Was und wie viel wissen wir über China? Über die lange und wechselvolle Geschichte des Landes, in der sich wirtschaftliche Blütezeiten und Niedergänge ablösten, in der Hochkulturen und politische Machtzentren entstanden und wieder versanken, über eine Geschichte, die einerseits von Eroberungen und andererseits von Zeiten selbstgewählter Isolation geprägt ist? Wer Wolfgang Hirns Buch liest, wird schnell erkennen, wie wenig wir über China wissen, dieses Land, das jetzt im Begriff ist, sich in einem atemberaubenden Tempo einen dominierenden Platz in der Weltwirtschaft und, darauf aufbauend, in der Weltpolitik zu sichern. Seit über zwanzig Jahren hat der Autor sein besonderes Augenmerk auf das Land der Mitte gerichtet, hat China bereist, hat sich mit den historischen Wurzeln des Riesenreichs beschäftigt, genauso wie mit seinen politischen Absichten und den wirtschaftlichen Strategien. Das Ergebnis seiner Recherchen fasst der Untertitel des Buches eindrucksvoll zusammen: "Wie der chinesische Aufstieg unser Leben verändert". Dem Journalisten Hirn, der derzeit für das Manager-Magazin arbeitet, geht es also auch und vor allem um die Frage: Welche Folgen hat der Wirtschaftsboom in China für die alten Industrieländer, für die Unternehmen, für die Arbeitsplätze, für Wohlstand und soziale Sicherung hierzulande. Bei Wolfgang Hirn liest sich das so:
"Schon heute zeichnet sich ab, dass China zur Fabrik der Welt wird. Mit seinem nahezu unerschöpflichen Reservoir an billigen Arbeitskräften lockt das Riesenreich immer mehr ausländische Firmen an, die von dort den großen heimischen Markt, aber auch zunehmend die Weltmärkte beliefern. Die Verlagerung von Produktion und Arbeitsplätzen wird deshalb weiter zunehmen – zu Lasten der USA, Japans und Europas, deren Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit unaufhaltsam voranschreiten."
Damit ist die Situation eindrucksvoll beschrieben: China bietet den alten Industrieländern gewaltige Chancen – als Lieferant, als Abnehmer und als Industriestandort. Wer als Unternehmer den immensen Absatzmarkt nutzen will, wer kostengünstig produzieren und kostengünstig einkaufen will, muss in China präsent sein. Der Autor räumt dabei mit der Vorstellung auf, bei China handele es sich immer noch nur um ein aufstrebendes Entwicklungsland. Für den Verfasser ist China längst auf dem Weg, zur Produktionsstätte der Welt zu werden:
"Es sind eben nicht nur Schuhe und Textilien, die dort massenhaft hergestellt werden, sondern zunehmend Chips, Computer und Handys. China ist auf dem Weg zu einer Hightech-Nation, die bereits Astronauten ins Weltall schicken kann und sich anschickt, in der Biotechnologie führend zu sein."
Bereits heute ist China das viertgrößte Produktionsland der Welt – hinter den Vereinigten Staaten, Japan und Deutschland, und es steht bereits auf dem Sprung, die beiden Letzteren zu überholen. Bislang kommen aus Chinas Fabriken sieben Prozent der Weltproduktion, und bei der Unternehmensberatung McKinsey hält man es für wahrscheinlich, dass dieser Anteil in den nächsten zwei Jahrzehnten auf 25 Prozent steigt – eine Verschiebung, die dramatische Folgen für den Rest der Welt nach sich ziehen könnte, wie die schleichende Deindustrialisierung zeigt, die bereits jetzt in den alten Industrieländern in Gang gekommen ist. Ganze Industrien verschwinden mittlerweile aus den USA, Japan und Europa in Richtung China: Textil, Stahl und Werften, die Autoindustrie und die Computerbranche folgen. Und mit der Industrie gehen die Arbeitsplätze verloren. Es ist ein Vorzug dieses Werkes, dass es sich nicht darauf beschränkt, den Aufstieg einer neuen Supermacht zu beschreiben, sondern gleichzeitig auf die Folgen dieses Umbruchs aufmerksam zu machen. Zitat:
"Viele Politiker und Wissenschaftler glauben immer noch, mit ein paar Reformen und Reförmchen am Arbeitsmarkt den Exodus verhindern zu können. Doch das wird ihnen nicht gelingen, denn zu eklatant ist das Lohngefälle zwischen Westeuropa und Fernost. Dieser Umstand lässt sich mit ein paar Gesetzen – weder mit Hartz IV noch mit Hartz VIII wegreformieren. Immer mehr Unternehmen werden deshalb ihre Produktion und Entwicklung verlagern."
Für den Autor Wolfgang Hirn addiert sich alles zu einer düsteren Vision, weil in Zukunft vielleicht gerade noch die Konzernzentralen ihren Sitz in Europa haben werden, sich aber ihre Fabriken, ihre Forschungslabors und mit ihnen die Arbeitsplätze zum größten Teil außerhalb des Landes befinden. Diese Vision ist umso düsterer, als es der Autor unterlässt, sich Gedanken über Gegenstrategien zu machen, darüber wie es den alten Industrieländern gelingen könnte, den von ihm prophezeiten Zusammenbruch zu verhindern. Oder ist der Kollaps für den China-Kenner Hirn, für den im dritten Jahrtausend nach Christus das chinesische Zeitalter begonnen hat, unvermeidlich? Ist der Aufstieg Chinas zur Weltmacht längst vorgezeichnet? Der Leser kann die Antwort erahnen, wenn er liest:
"Das bilaterale Verhältnis zwischen den USA und China wird sicher das wichtigste weltpolitische Ereignis in den kommenden Jahrzehnten sein. Die entscheidende Frage ist: Wird es ein friedliches Nebeneinander sein oder ein kriegerisches Gegeneinander? Die Zeiten des überwiegend stummen Beobachters der Weltpolitik sind vorbei. China wird seine Interessen stärker artikulieren und durchsetzen und seinen Einfluss vor der Haustüre in Asien, aber auch im Hinterhof der USA verstärken."
Wolfgang Hirn liefert mit seinem Buch also nicht nur eine packende, journalistisch sorgfältig recherchierte Beschreibung des wirtschaftlichen Aufstiegs Chinas, sein Buch ist auch ein dringlicher Appell an die Leser, die aus diesem Aufstieg resultierenden weltpolitischen Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen – ein Appell vor allem an jene, die das Erwachen des chinesischen Drachens heute noch unterschätzen.
Eine Rezension von Rainer Bittermann. "Herausforderung China" heißt das Buch von Wolfgang Hirn, erschienen bei S. Fischer. Es umfasst 255 Seiten und kostet 14 Euro 90.
"Schon heute zeichnet sich ab, dass China zur Fabrik der Welt wird. Mit seinem nahezu unerschöpflichen Reservoir an billigen Arbeitskräften lockt das Riesenreich immer mehr ausländische Firmen an, die von dort den großen heimischen Markt, aber auch zunehmend die Weltmärkte beliefern. Die Verlagerung von Produktion und Arbeitsplätzen wird deshalb weiter zunehmen – zu Lasten der USA, Japans und Europas, deren Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit unaufhaltsam voranschreiten."
Damit ist die Situation eindrucksvoll beschrieben: China bietet den alten Industrieländern gewaltige Chancen – als Lieferant, als Abnehmer und als Industriestandort. Wer als Unternehmer den immensen Absatzmarkt nutzen will, wer kostengünstig produzieren und kostengünstig einkaufen will, muss in China präsent sein. Der Autor räumt dabei mit der Vorstellung auf, bei China handele es sich immer noch nur um ein aufstrebendes Entwicklungsland. Für den Verfasser ist China längst auf dem Weg, zur Produktionsstätte der Welt zu werden:
"Es sind eben nicht nur Schuhe und Textilien, die dort massenhaft hergestellt werden, sondern zunehmend Chips, Computer und Handys. China ist auf dem Weg zu einer Hightech-Nation, die bereits Astronauten ins Weltall schicken kann und sich anschickt, in der Biotechnologie führend zu sein."
Bereits heute ist China das viertgrößte Produktionsland der Welt – hinter den Vereinigten Staaten, Japan und Deutschland, und es steht bereits auf dem Sprung, die beiden Letzteren zu überholen. Bislang kommen aus Chinas Fabriken sieben Prozent der Weltproduktion, und bei der Unternehmensberatung McKinsey hält man es für wahrscheinlich, dass dieser Anteil in den nächsten zwei Jahrzehnten auf 25 Prozent steigt – eine Verschiebung, die dramatische Folgen für den Rest der Welt nach sich ziehen könnte, wie die schleichende Deindustrialisierung zeigt, die bereits jetzt in den alten Industrieländern in Gang gekommen ist. Ganze Industrien verschwinden mittlerweile aus den USA, Japan und Europa in Richtung China: Textil, Stahl und Werften, die Autoindustrie und die Computerbranche folgen. Und mit der Industrie gehen die Arbeitsplätze verloren. Es ist ein Vorzug dieses Werkes, dass es sich nicht darauf beschränkt, den Aufstieg einer neuen Supermacht zu beschreiben, sondern gleichzeitig auf die Folgen dieses Umbruchs aufmerksam zu machen. Zitat:
"Viele Politiker und Wissenschaftler glauben immer noch, mit ein paar Reformen und Reförmchen am Arbeitsmarkt den Exodus verhindern zu können. Doch das wird ihnen nicht gelingen, denn zu eklatant ist das Lohngefälle zwischen Westeuropa und Fernost. Dieser Umstand lässt sich mit ein paar Gesetzen – weder mit Hartz IV noch mit Hartz VIII wegreformieren. Immer mehr Unternehmen werden deshalb ihre Produktion und Entwicklung verlagern."
Für den Autor Wolfgang Hirn addiert sich alles zu einer düsteren Vision, weil in Zukunft vielleicht gerade noch die Konzernzentralen ihren Sitz in Europa haben werden, sich aber ihre Fabriken, ihre Forschungslabors und mit ihnen die Arbeitsplätze zum größten Teil außerhalb des Landes befinden. Diese Vision ist umso düsterer, als es der Autor unterlässt, sich Gedanken über Gegenstrategien zu machen, darüber wie es den alten Industrieländern gelingen könnte, den von ihm prophezeiten Zusammenbruch zu verhindern. Oder ist der Kollaps für den China-Kenner Hirn, für den im dritten Jahrtausend nach Christus das chinesische Zeitalter begonnen hat, unvermeidlich? Ist der Aufstieg Chinas zur Weltmacht längst vorgezeichnet? Der Leser kann die Antwort erahnen, wenn er liest:
"Das bilaterale Verhältnis zwischen den USA und China wird sicher das wichtigste weltpolitische Ereignis in den kommenden Jahrzehnten sein. Die entscheidende Frage ist: Wird es ein friedliches Nebeneinander sein oder ein kriegerisches Gegeneinander? Die Zeiten des überwiegend stummen Beobachters der Weltpolitik sind vorbei. China wird seine Interessen stärker artikulieren und durchsetzen und seinen Einfluss vor der Haustüre in Asien, aber auch im Hinterhof der USA verstärken."
Wolfgang Hirn liefert mit seinem Buch also nicht nur eine packende, journalistisch sorgfältig recherchierte Beschreibung des wirtschaftlichen Aufstiegs Chinas, sein Buch ist auch ein dringlicher Appell an die Leser, die aus diesem Aufstieg resultierenden weltpolitischen Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen – ein Appell vor allem an jene, die das Erwachen des chinesischen Drachens heute noch unterschätzen.
Eine Rezension von Rainer Bittermann. "Herausforderung China" heißt das Buch von Wolfgang Hirn, erschienen bei S. Fischer. Es umfasst 255 Seiten und kostet 14 Euro 90.