen: Etwa, dass das Geschirr spätestens um 19 Uhr fertig sein muss, weil dann Besuch kommt. Die Forscher wollen herausfinden, ob die Technik den Alltag wirklich erleichtert oder am Ende nur neue Probleme bereitet. Die wichtigste Neuheit des Projektes ist ein Elektroauto-Prototyp. An der speziellen Ladestation wird noch gebastelt, denn der Wagen soll fester Bestandteil des heimischen Stromnetzes werden:

    "Während das Auto jetzt an diesem Labor dranhängt, das ist die Besonderheit bei unserem Versuch, können wir auch Energie aus dem Auto beziehen. Also wenn wir jetzt zum Beispiel das Auto mittags da haben und feststellen, ich will jetzt zwar kochen, aber der Strom ist jetzt gerade sehr teuer. Das heißt, ich will ihn eigentlich nicht kaufen. Dann kann ich mit Strom aus meiner Autobatterie kochen und das Auto dann nachmittags, wenn der Strom wieder günstiger wird, wieder aufladen."

    Der Akku des Elektroautos speichert acht Kilowattstunden, damit kann man etwa zwei Stunden lang kochen. Hängen aber auch noch Trockner und Gefrierschrank dran, dann kommt der Akku schnell an seine Grenzen, und man kann nach dem Essen nicht mehr einkaufen fahren. Deshalb soll der zentrale Rechner lernfähig sein: Zum Beispiel merkt er sich die Zeitpunkte regelmäßiger Fahrten, etwa zur Arbeit, und lädt den Akku vorher pünktlich auf. Um dafür den genauen Energiebedarf zu ermitteln, analysiert er zusätzlich Navigationsdaten und Fahrgewohnheiten:

    "Vom Auto her schätzt man das alles sehr grob, immer pro 100 Kilometer brauche ich siebeneinhalb Liter. Beim Elektroauto schätzt man das sehr viel genauer, einfach dadurch, weil man im Moment noch nicht so viel Kapazität hat. Also ich habe im Normalfall irgendwas um die 80, 100 Kilometer vielleicht Reichweite. Die aber auch abhängig sind von, wie oft muss ich bremsen und beschleunigen, muss ich oft bergauf oder bergab fahren. Das heißt, abhängig von den Strecken, die ich fahre, und wo und wie ich sie lang fahre, ist der Energieverbrauch verschieden. Und das wollen wir untersuchen, und dafür brauchen wir diese genaue Routenaufzeichnung."

    Der zentrale Rechner im Haus soll in Zukunft jede Viertelstunde mit dem Energieversorger Daten austauschen. Dieser kennt so die aktuelle Nachfrage und passt den Strompreis an. Ist bei sonnigem Wetter einmal zu viel Strom da, dann weiß der Versorger zum Beispiel, wie viele Elektroautos überschüssige Energie speichern können. Oder er sieht, welche Häuser kurzfristig mehr verbrauchen können, indem sie etwa wartende Wäschetrockner wieder starten. Wo so viele Daten hin und her wandern, droht Missbrauch. Auch wenn der Stromversorger nicht im Einzelnen erfahren soll, wofür der Strom gerade verbraucht wird:

    "Wobei man das in gewissen Grenzen natürlich zurückschließen kann, denn vier Kilowatt gehen vermutlich eher in einen Ofen, und 260 Watt, das wird vielleicht der Fernseher sein. Wenn man diese Profile über lange Zeit beobachtet, ist es in Grenzen möglich, gewisse Rückschlüsse zu ziehen. Das heißt, wir arbeiten daran, wie man die Daten so aggregiert und verschlüsselt, dass ich sie nach außen geben kann, ohne dabei etwas über mich preisgeben zu müssen."

    Manch einer würde sich trotzdem überwacht fühlen. Die beiden Studenten, die als Erste für ein paar Wochen im Container waren, haben sich nicht daran gestört. Als Nächste ziehen zwei Wissenschaftler ein. Sie testen und trainieren das Smart Home dann immerhin für zwei Monate.