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Würzburger Chemiker entwickeln Aroma-Datenbank

Mal ist es gepanschter Wein, dann wieder mit Wasser gestreckter Kochschinken oder Pistazieneis, das gar keine Pistazien enthält - immer wieder machen Meldungen über Pfusch bei Lebensmitteln die Runde. Nicht immer ist dieser Pfusch bei Nahrungsmitteln für den Verbraucher gesundheitsgefährdend, sondern fällt unter die Rubrik Betrug oder Vorspiegelung falscher Tatsachen. Aber das ist ärgerlich genug und erschüttert immer wieder das Vertrauen in die Qualität von Lebensmitteln. Der Grund für diese Pfuscherei liegt auf der Hand: es geht um Geld. Die Produzenten versuchen mit möglichst billigen Zutaten den Preis für ihr Produkt zu drücken und damit mehr Marktanteile zu gewinnen. Auch bei der Zugabe von Aromastoffen wird gepfuscht aus dem eben genannten Grund - doch dieser Betrug könnte bald ein Ende haben. Denn Würzburger Lebensmittelchemiker wollen jetzt mit einer "Aroma-Datenbank" falschen Angaben auf Lebensmittelverpackungen auf die Schliche kommen. Wie diese Datenbank funktioniert, dieser Frage ist Christoph Kersting nachgegangen.

von Christoph Kersting | 25.02.2002
    Mal ist es gepanschter Wein, dann wieder mit Wasser gestreckter Kochschinken oder Pistazieneis, das gar keine Pistazien enthält - immer wieder machen Meldungen über Pfusch bei Lebensmitteln die Runde. Nicht immer ist dieser Pfusch bei Nahrungsmitteln für den Verbraucher gesundheitsgefährdend, sondern fällt unter die Rubrik Betrug oder Vorspiegelung falscher Tatsachen. Aber das ist ärgerlich genug und erschüttert immer wieder das Vertrauen in die Qualität von Lebensmitteln. Der Grund für diese Pfuscherei liegt auf der Hand: es geht um Geld. Die Produzenten versuchen mit möglichst billigen Zutaten den Preis für ihr Produkt zu drücken und damit mehr Marktanteile zu gewinnen. Auch bei der Zugabe von Aromastoffen wird gepfuscht aus dem eben genannten Grund - doch dieser Betrug könnte bald ein Ende haben. Denn Würzburger Lebensmittelchemiker wollen jetzt mit einer "Aroma-Datenbank" falschen Angaben auf Lebensmittelverpackungen auf die Schliche kommen. Wie diese Datenbank funktioniert, dieser Frage ist Christoph Kersting nachgegangen.

    Während die Erdbeermarmelade erst durch natürliche Aromastoffe so richtig fruchtig wird, setzt der Hersteller eines Bananen-Joghurts auf naturidentisches Aroma. Beide Angaben finden sich auf der Verpackung, so, wie es der Gesetzgeber vorschreibt. Der Unterschied: Beim natürlichen Aromastoff handelt es sich um das Original, das so auch in der Natur vorkommt - naturidentisch dagegen bedeutet: hier hat der Hersteller einem synthetischen Double den Vorzug gegeben. Das hat häufig einen einfachen Grund: Die chemische Kopie eines natürlichen Aromas kann wesentlich billiger sein als das Vorbild aus der Natur, weiß auch der Würzburger Lebensmittelchemiker Peter Schreier. Da sei die Versuchung groß, das billigere Kunst-Aroma einfach als natürliches auszuweisen:

    "Der Anreiz kann je nach Produkt sehr hoch sein, möglich sind Variationsbreiten von etwa 10 bis 1000-fach zwischen der chemischen Synthese und dem Naturstoff. Unter dieser Situation leidet potenziell der Hersteller, der ja auch wieder von irgendeinem Hersteller abhängig ist und natürlich auch die Kontrolle braucht, so wie im Endeffekt der Verbraucher, der dann möglicherweise ein falsch deklariertes Produkt in die Hand bekommt und dafür mehr Geld bezahlt als erforderlich."

    Mit einer neuartigen, so genannten Multielement-Methode will Schreier nun falschen Hersteller-Angaben auf die Schliche kommen. Dabei geht es nicht nur um Aromastoffe, sondern auch die Herkunft und Reinheit der Produkte. Kommt der Honig tatsächlich aus Afrika, und nicht vielleicht doch aus Deutschland, und enthält der Orangensaft wirklich 100 % Frucht?

    "Der Vorteil der Methode liegt in der Tat darin, dass man direkt aus dem Lebensmittel einen Zugang zur Analyse hat, bisher war es immer notwendig, die Einzelstoffe zu isolieren, dann in eine Reinstform zu bringen und dann dem Analysesystem zuzuführen, das ist mit dieser Methode jetzt hinfällig geworden. Man hat also einen recht raschen Zugang."

    Um einen möglichen Aroma-Pfusch ans Licht zu bringen, untersuchen die Würzburger Chemiker die verschiednen Atomsorten, auch Isotopen genannt, der Elemente Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff. Während die chemische Zusammensetzung von künstlichem und natürlichem Aroma nämlich identisch ist, unterscheiden sich aber deren Isotopenverhältnisse. Im Labor lässt sich dann schnell klären, ob das Isotopenverhältnis eines angeblich natürlichen Aromastoffs wirklich so ist, wie es sein sollte. Peter Schreier:

    "Man kann also auf dieser Basis, wenn man eine ausreichende Information von authentischem Material hat, dann Rückschlüsse ziehen auf das Produkt, also ähnlich wie in der Kriminalistik: Fingerabdruck und Kontrolle des Fingerabdrucks."

    Die Fingerabdrücke der wichtigsten künstlichen Aromastoffe und ihrer natürlichen Entsprechungen sammeln die Forscher zur Zeit in einer Aroma-Datenbank, um künftig Lebensmittel möglichst schnell auf falsche Hersteller-Angaben hin zu untersuchen. Dass das Ganze funktioniert, konnten Schreier und sein Team erst kürzlich bei der Untersuchung von Guarana-Pulver unter Beweis stellen. Der aus einer brasilianischen Liane gewonnene Stoff enthält viel Coffein und wird deshalb oft Energy-Drinks zugegeben. Mit ihrer neuen Methode deckten die Chemiker jedoch auf, dass so manchem Hersteller des Power-Pulvers der Weg in den brasilianischen Urwald wohl doch zu weit war.

    "Wir haben im Wesentlichen Produkte aus Guarana untersucht, also nicht die Fertigprodukte, sondern die Zwischenprodukte des Handels, die dann doch zu einem Drittel nicht korrekt hergestellt worden sind, also aus Synthese-Coffein."