Das könnte aus einer von Jürgmeier erfundenen Biographie stammen, ist tatsächlich aber Teil einer Selbstauskunft, die der Marburger Politologe Frank Deppe verfasst hat. Früher hat der Abendroth-Schüler die DKP und ihr Umfeld munitioniert, jetzt gehörte er zu einer kleinen Runde von Heroen des sogenannten wissenschaftlichen Sozialismus, die sich in den letzten Jahren wiederholt getroffen hat, um die Programmdebatte der PDS zu beeinflussen. Das Protokoll dieser Gespräche ist im Kölner PapyRossa Verlag erschienen.
Nüchtern formuliert Wolfgang Haug in seinem Vorwort:
Versprechungen, die durch keine noch so revolutionäre Realpolitik eingelöst werden könnten, haben kein Recht.
Zwar dürfe alles reformistische Bemühen seinen utopischen Horizont nicht aus dem Blick verlieren, da es sonst zu perspektivloser Anpassung verkomme. Doch werde sich linke Politik vornehmlich auf reformistische Arbeit zu beschränken haben. -- Nicht Abschaffung des Kapitalismus steht in absehbarer Zeit auf der Tagesordnung, sondern der Kampf um die soziale und demokratische Regulierung des Kapitalismus und um die Verteidigung und Ausdehnung kapitalismusfreier Bereiche. (...) Es kann sich herausstellen, dass die soziale und demokratische Regulierung des Kapitalismus angesichts der Kräfteverhältnisse fast so utopisch ist wie seine Abschaffung.
So geraten die "Unterhaltungen" vor allem zu einer Meditation über die Möglichkeiten linker Politik im Zeichen eines triumphierenden Neoliberalismus. Dessen Erfolg ist den Diskutanten nicht nur aufgrund seiner gewaltigen Dimensionen unheimlich - vor allem beunruhigt sie der Umstand, dass er sich als zukunftsweisende Ideologie offenbar auch in den Köpfen jener festsetzt, die ihre Existenzgrundlage eigentlich davon bedroht sehen müssten: der Gewerkschaft der Eisenbahner etwa, die, wie der Historiker Wolfgang Küttler berichtet, das Ziel des Vorstands der Deutschen Bahn unterstützen, die Börsenfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen - und so zuletzt auch den eigenen Arbeitsplatz in Frage stellen. So ist es in der Tat nicht auszuschließen, dass, wie die Soziologin Frigga Haug beobachtet, Angst, Unsicherheit, Misstrauen, Konkurrenz um sich greifen, ebenso eine "Auffassung vom Individuum als isolierter Person in einer Welt, in der ihr der Platz streitig gemacht wird".
Es ist allerdings sehr die Frage, und hier hätte man sich denn doch auch Diskutanten aus dem "rechten" oder neoliberalen Lager in der Runde gewünscht, ob Deregulierung allein für diese Probleme verantwortlich ist. Denn ist es nicht denkbar, dass ein Teil der Arbeitslosigkeit gerade auf allzu starre Beschäftigungsverhältnisse zurückgeht? Und ist die Tendenz zur Deregulierung nicht doch auf einen sehr exklusiven Teil der Wirtschaft, nämlich die internationalen Konzerne, beschränkt? Sie sind in der Tat in der Lage, den Staat in puncto Arbeitsmarktpolitik unter Druck zu setzen. Aber wie steht es mit den mittelständischen Betrieben? Sie würden einstellen, hätten sie, brutal gesagt, die Möglichkeit, Arbeitnehmer in konjunkturschwachen Zeiten auch wieder los zu werden. Die 18.000 Unternehmenspleiten dieses Jahres zeigen doch, wie sehr so mache Unternehmer selbst mit dem Rücken an der Wand stehen. Die Kosten der Deregulierung werden lokal wie global immer deutlicher spürbar. Wolfgang Fritz Haug meint
Die große Ernüchterung, aus der sozialistische Erneuerung sich heute einzig erheben kann, ist eine historische Chance.
Kersten Knipp über "Unterhaltungen über den Sozialismus nach seinem Verschwinden". Der Band wird im Kölner PapyRossa Verlag herausgegeben von Wolfgang Fritz und Frigga Haug, umfasst 252 Seiten und kostet 8 Euro.
Nüchtern formuliert Wolfgang Haug in seinem Vorwort:
Versprechungen, die durch keine noch so revolutionäre Realpolitik eingelöst werden könnten, haben kein Recht.
Zwar dürfe alles reformistische Bemühen seinen utopischen Horizont nicht aus dem Blick verlieren, da es sonst zu perspektivloser Anpassung verkomme. Doch werde sich linke Politik vornehmlich auf reformistische Arbeit zu beschränken haben. -- Nicht Abschaffung des Kapitalismus steht in absehbarer Zeit auf der Tagesordnung, sondern der Kampf um die soziale und demokratische Regulierung des Kapitalismus und um die Verteidigung und Ausdehnung kapitalismusfreier Bereiche. (...) Es kann sich herausstellen, dass die soziale und demokratische Regulierung des Kapitalismus angesichts der Kräfteverhältnisse fast so utopisch ist wie seine Abschaffung.
So geraten die "Unterhaltungen" vor allem zu einer Meditation über die Möglichkeiten linker Politik im Zeichen eines triumphierenden Neoliberalismus. Dessen Erfolg ist den Diskutanten nicht nur aufgrund seiner gewaltigen Dimensionen unheimlich - vor allem beunruhigt sie der Umstand, dass er sich als zukunftsweisende Ideologie offenbar auch in den Köpfen jener festsetzt, die ihre Existenzgrundlage eigentlich davon bedroht sehen müssten: der Gewerkschaft der Eisenbahner etwa, die, wie der Historiker Wolfgang Küttler berichtet, das Ziel des Vorstands der Deutschen Bahn unterstützen, die Börsenfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen - und so zuletzt auch den eigenen Arbeitsplatz in Frage stellen. So ist es in der Tat nicht auszuschließen, dass, wie die Soziologin Frigga Haug beobachtet, Angst, Unsicherheit, Misstrauen, Konkurrenz um sich greifen, ebenso eine "Auffassung vom Individuum als isolierter Person in einer Welt, in der ihr der Platz streitig gemacht wird".
Es ist allerdings sehr die Frage, und hier hätte man sich denn doch auch Diskutanten aus dem "rechten" oder neoliberalen Lager in der Runde gewünscht, ob Deregulierung allein für diese Probleme verantwortlich ist. Denn ist es nicht denkbar, dass ein Teil der Arbeitslosigkeit gerade auf allzu starre Beschäftigungsverhältnisse zurückgeht? Und ist die Tendenz zur Deregulierung nicht doch auf einen sehr exklusiven Teil der Wirtschaft, nämlich die internationalen Konzerne, beschränkt? Sie sind in der Tat in der Lage, den Staat in puncto Arbeitsmarktpolitik unter Druck zu setzen. Aber wie steht es mit den mittelständischen Betrieben? Sie würden einstellen, hätten sie, brutal gesagt, die Möglichkeit, Arbeitnehmer in konjunkturschwachen Zeiten auch wieder los zu werden. Die 18.000 Unternehmenspleiten dieses Jahres zeigen doch, wie sehr so mache Unternehmer selbst mit dem Rücken an der Wand stehen. Die Kosten der Deregulierung werden lokal wie global immer deutlicher spürbar. Wolfgang Fritz Haug meint
Die große Ernüchterung, aus der sozialistische Erneuerung sich heute einzig erheben kann, ist eine historische Chance.
Kersten Knipp über "Unterhaltungen über den Sozialismus nach seinem Verschwinden". Der Band wird im Kölner PapyRossa Verlag herausgegeben von Wolfgang Fritz und Frigga Haug, umfasst 252 Seiten und kostet 8 Euro.