Das Loch, das man Wohnung nannte, entstand im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Ballungszentren. Die Industrie brauchte Arbeiter. Die strömten in die Städte und lebten eingepfercht in menschenunwürdigen Behausungen.
"Man kann einen Menschen mit einer Axt erschlagen, aber man kann ihn auch mit einer Wohnung erschlagen." (Heinrich Zille)
Familien, dicht gedrängt in kleinen Zimmern; Toiletten auf der Zwischenetage, von mehreren Familien genutzt; Betten, die einzeln an Tages- und Nachtschläfer vermietet wurden - das war die Realität noch in den 20er Jahren. Die Reaktion in der Weimarer Republik:
"das neue Bauen und das neue Wohnen. Das heißt, Architekten, Städtebauer, Soziologen machen sich sehr viele Gedanken, wie man arme Leute in der Stadt unterbringen kann."
Federführend damals: Das Bauhaus.
"Das ist der Beginn einer Diskussion, deren Ende wir jetzt erleben. Das Bauhaus ist mittendrin in dieser Bewegung und hat zudem noch teilgenommen an einer berühmten Konferenz 1929. Die Konferenz hieß: 'Die Wohnung für das Existenzminimum'."
Dr. Walter Prigge, Stadtsoziologe am Bauhaus in Dessau.
Das war der Gegenstand des Bauhauses in den 20er Jahren. Insofern, wenn wir heute wieder einen Bauhaus Award, wenn wir wieder einen Preis ausschreiben, 2008 über die Wohnung für das Existenzminimum von heute, dann nehmen wir ein Thema des Bauhauses wieder auf.
Doch während in den 20er Jahren die Industriearbeiter mit ihren Familien im Mittelpunkt der Planungen standen, ist die Gruppe der Betroffenen heute vielschichtiger geworden:
"Heute haben wir eine große Vielfalt, stellen wir fest, in der Wohnungsnot, wir haben natürlich anwachsende Obdachlosigkeit. Wir haben Wohnungslose, Bewohner von Heimen und Asylen, aber wir haben eben auch sehr viele Langzeitarbeitslose. Wir haben Jugendliche ohne Abschluss. Wir haben Aussiedler, Migranten, Studenten, aber auch Geringverdienende oder Alleinerziehende oder Rentner und Familien mit vielen Kindern. Das ist also eine sehr große Vielfalt von sozialen Gruppen oder Individuen, die heute große Schwierigkeiten haben, in bestimmten Regionen, in bestimmten Städten eine Wohnung in der Stadt zu bekommen."
Das funktioniert nur um den Preis eines sehr hohen Mietanteils am Einkommen. Normalerweise beträgt der rund 25 Prozent; arme Menschen haben 35 bis 40 sogar über 50 Prozent Anteil Miete an ihren Einnahmen. Darin spiegelt sich die neue Wohnungsnot wieder. Deshalb ist für Walter Prigge klar, ....
"dass es darum gehen muss, so billig wie möglich Wohnungen herzustellen und diese Wohnungen auch so billig wie möglich anzubieten, das heißt aber auch, es werden kleine Wohnungen sein oder Kleinstwohnungen, und sie müssen in der Stadt liegen, so meinen wir, weil arme Leute oder Menschen, die nicht richtig integriert sind in die Arbeitswelt, brauchen Verbindungen, schnelle Verbindungen zu den städtischen Infrastrukturen, also zu Bildung, zu Gesundheit."
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu,
"wenn wir an die Wohnung für das Existenzminimum denken, so würden wir sagen, und der Klimawandel zeigt das ja an, dass wir heute unsere Existenz unter der Reflexion ökologischer Dinge neu gestalten müssen, und dass, es geht heute nicht nur um eine soziale ökologische Definition des Existenzminimums, sondern es müssen eben auch kulturelle Minima, kulturelle Standards und auch ökologische Standards da sein, sprich Zugang zu Bildung, zu Infrastrukturen und auch zu ökologischen Ressourcen. Wenn man daran denkt, dass wir hier in Westeuropa ja unter bestimmten Bedingungen leben, so ist das in Rio de Janeiro in einer Favela noch ganz anders."
Aus diesem Grund sind die Wissenschaftler am Bauhaus auch vorsichtig, wenn es darum geht, Standards für Wohnraum zu definieren, denn die sehen in Europa anders aus als in Entwicklungsländern. Dort steht eher im Vordergrund lebensnotwendige Ressourcen zu gewährleisten wie sauberes Trinkwasser oder Energie. Für die entwickelten Länder gehe es eher um
"die individuelle Strategie, die uns der Markt aufzwingt, jeder muss sich selbst kümmern um eine Wohnung, dass diese individuelle Strategie natürlich nicht aufhebbar ist, aber sie ist zu ergänzen, glaube ich, durch Gemeinschaftsstrategien. Und ich glaube, dass man da hingucken kann und fragen kann, ob das ein Vorbild ist auch für andere soziale Gruppen."
Zum Beispiel für Hartz-IV-Empfänger, die eine zu große Wohnung bewohnen: In Städten, wo kleine Wohnungen Mangelware sind, wäre die Untervermietung eine Alternative. Das Untermietverhältnis, in den 20er Jahren üblich, könnte eine Renaissance erleben als Möglichkeit für ärmere Bevölkerungsgruppen.
Nutzen statt Besitzen, das ist ein weiteres Schlagwort. Wie die Immobilienkrise in den USA gezeigt hat, kaufen sich auch arme Menschen ein Haus oder eine Wohnung, obwohl sie es sich gar nicht leisten können. Hier gegenzusteuern ist schwierig,
"weil es hier darum geht, den Gebrauchswert der Stadt und nicht den Tauschwert und nicht die symbolischen und Formaspekte der Stadt in den Vordergrund zu rücken, also: 'Mein Haus, meine Wohnung', sondern was kann ich brauchen, was kann ich nutzen in der Stadt, und es gibt andere Verhältnisse, wo der Gebrauchswert dann im Vordergrund steht und nicht die symbolische Dimension, die oft ja bei Mittelschichten im Vordergrund steht, dass das verhindert wird."
Seit den 20er Jahren hat sich viel verändert. Heute muss keiner mehr sein Bett mit einem Tagesschläfer teilen. Auch arme Familien haben ein Anrecht auf angemessenen Wohnraum. Ob allerdings ein von den Architekten favorisierter Prototyp gerade in den prekären Schichten Anklang findet, ist fraglich:
"Ein anderes Modell, was so in der Aufmerksamkeit von Architekten heute ist, wäre der Asket, könnte man sagen, diejenigen, die also freiwillig auf etwas verzichten, und auch ihren Lebensstil nicht darstellen wollen, sondern einfach leben unter Gebrauchsaspekten, das heißt, sparsam zu leben, asketisch zu leben, und zwar findet das ja nicht in Techniken statt, sondern auf der Alltagsebene, wo also Handlungsweisen, asketische Verhaltensweisen, propagiert werden, und da könnte man, glaube ich, einen Schritt vorwärts kommen, wenn man also daran denkt, wie wir unser Verhalten umsteuern müssen."
Bleibt zu vermuten, dass diese Form der Lebensweise eher von denjenigen wahrgenommen werden, die sich einiges leisten können, als von Bevölkerungsgruppen, die aufgrund ihrer finanziellen Engpässe auf vieles verzichten müssen.
"Man kann einen Menschen mit einer Axt erschlagen, aber man kann ihn auch mit einer Wohnung erschlagen." (Heinrich Zille)
Familien, dicht gedrängt in kleinen Zimmern; Toiletten auf der Zwischenetage, von mehreren Familien genutzt; Betten, die einzeln an Tages- und Nachtschläfer vermietet wurden - das war die Realität noch in den 20er Jahren. Die Reaktion in der Weimarer Republik:
"das neue Bauen und das neue Wohnen. Das heißt, Architekten, Städtebauer, Soziologen machen sich sehr viele Gedanken, wie man arme Leute in der Stadt unterbringen kann."
Federführend damals: Das Bauhaus.
"Das ist der Beginn einer Diskussion, deren Ende wir jetzt erleben. Das Bauhaus ist mittendrin in dieser Bewegung und hat zudem noch teilgenommen an einer berühmten Konferenz 1929. Die Konferenz hieß: 'Die Wohnung für das Existenzminimum'."
Dr. Walter Prigge, Stadtsoziologe am Bauhaus in Dessau.
Das war der Gegenstand des Bauhauses in den 20er Jahren. Insofern, wenn wir heute wieder einen Bauhaus Award, wenn wir wieder einen Preis ausschreiben, 2008 über die Wohnung für das Existenzminimum von heute, dann nehmen wir ein Thema des Bauhauses wieder auf.
Doch während in den 20er Jahren die Industriearbeiter mit ihren Familien im Mittelpunkt der Planungen standen, ist die Gruppe der Betroffenen heute vielschichtiger geworden:
"Heute haben wir eine große Vielfalt, stellen wir fest, in der Wohnungsnot, wir haben natürlich anwachsende Obdachlosigkeit. Wir haben Wohnungslose, Bewohner von Heimen und Asylen, aber wir haben eben auch sehr viele Langzeitarbeitslose. Wir haben Jugendliche ohne Abschluss. Wir haben Aussiedler, Migranten, Studenten, aber auch Geringverdienende oder Alleinerziehende oder Rentner und Familien mit vielen Kindern. Das ist also eine sehr große Vielfalt von sozialen Gruppen oder Individuen, die heute große Schwierigkeiten haben, in bestimmten Regionen, in bestimmten Städten eine Wohnung in der Stadt zu bekommen."
Das funktioniert nur um den Preis eines sehr hohen Mietanteils am Einkommen. Normalerweise beträgt der rund 25 Prozent; arme Menschen haben 35 bis 40 sogar über 50 Prozent Anteil Miete an ihren Einnahmen. Darin spiegelt sich die neue Wohnungsnot wieder. Deshalb ist für Walter Prigge klar, ....
"dass es darum gehen muss, so billig wie möglich Wohnungen herzustellen und diese Wohnungen auch so billig wie möglich anzubieten, das heißt aber auch, es werden kleine Wohnungen sein oder Kleinstwohnungen, und sie müssen in der Stadt liegen, so meinen wir, weil arme Leute oder Menschen, die nicht richtig integriert sind in die Arbeitswelt, brauchen Verbindungen, schnelle Verbindungen zu den städtischen Infrastrukturen, also zu Bildung, zu Gesundheit."
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu,
"wenn wir an die Wohnung für das Existenzminimum denken, so würden wir sagen, und der Klimawandel zeigt das ja an, dass wir heute unsere Existenz unter der Reflexion ökologischer Dinge neu gestalten müssen, und dass, es geht heute nicht nur um eine soziale ökologische Definition des Existenzminimums, sondern es müssen eben auch kulturelle Minima, kulturelle Standards und auch ökologische Standards da sein, sprich Zugang zu Bildung, zu Infrastrukturen und auch zu ökologischen Ressourcen. Wenn man daran denkt, dass wir hier in Westeuropa ja unter bestimmten Bedingungen leben, so ist das in Rio de Janeiro in einer Favela noch ganz anders."
Aus diesem Grund sind die Wissenschaftler am Bauhaus auch vorsichtig, wenn es darum geht, Standards für Wohnraum zu definieren, denn die sehen in Europa anders aus als in Entwicklungsländern. Dort steht eher im Vordergrund lebensnotwendige Ressourcen zu gewährleisten wie sauberes Trinkwasser oder Energie. Für die entwickelten Länder gehe es eher um
"die individuelle Strategie, die uns der Markt aufzwingt, jeder muss sich selbst kümmern um eine Wohnung, dass diese individuelle Strategie natürlich nicht aufhebbar ist, aber sie ist zu ergänzen, glaube ich, durch Gemeinschaftsstrategien. Und ich glaube, dass man da hingucken kann und fragen kann, ob das ein Vorbild ist auch für andere soziale Gruppen."
Zum Beispiel für Hartz-IV-Empfänger, die eine zu große Wohnung bewohnen: In Städten, wo kleine Wohnungen Mangelware sind, wäre die Untervermietung eine Alternative. Das Untermietverhältnis, in den 20er Jahren üblich, könnte eine Renaissance erleben als Möglichkeit für ärmere Bevölkerungsgruppen.
Nutzen statt Besitzen, das ist ein weiteres Schlagwort. Wie die Immobilienkrise in den USA gezeigt hat, kaufen sich auch arme Menschen ein Haus oder eine Wohnung, obwohl sie es sich gar nicht leisten können. Hier gegenzusteuern ist schwierig,
"weil es hier darum geht, den Gebrauchswert der Stadt und nicht den Tauschwert und nicht die symbolischen und Formaspekte der Stadt in den Vordergrund zu rücken, also: 'Mein Haus, meine Wohnung', sondern was kann ich brauchen, was kann ich nutzen in der Stadt, und es gibt andere Verhältnisse, wo der Gebrauchswert dann im Vordergrund steht und nicht die symbolische Dimension, die oft ja bei Mittelschichten im Vordergrund steht, dass das verhindert wird."
Seit den 20er Jahren hat sich viel verändert. Heute muss keiner mehr sein Bett mit einem Tagesschläfer teilen. Auch arme Familien haben ein Anrecht auf angemessenen Wohnraum. Ob allerdings ein von den Architekten favorisierter Prototyp gerade in den prekären Schichten Anklang findet, ist fraglich:
"Ein anderes Modell, was so in der Aufmerksamkeit von Architekten heute ist, wäre der Asket, könnte man sagen, diejenigen, die also freiwillig auf etwas verzichten, und auch ihren Lebensstil nicht darstellen wollen, sondern einfach leben unter Gebrauchsaspekten, das heißt, sparsam zu leben, asketisch zu leben, und zwar findet das ja nicht in Techniken statt, sondern auf der Alltagsebene, wo also Handlungsweisen, asketische Verhaltensweisen, propagiert werden, und da könnte man, glaube ich, einen Schritt vorwärts kommen, wenn man also daran denkt, wie wir unser Verhalten umsteuern müssen."
Bleibt zu vermuten, dass diese Form der Lebensweise eher von denjenigen wahrgenommen werden, die sich einiges leisten können, als von Bevölkerungsgruppen, die aufgrund ihrer finanziellen Engpässe auf vieles verzichten müssen.