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Informatik. - 60 Gulden in bar soll Mozart noch besessen haben, als er in die Grube fuhr, so unscheinbar bestattet, dass später selbst die Witwe das Grab nicht mehr finden konnte. Heute werden in Mozarts Namen jährlich fünf Milliarden Dollar umgesetzt, überdies hält das Genie ganze Scharen von Gelehrten in Lohn und Brot. Die haben jetzt ein Mammut-Werk nahezu vollendet, die Neue Mozartausgabe, deren Entstehung ein Abenteuer für sich ist. Die Internationale Mozarteum-Stiftung will den Schatz jetzt für jeden erreichbar ins Internet bringen, beginnend im kommenden Herbst, Schritt für Schritt.

Von Mathias Schulenburg |
    Die gedruckte Mozart-Werksammlung ist so umfangreich, dass sich die meisten hoffnungslos in ihr verlieren würden, doch Abhilfe naht: Die Neue Mozartausgabe wird digitalisiert und - mit allerlei Finessen versehen - via Internet jedem zugänglich gemacht. Das Projekt dirigiert Ulrich Leisinger, wissenschaftlicher Leiter am Salzburger Mozarteum. An Schwierigkeiten scheint es nicht zu fehlen:

    " Die größten Probleme liegen darin, wie muss das Material aufbereitet werden, damit der Nutzer wirklich etwas davon hat. Eines unserer wichtigsten Anliegen ist es, auch die Originalhandschriften zu zeigen. Nur, wenn es darum geht, mehr als nur einen Blick auf ein schönes Objekt zu haben, dann ist ein erheblicher Aufwand erforderlich. Ich denke, dass man etwa eine Stunde braucht, um eine Notenseite so zu annotieren, dass der Laie weiß, was hier geschehen ist, was Mozart hier warum korrigiert hat. Und bei einem Gesamtschaffen von 25.000 Seiten, davon eine Stunde pro Seite, sind wir bei leicht 200 Wochen, die man aufbringen müsste, also vier Jahre wäre eine einzige Person damit beschäftigt, das zu tun. Wie das zu leisten ist, ist natürlich eine Frage für sich."

    Natürlich können wieder Computer helfen, leider aber nur begrenzt. Was bei Texten mit OCR-Software, Zeichenerkennungssoftware, ganz gut geht, die Umsetzung der Zeichen in digitalen Klartext, stößt bei der Notierung von Musik auf Probleme:

    " Unser Kooperationspartner, das Packard-Humanities-Institut, hat eine eigene Musikerkennungssoftware entwickelt, die eine Genauigkeit von 98 Prozent erreicht. Sicher mehr als die meisten anderen, das bedeutet im Ernstfall aber immer noch, dass auf jeder Seite zehn bis 20 Fehler sind. Der Grund hierfür ist einfach, dass die Anordnung auf einer Notenseite wesentlich komplexer ist als ein normaler Text, weil es eben nicht nur auf die Abfolge ankommt, sondern auch auf die Relation zu anderen Noten, und es gibt dann eine Reihe von Spezialfällen, zum Beispiel dynamische Bezeichnungen, von denen jeder, der mit Musik zu tun hat, sofort weiß, wo die hingehören. Der Computer, der nun leider dumm ist, weiß es nicht und man muss ihm alle Möglichkeiten vorschlagen. Es ist zum Beispiel so, dass in Vokalmusik die dynamischen Bezeichnungen lieber über den Noten stehen, damit sie nicht mit dem Gesangstext kollidieren, was der Software Schwierigkeiten bereitet, die ja erstmal unter dem Text sucht."

    Wenn dann aber einmal alles kodiert ist, wird man Mozart auch maschinell zum Klingen bringen können. Aus den Noten würden sich einfach MIDI-Files erzeugen lassen, das Standard-Format zur Steuerung elektronischer Instrumente, die dann die Klänge hervorbringen. Nur zur Orientierung, versteht sich. Umgekehrt wird man dem Computer sogar ein paar Mozart-Takte vorsingen können, der sagt dann, wo genau die Musik geschrieben steht.

    Ein kleiner musikalischer Vorgeschmack auf die kommenden digitalen Freuden ist schon zu haben:

    " Nämlich ein digitales Faksimile der Klaviersonate und Fantasie in c-Moll, das auf Mozarts eigenem Instrument eingespielt worden ist und jetzt schon als CD-ROM verfügbar ist."

    Passend zu den Klängen rollen dann die gescannten Original-Notenblätter auf dem Bildschirm ab, die aktuellen Takte milde angeleuchtet - die Technik tut dem Zauber keinen Abbruch.