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Wohnungssuche auf Schwedisch

Die Wohnungsknappheit treibt in Schwedens Metropolen die Preise für Eigentumswohnungen in die Höhe - in den vergangenen fünf Jahren um 30 Prozent. Immobilien werden zudem nicht zu einem Festpreis, sondern an den Höchstbietenden verkauft. Um den Preis in die Höhe zu treiben, lassen sich schwedische Immobilienmakler einiges einfallen. Christine Westerhaus berichtet aus Göteborg.

    Sonntag Nachmittag, Wohnungsbesichtigungstermin im Göteborger Stadtteil Majorna. Am Wohnungseingang verteilt Charlotta Lenhammer, eine Maklerin im schicken Kostüm, Plastiküberzieher für die Schuhe. Sie begrüßt alle Besucher persönlich. Beim Eintritt bekommt jeder eine Umhängetasche mit Hochglanzprospekten in die Hand gedrückt. Obwohl die Wohnung nur 38 Quadratmeter groß ist, wirkt sie geräumig. Das liegt vor allem an der sparsamen Einrichtung: Ein kleines Sofa, ein Hochbett und ein Regal mit einer Handvoll Bücher darin. In Küche und im Bad sind die Waschbecken auf Hochglanz poliert, Lappen Handtücher oder persönliche Gegenstände sucht man vergeblich.

    "Men oftas ser lägenheter ut inte som en bostad men mer som et utställnig. Så är det."

    Oft sehen die Wohnungen nicht wie eine Wohnung aus sondern eher wie eine Möbelausstellung, sagt dieser Mann, der für seine Tochter auf der Suche nach einer Bleibe ist. Bei den meisten "Visnings", wie Schweden die Besichtigungstermine nennen, sind alle Details in einer Wohnung aufeinander abgestimmt. In der Küche stehen riesige Obstschalen auf dem Tisch, farblich dazu passende Blumen stecken in transparenten Bodenvasen und dekorative Bildbände liegen wie zufällig auf dem Sideboard. Das macht Eindruck auf die potentiellen Käufer, sagt Stefanie Sopio, die vor zehn Jahren nach Schweden kam, und seit drei Jahren auf der Suche nach einem Haus für ihre Familie ist.

    "Also man merkt gleich, wenn man in ein Haus reinkommt: da war eine Innendekorateurin am Werk. Man arbeitet auch mit Duftkerzen, um schlechte Gerüche zu überdecken. Oder man bekommt vom Makler den Tipp, am Tag vor so einem "Visning" solle man doch backen, einfach um so ein heimeliges Gefühl zu schaffen. Ja, es soll gute Gefühle wecken."

    Stefanie Sopio hat sich aufgrund ihrer langen Wohnungssuche intensiv mit dem schwedischen Maklerwesen beschäftigt. Unerfreulich ist für sie, dass Immobilien nicht nach einem Festpreis, sondern nach Höchstgebot verkauft werden. Außerdem ließen sich viele Käufer, so ihre Erfahrung, durch das Ambiente blenden. Dass dies bewusst in Szene gesetzt wird, bestätigt auch Charlotta Lenhammer von der Göteborger Maklerfirma "Home".
    " Wenn jemand in eine Wohnung kommt und sich dort wohl fühlt ist er bereit, mehr Geld dafür zu bieten. Das kann den Preis um bis zu 20 Prozent steigern."

    Inzwischen gibt es sogar Firmen, die sich auf eine besonders ansprechende Wohnungsdekoration spezialisiert haben. Sie vermieten Designermöbel, teure Bilder und schmucke Einrichtungsgegenstände und holen sie wieder ab, wenn das Haus verkauft ist. Ärgerlich ist für Stefanie Sopio jedoch vor allem eines: Nicht immer steckt tatsächlich ein interessierter Käufer hinter einem Gebot für eine Wohnung.

    "Da kam es dann schon mal vor, dass die Makler Zwischengebote, also Scheingebote selber abgeben und das ist dann ärgerlich."

    "Wir haben versucht, das Problem zu beseitigen, aber es bleibt einfach schwierig", sagt Charlotta Lenhammer. Das Maklerbüro, in dem sie arbeitet, veröffentlicht daher nach dem Verkauf eine Liste mit den Namen aller Bieter samt Telefonnummer und Adresse. Wer möchte, kann die Mitbietenden anschließend anrufen und nachfragen, ob sie tatsächlich für ein Objekt geboten haben.
    Dass es mittlerweile nicht mehr genügend Mietwohnungen gibt, liegt vor allem an Schwedens Wohnungspolitik in den neunziger Jahren. Reformen im Wohnungssektor machten es für Mieter damals sehr einfach, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Wer heute noch zur Miete wohnen möchte, muss sich zumindest in Ballungszentren wie Stockholm oder Göteborg lange gedulden: Die Wartezeit liegt durchschnittlich bei drei Jahren – im beliebten Stockholmer Stadtteil Östermalm müssen Interessenten sich manchmal mehr als 20 Jahre gedulden. Deshalb nehmen die meisten Schweden auch gestiegene Immobilienpreise und lästige Bieterverfahren in Kauf. Und anstelle der Miete zahlen sie Kreditzinsen bei der Bank. Stefanie Sopio:

    "Das ist eine Besonderheit im Vergleich zu Deutschland, dass in Schweden die Häuser fast alle über Hypotheken finanziert werden und die Banken sind sehr großzügig. Also wenn es zwei Normal-Einkommen gibt in einer Familie, ist es ziemlich problemlos von der Bank bis zu 95 Prozent vom Hauspreis als Kredit zu bekommen. Und dann fordern die Banken auch meist keine Tilgung. Wir mieten von der Bank, sagen wir immer. Und dann zieht man wieder aus und nimmt dann den Gewinn mit."