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Wohnen in der Neuen Sachlichkeit

Wie lebt es sich eigentlich 90 Jahre nach der Gründung des Bauhauses in Weimar in einer echten Gropius-Villa? Eine Spurensuche in der Universitäts- und Wissenschaftsstadt Jena, die mit ihrer Offenheit den Bauhäuslern ein Forum jenseits des konservativen Weimars bot.

Von Katrin Kühne | 05.07.2009
    "Walter Gropius: Meine Lieblingsfarbe ist bunt."

    "Das 'Bauhaus' ist weiß und die Möbel schwarz."

    Das klassische Vorurteil gegenüber der Moderne wird beim Anblick der weißen "Villa Auerbach" in Jenas Westviertel zunächst scheinbar bestätigt. Die berühmten Flachdächer fehlen natürlich nicht. Zwei Kuben - ein Zweigeschosser, der Wohntrakt, und ein Dreigeschosser für die Wirtschaftsräume, sind ineinander verschränkt. Über den Rasen hinweg schaut man in einen verglasten Wintergarten mit schwarzen Fensterumrahmungen. Walter Gropius hat das Gebäude 1924 als eines seiner nur sechs von ihm in Deutschland gebauten Wohnhäuser errichtet - zusammen mit seinem Kompagnon Adolf Meyer.

    "Wenn wir je gebaut hätten, hätten wir immer versucht, etwas in dieser Richtung zu erwerben oder zu bauen und das war ein großer Glücksfall, und es ist schon oft gesagt worden, dass das Haus Glück gehabt hat, dass wir es bekommen haben, weil wir eben wirklich tatsächlich überzeugte Bauhausanhänger sind und das dann dementsprechend auch versucht haben, das extrem authentisch zu rekonstruieren."

    Üppige 400 Quadratmeter stehen der Kulturwissenschaftlerin Barbara Happe, ihrem Mann Martin Fischer und dem Hund zur Verfügung. Eine ähnliche Konstellation wie bei den Erbauern, dem kinderlosen Ehepaar Anna und Felix Auerbach, ebenfalls mit Hund. Der jüdische Physiker war von dem legendären Ernst Abbe an die Jenaer Universität berufen worden. Obwohl beide damals bereits über 60, sind die Auerbachs u.a. von dem 1922 von Gropius gestalteten, heute nicht mehr existenten Stadt-Theater in Jena derart beeindruckt, dass sie den Meister als Architekten engagieren.

    Als der Zoologe Martin Fischer nach der Wende an die Universität Jena berufen wird, erwirbt das Ehepaar Fischer/Happe 1994 das Haus.

    "Der Putz war dunkel, es war unbewohnt, es lagen noch so ein paar Hinterlassenschaften herum. Das Linoleum war dunkelbraun, so wie meine Schuhe, und wenn Sie so ein Haus sehen, was einfach schier wie fluchtartig verlassen wurde."

    Da ist das Ehepaar aus dem Schwäbischen dann doch erstmal geschockt. Den Antrag auf Denkmalschutz hatten sie bereits gestellt. Nichts sah nach dem ursprünglichen Farbentwurf von Alfred Arndt für die Innenausstattung aus, den sie sich vom Bauhaus-Archiv hatten kommen lassen. Arndt hat während 20er Jahre in der Abteilung für Wandmalerei des damals in Weimar beheimateten Bauhauses gearbeitet. 37 zarte Pastelltöne hat der Künstler für das Interieur kreiert, so gar nicht gemäß dem Motto "Meine Lieblingsfarbe ist bunt" von Walter Gropius. Es schien aber, als wäre der Arndtsche Entwurf nie verwirklicht worden.

    "Wir haben dann mit dem Denkmalamt diskutiert und die haben uns dann zwei Restauratoren an die Hand gegeben, die mit Hilfe dieses Vorbildes das gesamte Haus abgesucht haben und siehe da, die Farben waren bis zu 98 Prozent umgesetzt damals."

    Nach langen Jahren und Mühen ist die Symphonie aus zartgelb, hellgrau, milchtürkis, pastellblau und glimmerweiß einschließlich der Einbauschränke und diversen Fenstervarianten, wie die damals neu entwickelten Schwingflügel wieder entstanden. Barbara Happe und ihr Mann leben zufrieden in ihren Marcel-Breuer-Möbeln unter originalen Sulfittenleuchten.

    "Es gibt ja den berühmten Spruch von Karl Kraus, ich brauche keine Gemütlichkeit, gemütlich bin ich selber."

    Knebelstr. 19 am Bahnhof Jena-Paradies. Vorbeirauschende ICEs anstelle der vornehmen Stille des Westviertels. Ein hoher Holzzaun mit Tür. Dahinter ein kleines Paradies. Stolzer Besitzer des Einzeldenkmals ist der gebürtige Oldenburger Götz Günther.

    "Das Gebäude ist mir eigentlich von Anfang an aufgefallen, aber ich hab' eigentlich nie gedacht, dass man mal so was kaufen kann. Das war auch nicht so einfach, weil die Stadt hatte eigentlich anderes vor. Die wollten hier eine straßenbegleitende Bebauung haben. Die Stadt wollte keine Genehmigung geben für die Sanierung, aber ich habe dann halt auf die Schutzwürdigkeit und auch die Einzigartigkeit von den Gebäuden aus der Neuen Sachlichkeit hingewiesen."

    2000 hat der gelernte Kaufmann den Komplex mit marodem Dach gekauft und peu à peu saniert. Vieles war noch vorhanden, da es praktisch nur einen Vorbesitzer seit der Erbauung in den 20er Jahren gab, die Familie Martini. Errichtet wird 1925 zunächst die Buchbinderei, etwas später dann das Obergeschoss mit der Wohnung drauf gesetzt. Entwerfer ist das für seine Zeiss-Bauten berühmte Architektur-Büro Johannes Schreiter& Hans Schlag.

    Die ehemalige Werkstatt Martini, die jetzt temporär als Kunstgalerie genutzt wird, die alten Heizkörper, die originale Eckverglasung und der gepflasterte Hof haben sich bis heute erhalten. Geht man die enge Treppe zur Wohnung Götz Günthers hinauf, fällt das ursprüngliche Parkett ins Auge. Es verbreitet eine warme Behaglichkeit, anders als das kühle Bauhaus-typische Linoleum in der "Villa Auerbach". Die Wände sind in den Grundfarben Rot, Gelb, sowie den "Nichtfarben" Weiß und Schwarz gestrichen. Die modernen Gemälde eines lebenden Künstlers, Thomas Schwarz, harmonieren bestens mit den farbigen Flächen des damaligen Innenarchitekten Walter Dexel. Der aus Frankfurt/Main stammende Künstler wird in den 20ern durch seine neuartigen Leuchtreklame-Säulen in Jena bekannt.

    "Ich glaube, dass das Haus wohl so ausgestattet wurde und als es dann übernommen wurde und die Möbel drin standen, hat es sich vielleicht auch etwas gebissen, das Eine oder Andere und ich hab's jetzt so wieder gemacht, und auch das Schwarz, war ich mir auch nicht so sicher, ob man 'nen Wohnraum unbedingt schwarz streichen muss, aber es verträgt sich eigentlich ganz gut."

    Die ineinander gehenden Räume sind durch Schiebetüren zu trennen. Von der Küche mit den originalen schwarz-weißen Fliesen geht eine neue gemütliche Terrasse auf das Flachdach hinaus.

    "Und es ist wirklich jeden Tag wieder schön, sicherlich liegt es hier direkt an der Straße, aber es gibt ein Grundstück dazu, schöne Räume mit guten Ausblicken, mit guten Fenstern, guter Belichtung, also diese Idee, die dahinter steckte, von diesem praktischen Wohnen, das kann ich auch täglich so erleben auch."

    "Das Zweckmäßige umfasst nicht nur die materiell fassbaren Dinge, sondern auch die Befriedigung menschlichen Gefühlslebens. Jede Rationalisierung hat also nur dann einen Sinn, wenn sie lebensbereichernd wirkt.

    Walter Gropius, 1929"