Works for Lute Harpsichord - Werke für das Lautenklavier
Am Mikrofon begrüßt Sie Norbert Ely. Ich heiße Sie herzlich willkommen in den Gefilden des europäischen Barock und Spätbarock. Es wird um drei neue CDs gehen, denen man mit durchaus unterschiedlichen Empfindungen begegnen kann. Allen ist gemeinsam, daß sie auf der Suche nach dem Originalklang sind. Eine stellt eine Besonderheit dar: Da treten der Flötist Marc Hantaï, der Gambist Jérôme Hantaï und der Cembalist Pierre Hantaï als Familienbanda in Sachen Bach auf. * Musikbeispiel: J. S. Bach - Triosonate für Flöte, Viola da Gamba und b.c. G-dur BWV 1027 2.Satz.Allegro ma non presto "Johann Sebastian Bach - Sonates pour flûte" heißt diese Virgin-Veritas-CD, die den Flötisten Marc Hantai in den Mittelpunkt rückt. Marc Hantai ist in der Szene der historischen Aufführungspraxis kein Unbekannter. Er gehört zum Beispiel auch zum Ensemble des fabelhaften Wiener Gambisten Lorenz Duftschmid. Er hat in Paris und dann bei Barthold Kuijken in Brüssel den Umgang mit der weitgehend klappenlosen barocken Traversflöte erlernt, er beherrscht das Vokabular dieser Art von Musik mit einiger Virtuosität. Manchmal allerdings weiß man nicht recht, warum er spielt, außer deswegen, weil die Flöte nun einmal ein wirklich schönes Instrument ist. Marc Hantai hat für diese CD neben der Triosonate G-dur die beiden Sonaten h-moll und A-dur für Flöte und Cembalo von Bach aufgenommen und auch die Partita für Flöte allein in a-moll BWV 1013. Das ist ein elend schweres Stück. Bach nahm bei der Komposition schier gar keine Rücksicht darauf, daß ein Flötist auch einmal Luft holen muß. Bei Marc Hantai hört man, wie schwer diese Partita ist. Er begreift die Atemführung nicht als dramatisches Moment der Partita, sondern als zusätzliche Mühewaltung, die einer schlackenlosen Realisation entgegensteht. Ohnehin neigt er nicht zum musikalischen Drama, sondern zu einer gewissermaßen interesselosen Vornehmheit, und prompt spielt er gern und häufig jene winzige Spur zu tief, die beim empfindlichen Hörer eine leichte Neigung zur Depression weckt. Haydn wurde einmal gefragt, ob es etwas Schlimmeres im Orchester gebe als eine Flöte. Haydns Antwort: Ja, zwei Flöten. Hier ist es wirklich nur eine, und dazu ganz allein. * Musikbeispiel: J.S.Bach - Partita für Flöte solo a-moll BWV 1013, 3.Satz. Sarabande Marc Hantai mit der Sarabande aus der Partita für Flöte solo Werkverzeichnis 1013 von J.S.Bach, zu hören auf der neuen Virgin-CD "J.S.Bach - Sonates pour flûte". Ebenso wie der Flötist Marc Hantai neigt der Gambist Jérôme Hantai zu einer gewissen vornehmen Zurückhaltung. Der Ausdruckswille eine Lorenz Duftschmid, die Wildheit eines Jordi Savall sind seine Sache nicht. Und wenn man ihm länger konzentriert lauscht, könnte man zu dem Schluß kommen, am französischen Hof des Barock habe man sich durch Zellteilung vermehrt und so etwas wie gefährliche Liebschaften seien pure Erfindung. Trotzdem ist die Virgin-CD, die er zusammen mit der japanischen Gambistin Kaori Uemura vorgelegt hat, nicht uninteressant. Zwei Gamben im tête-à-tête können schon einen ganzen Kosmos der musikalischen Beziehungen durchschreiten. Der Obertonreichtum kompensiert die pure Zweistimmigkeit; es entstehen aufregende Klangwelten, vor allem in den Werken des Monsieur de Sainte-Colombe und des Francois Couperin, die sich auf dieser CD "Pièces pour deux Basses de Viole" finden. Eine Trouvaille ist ein Duett in d-moll von Christoph Schaffrath, das wohl für die Kammermusik am Hof Friedrichs II. Von Preußen bestimmt war. Es steht an der Schwelle zwischen Barock und früher Klassik, weist bereits die Satzfolge der klassischen Sonate auf und bezeugt, wie hoffnungslos rückständig die Herrschaften um den großen Friedrich waren. Gambenmusik um die Mitte des 18.Jahrhunderts - das war wohl doch nur möglich am Hofe eines Herrschers, der noch in den Massenschlachten des siebenjährigen Krieges gelegentlich einen kunstvollen Racine'schen Alexandriner auf den Lippen hatte. Dennoch: Man freut sich an der Frische dieser Musik. Die alten Kniegeigen klingen ausgesprochen munter. * Musikbeispiel: Chr.Schaffrath - Duetto d-moll für zwei Viole da Gamba, 3.Satz. Soweit Jérôme Hantai und Kaori Uemura, beide Viola da Gamba, mit dem Finalsatz aus dem Duett d-moll für zwei Gamben von Christoph Schaffrath. Zeichnen sich die beiden bisher besprochenen Virgin-CDs durch eine gewisse akademische Zurückhaltung aus, so birst die dritte Scheibe, die ich Ihnen heute morgen vorstellen möchte, vor Einfallsreichtum und Fantasie. Der Freiburger Cembalist Robert Hill hat Bach'sche Musik für das Lautenwerk eingespielt. Die CD ist bei Hänssler erschienen und trägt die Überschrift "Works for Lute Harpsichord - Werke für das Lautenklavier". Das Lautenklavier war bislang so etwas wie der weiße Elefant der barocken Klaviermusik. Immer wieder wird es in der Literatur erwähnt; aber es war kein Instrument erhalten. Nun hat der amerikanische Instrumentenbauer Keith Hill für Robert Hill ein solches Klavier gebaut, und er tat es auf die bestmögliche Weise, nämlich mit Phantasie und Erfindungsgeist. Das Lautenklavier von Hill ist einem einmanualigen Cembalo sehr ähnlich, doch nicht mit Metall-, sondern mit Darmseiten bespannt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, über eine mechanische Vorrichtung die Position der Springer, mit denen die Saiten angerissen werden, zu verändern und damit andere, überraschende Klangfarben zu erzeugen, ganz wie dies, und noch viel differenzierter, der Lautenist und der Gitarrist vermögen. Robert Hill konzentriert sich bei seiner CD auf Werke von Johann Sebastian Bach, die ausdrücklich oder vermutlich für die Laute oder das Lautenklavier geschrieben wurden. Aber der Farbreichtum, den er erschließt, macht Lust auf mehr. Der Dirigent George Szell, ein hochvirtuoser Pianist romantischer Provenienz, äußerte ja einmal über die Cembali der 1950er Jahre verächtlich, sie klängen so, als trieben es zwei Gerippe auf einem Blechdach miteinander. Davon abgesehen, daß heutige, am historischen Vorbild orientierte Cembali wunderbare Klangwelten erschließen - dieses von Robert Hill gespielte Lautenklavier ist noch eine Dimension für sich. Sarabande und Gigue aus der Suite f-moll BWV 823 * Musikbeispiel: J.S.Bach - Suite f-moll BWV 823, 2.Satz. Sarabande(Ausschnitt), 3.Satz. Gigue Das war Die neue Platte. Heute informierten wir Sie über die CD der Hänssler-Classic-Edition "Werke für das Lautenklavier" mit dem Cembalisten Robert Hill, sowie über zwei Neuerscheinungen der Firma Virgin, "J.S. Bach - Sonates pour flûte (Sonaten für Flöte)" und "Pièces pour deux basses de viole (Stücke für zwei Gamben)". Am Mikrofon bedankt sich Norbert Ely für Ihre Aufmerksamkeit.