Auch die berühmteste Lücke der deutschen Architekturgeschichte wäre uns im neuen Jahr bedeutend lieber, wenn wir nichts mehr von ihr hörten. Denn es handelt sich zwar um ein hauptstädtisches Loch, aber eben doch ein Loch, und insofern ein großes Nichts. Der Lärm um dieses Nichts mit Namen Stadtschloss ist dem Radau um abgängige Bilder äußerst ähnlich. Empörung und Verklärung dampfen in den Zeitungsspalten, und für ekstatische Appelle zum sofortigen Stadtschlosswiederaufbau ist jede Radiominute gut. Nur das Fernsehen erweist sich in diesem einen Sonderfall als das vernünftigere Medium; es hält sich bei der Großen Berliner Stadtschlossdebatte ein wenig zurück, denn wo nichts ist, kann man auch nichts zeigen, das Nichts ist einfach wenig fotogen.
Die kulturelle Phänomenologie der Löcher wird allerdings erst vollständig durch jene übergeordneten Manifestationen des Nichts, die immer dann für Schlagzeilen sorgen, wenn andere Formen der Nichtigkeit gerade nicht im Schwange sind. Wenn sich das Stadtschloss- und Beutekunst-Geheul erschöpft hat, dann ist es nämlich an der Zeit, die Mutter aller Lücken zu beklagen. Sie ist, da Löcher Logik und Methode haben, gewissermaßen das für alles zu behaftende Ur-Loch, das Loch, aus dem Nichts erst kroch. Man möge uns aber einmal für ein Jahr von weiteren Berichten über dieses Loch, das da Finanzloch heißt, verschonen. Gewiss, das Fehlen des Finanzlochs würde im Feuilleton enorme Lücken reißen; besonders aus Berlin, der Stadt der unzähligen Löcher, architektonischen und anthropomorphen, gäbe es fast nichts Erwähnenswertes mehr zu melden. Allein, es gibt noch eine vage Hoffnung, dass nach längerem radikalen Fortfall des Nichts plötzlich wieder ein Etwas im Blickfeld der verzweifelt Suchenden auftaucht. Erst eins, dann zwei, dann viele Etwasse: Es wäre der Beginn von so etwas wie Kultur.
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