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Wolf im Federkleid

Biologie. - 410 Enten und Masthähnchen mussten in Bayern ihr Leben lassen, dennoch ist der Verdacht auf Vogelgrippe in einem deutschen Geflügelbetrieb noch einmal glimpflich abgelaufen. Trotzdem ist die Unsicherheit groß: So ist umstritten, welche Rolle Zugvögel bei der Verbreitung spielen.

Von Monika Seynsche | 14.03.2006

    "Also was die Einschleppung über große Entfernungen gerade von Asien nach Europa angeht, gibt es für mich keine plausiblere Erklärung als die Zugvögel..."

    ... sagt Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Löffler-Instituts für Tiergesundheit auf der Ostseeinsel Riems.

    "Das sind sicherlich keine häufigen Ereignisse, solche Einschleppungen, aber sie passieren und die Assoziation mit Zugvögeln ist klar. Es ist das Virus in Zugvögeln in Asien gefunden worden, die gesund waren, das heißt, es gibt solche Tiere, die das Virus tragen können und es lässt sich eigentlich anders nicht erklären."

    Krickente und Spießente heißen die beiden Hauptverdächtigen, die das Virus nach Ansicht des Virologen über die Brutgebiete in Sibirien von Asien aus nach Europa gebracht haben könnten. Vogelkundler dagegen bezweifeln diese Theorie: Franz Bairlein, der Direktor des Instituts für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" in Wilhelmshaven untersucht seit Jahren die weltweiten Vogelzugrouten.

    "Wir haben zu den Vogelzügen schon verlässliche Daten und gerade die erste Ausbreitungswelle aus Südostasien gegen Westen bis an die Grenzen Westeuropas waren mit Vogelzug nicht zu erklären, so wie auch das aktuelle Ausbruchsgeschehen, das wir seit 14. Februar auf Rügen beobachten, mit aktuellem Vogelzug nichts zu tun hat."

    Seiner Ansicht nach spielt der Vogelzug höchstens eine untergeordnete Rolle bei der Verbreitung der Vogelgrippe. Wesentlich wichtiger sei der weltweite Handel mit Geflügel und Geflügelprodukten. Eine Lösung dieses Streites ist nicht in Sicht. Aber auch wenn Informationen über den Reiseweg des Virus wichtig wären, um die weitere Ausbreitung der Vogelgrippe vorhersagen zu können, noch wichtiger – und da sind sich Thomas Mettenleiter und Franz Bairlein einig - ist es, zu klären, wieweit sich das Virus hier schon unbemerkt verbreitet hat. Dafür wollen die Forscher verstärkt lebende Wildvögel auf das Virus untersuchen.

    "Wichtig ist, zu erfahren, wie durchdrungen ist unsere Wildvogelpopulation - wir nennen das Prävalenz. Wir müssen also wesentlich mehr erfahren über die Prävalenz dieses Virus in Europa, um dann die Handlungskonzepte darauf abzustellen."

    Denn wenn es Wildvögel gibt, die eine Infektion mit H5N1 überleben, dann würden sie eine ständige Gefahr für das Nutzgeflügel darstellen und Hühner, Enten und Gänse müssten nicht nur für ein paar Wochen, sondern auf Dauer von wilden Vögeln ferngehalten werden. Dieses Jahr sollen in Deutschland insgesamt 13.000 Wildvögel untersucht werden, das sind 5000 mehr als im letzten Jahr. Bisher sind weltweit nur sechs mit H5N1 infizierte und trotzdem gesund wirkende Wildvögel entdeckt worden, und das, obwohl mehrere zehntausend Tiere untersucht worden sind. Aber selbst wenn es noch mehr infizierte Tiere gibt…

    "Die Gefahr für den Menschen ist in meinen Augen äußerst gering. Es braucht ja zwischen dem Wildvogel und dem Menschen einen extrem engen Kontakt, wie er natürlicherweise gar nicht gegeben sein kann."

    Wildvögel sind in der Regel scheu und halten sich vom Menschen fern. Andere Tiere dagegen suchen die Nähe des Menschen, wie Ratten und Mäuse. Könnten diese Tiere das Risiko für den Menschen vergrößern?

    "Wir wissen über Wildmäuse und Wildratten im Moment nicht, ob sie infizierbar sind, weil das an wilden Tieren bisher nicht gemacht worden ist, sondern alles nur an Labortieren, Laborratten und Labormäusen. Die sind prinzipiell infizierbar. Allerdings brauchen sie auch sehr hohe Dosen und sie lassen sich nicht sehr gut infizieren. Erst wenn sie genetische Defekte tragen, wird das besser. Wir wissen aber nicht, wie das mit der Wildmauspopulation ist. "

    Um das herauszufinden, werden die Forscher in den kommenden Wochen wilde Ratten und Mäuse auf Rügen fangen und auf H5N1 untersuchen.

    "Im Moment sehe ich da nicht die große Gefährdung, aber bei dem Virus ist sicherlich eine ganze Menge denkbar."

    Bisher ist allerdings auch aus den von der Vogelgrippe stark betroffenen Gebieten in Südostasien noch nie ein Fall einer infizierten Ratte bekannt geworden, geschweige denn, dass sich ein Mensch bei einem Säugetier angesteckt hätte.