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Wolkenjagd per Hubschrauber

Meteorologen befassen sich nicht nur damit, wann es regnet, sondern auch mit der Frage: Warum regnet es? Die Vorgänge in den Wolken gehören noch immer zu den großen Himmelsrätseln. Das Institut für Troposphärenforschung Leipzig ist den Wolken nun auf neue Art zu Leibe gerückt - mit Hubschraubern.

Von Hartmut Schade | 25.05.2005
    "Schauen sie einmal raus", sagt Holger Siebert plötzlich und zeigt durch die gläsernen Außenwände seines Büros gen Himmel:

    " Wenn man mal hinausguckt, dann sind Wolken unheimlich faszinierende Objekte, aber es steckt zum großen Teil noch in den Anfängen. Kleinskalige Turbulenzmessungen in Wolken gibt es nicht viele, das macht die Sache reizvoll."

    Kleinskalige Turbulenzmessungen - dahinter verbergen sich Luftströmungen, Wirbel, Auf- und Abwinde, die sich Augen und herkömmlichen Messungen entziehen, weil sie in den Wolken stattfinden. Doch diese Luftströmungen entscheiden, ob die Wolken harmlose weiße Schäfchenwolken bleiben, so wie sie jetzt über Sieberts Büro schweben, oder ob aus ihnen dunkle Regenwolken werden.

    "Mit der Dynamik ist es dann so, dass die Tröpfchen - wir sagen - modifiziert werden. Das heißt, wenn sie in so einer Wolken aufsteigen, dann können sie mit anderen Tropfen zusammenstoßen, größere Tropfen bilden und irgendwann ist es so weit, dass so große Tropfen entstehen, die dann auch als Niederschlag von Himmel fallen können. "

    Bislang schickten die Meteorologen Forschungsflugzeuge durch die Wolken oder ließen Fesselballons aufsteigen, um zu sehen, was in den Wolken passiert. Doch die Flugzeuge durchfliegen die Wolken so schnell, dass die Wissenschaftler nur wenige Daten bekommen. Und bei den Fesselballons gehört schon eine tüchtige Portion Glück dazu, sie so genau am Himmel zu platzieren, dass die Wolke sie trifft. Außerdem steigen sie nicht viel höher als 1500 Meter. Die Wolkenobergrenze liegt oft bei 3000 Metern und entzieht sich den Blicken der Forscher. Die Leipziger Troposphärenforscher kamen nun auf eine Idee, wie sie in aller Ruhe in die Wolken hineinzuschauen könnten: Mit einem Hubschrauber schweben sie langsam über die Wolken hinweg und lassen die an einem 150 Meter langem Seil hängende Messestation in diese abtauchen.

    " Wir messen alle Richtungen des Windes mit 100 Messungen pro Sekunde. Wir messen die Temperatur in den Wolken zum Teil noch schneller. Die Feuchte wird gemessen. Zusätzlich werden aber auch die Wolkenparameter gemessen, das heißt der Flüssigwassergehalt, wie viel flüssiges Wasser pro Kubikmeter befindet sich wirklich in einer Wolke. Es werden wirklich einzelne Wolkentropfen vermessen, so dass wir die Größe der Tropfen und die Geschwindigkeit bestimmen können. Dabei konnten wir zum ersten Mal sehen, dass es durchaus recht große Tropfen, zum Teil zehn Tropfen pro Kubikzentimeter, also verglichen mit der normalen Konzentration sehr wenige, gegeben hat, die aber zum Teil bis zu 20 oder 25 Mikrometer Größe aufzuweisen hatten in einigen Wolken, aus denen später Regen gefallen ist."

    Mit einer Genauigkeit von zehn Zentimetern können die Leipziger nun das Geschehen in den Wolken beschreiben und vorhersagen - ein Quantensprung in der Wolkenforschung. Aber auch das ist noch viel zu ungenau, denn die entscheidenden Prozesse der Tropfenbildung spielen sich im Mikrometerbereich ab. An derart präzisen Messgeräten arbeiten die Wissenschaftler noch. Der Wolkenjagd per Hubschrauber gehört dennoch die Zukunft, glaubt Holger Siebert. Denn die Forscher können so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Während sie in den Wolken messen, können die Wolken von oben, vom Hubschrauber aus mit einem Lidar abgetastet werden:

    " Das ist ein Radar, nur auf Laserbasis, und damit kann man auch die Struktur der Wolke vermessen. Man bekommt Informationen über die Wolkentropfenzusammensetzung und so weiter. Das ist ein System, was auch später aus Satelliten eingesetzt werden soll."

    Dank der Doppelmessung können die Wissenschaftler die Daten des Lidar besser deuten, denn sein Licht dringt nur einige Dutzend Meter in eine Wolke ein. Das könnte entscheidend sein, um eine Schwachstelle der gegenwärtigen Wetterprognosen zu beseitigen, hofft Meteorologe Holger Siebert:

    " Wenn man sich Entwicklung der Wettervorhersage in den letzten Jahrzehnten anschaut, ist eigentlich die Vorhersage in allen Bereichen verbessert wurde, sei es die Wind- oder Temperaturvorhersage. Nur bei Niederschlagsvorhersage hat sich in den letzten 10, 20 Jahren nichts getan, und das lag daran, dass die Niederschlagsbildung nicht verstanden ist."

    Ob die Forscher erfolgreich sind, das kann in diesem Fall jeder selbst überprüfen.