Heinlein: Am Telefon ist nun der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, CDU. Herr Wulff, Neuwahlen bereits in diesem Herbst, sind Sie einverstanden?
Wulff: Absolut. Das hätte eine unselige Situation gegeben, einfach abzuwarten, bis der Wechsel in Deutschland stattfinden kann. Es ist immer gut, wenn es die Chance zu einem Neuanfang gibt, und zwar im Inhalt der Politik in Berlin, als auch dem Stil nach.
Heinlein: Wie kann der Stil der Neuwahlen aussehen? Wie soll der Weg aussehen nach Ihrer Einschätzung?
Wulff: Da ist jetzt der Bundeskanzler gefordert, aber die Vertrauensfrage, ohne ausreichende Mehrheit, dann die Auflösung des Parlamentes und die Ansetzung von Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen, das dürfte der richtige Weg nach der Verfassung sein. Und tatsächlich hat ja auch der Kanzler gar keine Mehrheit mehr, ihm fliegt der Laden auseinander. Wenn man heute Vormittag Frau Skarpelis-Sperk hört, dann ist offensichtlich, dass Franz Müntefering dem Kanzler gestern Nachmittag mitgeteilt hat, das die Linke der SPD-Fraktion die Revolte sucht, das Wahlergebnis in NRW zum Anlass nimmt einen Kurswechsel zu fordern und das allerdings hätte dann den totalen Gesichtsverlust des Kanzlers, der Bundesregierung bedeutet und da ist man dann in die Offensive gegangen. Das hat sich, glaube ich, gestern Nachmittag ganz spontan ergeben, auf Druck von Franz Müntefering jetzt diese Neuwahlen anzusetzen und jetzt freuen wir uns darauf, die Auseinandersetzung zu suchen.
Heinlein: Mit wem werden Sie in diese Auseinandersetzung an der Spitze gehen?
Wulff: Wenn der Kanzler sich Sonntag Nachmittags quasi umorientiert und all das nicht mehr zählt, was er wochenlang erzählt hat, NRW hätte keine Auswirkung auf Berlin, dann werden wir uns einige Tage nehmen dürfen, um ordnungsgemäß die Gremien von beiden Parteien, wir sind ja zwei Schwesterparteien, angemessen demokratisch zu beteiligen und das eben am nächst Monatag in Berlin bei einer gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU entscheiden und jeder ahnt und weiß, wie die Entscheidung fallen wird, aber man sollte sie eben demokratisch wählen und man sollte vor allem den beiden Parteivorsitzenden, Angela Merkel und Edmund Stoiber, die Chance geben, ihren Vorschlag zu machen, zu Personal und Inhalt.
Heinlein: Sie wollen es heute hier nicht aussprechen, Angela Merkel wird Kanzlerkandidatin der Union?
Wulff: Ich denke, dass Sie mit Ihren Vermutungen sehr in der Realität liegen, aber wenn man den anderen den Vortritt lassen will, sollte man sich auch nicht zu dem Thema weiter einlassen.
Heinlein: Herr Wulff, Sie sind derzeit der beliebteste Politiker in Deutschland. Sind Sie nicht ein wenig traurig, dass ihre immense Popularität ungenutzt bleibt? Müssten nicht eigentlich Sie als Spitzenkandidat ins Rennen gehen?
Wulff: Ich denke, dass zu der Frage einer Spitzenkandidatur ganz viele Dinge gehören, die Erfahrung in Berlin, die Akzeptanz in der Fraktion, die eigene Willenskraft und die Entbehrlichkeit an anderer Stelle und aus vielen anderen Gründen, die man alle aufzählen könnte, dass mein Platz Hannover ist - ich bin gerade mal zwei Jahre Ministerpräsident, werde da wirklich einige Jahre gebraucht werden, um das Land Niedersachsen voran zu bringen und diese Form der Verlässlichkeit ist auch nicht das Schlechteste. Im Übrigen sind Umfragen vergänglich, die Wahlen werden am Wahltag entschieden. Es kann sich nächste Woche schon wieder anders darstellen. Also ich werde auf dem Teppich bleiben und alleine diese oder jene Befragung sollte man nicht zum Anlass einer solchen Entscheidung nehmen.
Heinlein: Kommen wir noch einmal zurück zur Ankündigung von Schröder und Müntefering gestern: Welches politisch, strategische Kalkül vermuten Sie denn hinter dieser überraschenden Ankündigung von Neuwahlen?
Wulff: Meine einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist die Erkenntnis von Franz Müntefering, dass ihm der eigene Laden auseinander fliegt, dass ihm die Linke abhanden kommt, dass es neue Parteigründungen am linken Rand der Sozialdemokratie gibt, dass es keine Kanzlermehrheit bei wichtigen Entscheidungen mehr gibt, dass man einfach handlungsunfähig ist und dann lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, so wird es Franz Müntefering gesagt haben, um die SPD neu zu sortieren. Man ist einfach gescheitert an der Ankündigung, die Arbeitslosigkeit nachhaltig zu senken und sich daran messen lassen zu wollen. Das ist den Sozialdemokraten nicht gelungen. Die sozialen Ungleichgewichte sind größer geworden, die Arbeitslosigkeit ist höher geworden, wir haben das geringste Wachstum in Europa. Das spüren die Menschen, sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft und sie wollen eine andere, entschlossenere Politik, eine andere Regierung, andere Personen, die als Vorbilder, als Vorreiter für Entwicklung taugen und das traut man Rot-Grün, ich denke völlig zu Recht, nicht mehr zu.
Heinlein: Wird es einen Lagerwahlkampf geben?
Wulff: Es wird einen Wahlkampf geben müssen um die Frage Ängste vor der Zukunft oder Zuversicht vor der Zukunft, mehr Eigenverantwortung oder mehr staatliche Gängelung, mehr Optimismus oder Abwicklung der Republik, weil man sich eh nichts mehr zutraut im Wettbewerb. Also es wird schon eine Gegenüberstellung geben müssen von dieser ganzen Angst- und Neid-Debatte der Sozialdemokraten zu einer Debatte, dass wir es packen können, dass wir es wissen wollen, dass wir im Wettbewerb bestehen wollen und das drückt die Union mit all dem Führungspersonal, das wir haben aus und das beweisen wir ja auch in den Bundesländern, wo wir regieren.
Heinlein: Stichwort Angst, die SPD wird aller Voraussicht nach in diesen Wahlkampf ziehen mit einer Art Angstkampagne gegen die Schwarze Republik und blickt man auf die Landkarte, so ist das in Tat ja so. Wie werden Sie auf diese Kampagne reagieren?
Wulff: Man kann nur durch kompetente Antworten, durch vertrauenserweckende Antworten, durch Verheißung für die Zukunft reagieren und ich empfehle jedem nachzulesen, wie damals gegen Ludwig Erhard, gegen seine Wirtschaftsreform, gegen seine Soziale Markwirtschaft, die Aufhebung der Preisbindung, die Währungsreform polemisiert wurde, das sei der endgültige Untergang Deutschlands, haben später angesehene Journalisten damals in ihren Block geschrieben und dann hat Ludwig Erhard gezeigt, es war genau richtig, diesen Weg zu gehen. Er hat nicht mehr Sorgen gebracht, sondern mehr Chancen, mehr Verteilungsspielräume. Es wurde mehr erwirtschaftet. Dieser Optimismus, dass man über Soziale Marktwirtschaft viel erreichen kann, der eint die ost- und mitteleuropäischen Länder, der eint die Länder, die jetzt zu Europa gehören, die Soziale Marktwirtschaft eingeführt haben und bei uns ist so ein Mehltau, der sich über das Land gelegt hat, mit staatlicher Gängelung, Bevormundung von der Bürokratie von der Wiege bis zu Bahre und davon müssen wir uns befreien. Und wenn wir die Auseinandersetzung verlieren, dann hat Deutschland im Wettbewerb die nächsten Jahre eh keine Chance. Also wir kommen gar nicht umhin, hier auch für Mehrheiten zu kämpfen und es wäre ja auch reizlos in einem Wahlkampf, wenn man nicht für Mehrheiten kämpfen müsste.
Heinlein: Aber das Stichwort "sozial", "Soziale Markwirtschaft" ist Ihnen wichtig und wird sich dann auch in den Konzepten, in den inhaltlichen Konzepten Ihrer Partei, wiederfinden?
Wulff: Wenn der Kuchen größer wird, wenn die Volkswirtschaft wächst, wenn es Wachstumsraten gibt, wenn es Anstieg von Nachfrage und Investition und Konsum gibt, dann gibt es auch mehr Verteilungsspielräume, ein höheres Maß an Gerechtigkeit, mehr Möglichkeiten für sozialen Ausgleich. Diese Seite der Sozialen Marktwirtschaft als der leistungsfähigsten Wirtschaftsordnung, die sich auf Eigentum, auf Wettbewerb, auf Aufrichtigkeit begründet, das muss wieder mehr deutlich gemacht werden. Über die Ethik des Wirtschaftens, über den Menschen im Mittelpunkt unserer Wirtschaftsordnung ist tatsächlich zu wenig diskutiert worden und das ist das Thema der Union, wir sind die Partei der Wirtschaftsethik.
Wulff: Absolut. Das hätte eine unselige Situation gegeben, einfach abzuwarten, bis der Wechsel in Deutschland stattfinden kann. Es ist immer gut, wenn es die Chance zu einem Neuanfang gibt, und zwar im Inhalt der Politik in Berlin, als auch dem Stil nach.
Heinlein: Wie kann der Stil der Neuwahlen aussehen? Wie soll der Weg aussehen nach Ihrer Einschätzung?
Wulff: Da ist jetzt der Bundeskanzler gefordert, aber die Vertrauensfrage, ohne ausreichende Mehrheit, dann die Auflösung des Parlamentes und die Ansetzung von Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen, das dürfte der richtige Weg nach der Verfassung sein. Und tatsächlich hat ja auch der Kanzler gar keine Mehrheit mehr, ihm fliegt der Laden auseinander. Wenn man heute Vormittag Frau Skarpelis-Sperk hört, dann ist offensichtlich, dass Franz Müntefering dem Kanzler gestern Nachmittag mitgeteilt hat, das die Linke der SPD-Fraktion die Revolte sucht, das Wahlergebnis in NRW zum Anlass nimmt einen Kurswechsel zu fordern und das allerdings hätte dann den totalen Gesichtsverlust des Kanzlers, der Bundesregierung bedeutet und da ist man dann in die Offensive gegangen. Das hat sich, glaube ich, gestern Nachmittag ganz spontan ergeben, auf Druck von Franz Müntefering jetzt diese Neuwahlen anzusetzen und jetzt freuen wir uns darauf, die Auseinandersetzung zu suchen.
Heinlein: Mit wem werden Sie in diese Auseinandersetzung an der Spitze gehen?
Wulff: Wenn der Kanzler sich Sonntag Nachmittags quasi umorientiert und all das nicht mehr zählt, was er wochenlang erzählt hat, NRW hätte keine Auswirkung auf Berlin, dann werden wir uns einige Tage nehmen dürfen, um ordnungsgemäß die Gremien von beiden Parteien, wir sind ja zwei Schwesterparteien, angemessen demokratisch zu beteiligen und das eben am nächst Monatag in Berlin bei einer gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU entscheiden und jeder ahnt und weiß, wie die Entscheidung fallen wird, aber man sollte sie eben demokratisch wählen und man sollte vor allem den beiden Parteivorsitzenden, Angela Merkel und Edmund Stoiber, die Chance geben, ihren Vorschlag zu machen, zu Personal und Inhalt.
Heinlein: Sie wollen es heute hier nicht aussprechen, Angela Merkel wird Kanzlerkandidatin der Union?
Wulff: Ich denke, dass Sie mit Ihren Vermutungen sehr in der Realität liegen, aber wenn man den anderen den Vortritt lassen will, sollte man sich auch nicht zu dem Thema weiter einlassen.
Heinlein: Herr Wulff, Sie sind derzeit der beliebteste Politiker in Deutschland. Sind Sie nicht ein wenig traurig, dass ihre immense Popularität ungenutzt bleibt? Müssten nicht eigentlich Sie als Spitzenkandidat ins Rennen gehen?
Wulff: Ich denke, dass zu der Frage einer Spitzenkandidatur ganz viele Dinge gehören, die Erfahrung in Berlin, die Akzeptanz in der Fraktion, die eigene Willenskraft und die Entbehrlichkeit an anderer Stelle und aus vielen anderen Gründen, die man alle aufzählen könnte, dass mein Platz Hannover ist - ich bin gerade mal zwei Jahre Ministerpräsident, werde da wirklich einige Jahre gebraucht werden, um das Land Niedersachsen voran zu bringen und diese Form der Verlässlichkeit ist auch nicht das Schlechteste. Im Übrigen sind Umfragen vergänglich, die Wahlen werden am Wahltag entschieden. Es kann sich nächste Woche schon wieder anders darstellen. Also ich werde auf dem Teppich bleiben und alleine diese oder jene Befragung sollte man nicht zum Anlass einer solchen Entscheidung nehmen.
Heinlein: Kommen wir noch einmal zurück zur Ankündigung von Schröder und Müntefering gestern: Welches politisch, strategische Kalkül vermuten Sie denn hinter dieser überraschenden Ankündigung von Neuwahlen?
Wulff: Meine einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist die Erkenntnis von Franz Müntefering, dass ihm der eigene Laden auseinander fliegt, dass ihm die Linke abhanden kommt, dass es neue Parteigründungen am linken Rand der Sozialdemokratie gibt, dass es keine Kanzlermehrheit bei wichtigen Entscheidungen mehr gibt, dass man einfach handlungsunfähig ist und dann lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, so wird es Franz Müntefering gesagt haben, um die SPD neu zu sortieren. Man ist einfach gescheitert an der Ankündigung, die Arbeitslosigkeit nachhaltig zu senken und sich daran messen lassen zu wollen. Das ist den Sozialdemokraten nicht gelungen. Die sozialen Ungleichgewichte sind größer geworden, die Arbeitslosigkeit ist höher geworden, wir haben das geringste Wachstum in Europa. Das spüren die Menschen, sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft und sie wollen eine andere, entschlossenere Politik, eine andere Regierung, andere Personen, die als Vorbilder, als Vorreiter für Entwicklung taugen und das traut man Rot-Grün, ich denke völlig zu Recht, nicht mehr zu.
Heinlein: Wird es einen Lagerwahlkampf geben?
Wulff: Es wird einen Wahlkampf geben müssen um die Frage Ängste vor der Zukunft oder Zuversicht vor der Zukunft, mehr Eigenverantwortung oder mehr staatliche Gängelung, mehr Optimismus oder Abwicklung der Republik, weil man sich eh nichts mehr zutraut im Wettbewerb. Also es wird schon eine Gegenüberstellung geben müssen von dieser ganzen Angst- und Neid-Debatte der Sozialdemokraten zu einer Debatte, dass wir es packen können, dass wir es wissen wollen, dass wir im Wettbewerb bestehen wollen und das drückt die Union mit all dem Führungspersonal, das wir haben aus und das beweisen wir ja auch in den Bundesländern, wo wir regieren.
Heinlein: Stichwort Angst, die SPD wird aller Voraussicht nach in diesen Wahlkampf ziehen mit einer Art Angstkampagne gegen die Schwarze Republik und blickt man auf die Landkarte, so ist das in Tat ja so. Wie werden Sie auf diese Kampagne reagieren?
Wulff: Man kann nur durch kompetente Antworten, durch vertrauenserweckende Antworten, durch Verheißung für die Zukunft reagieren und ich empfehle jedem nachzulesen, wie damals gegen Ludwig Erhard, gegen seine Wirtschaftsreform, gegen seine Soziale Markwirtschaft, die Aufhebung der Preisbindung, die Währungsreform polemisiert wurde, das sei der endgültige Untergang Deutschlands, haben später angesehene Journalisten damals in ihren Block geschrieben und dann hat Ludwig Erhard gezeigt, es war genau richtig, diesen Weg zu gehen. Er hat nicht mehr Sorgen gebracht, sondern mehr Chancen, mehr Verteilungsspielräume. Es wurde mehr erwirtschaftet. Dieser Optimismus, dass man über Soziale Marktwirtschaft viel erreichen kann, der eint die ost- und mitteleuropäischen Länder, der eint die Länder, die jetzt zu Europa gehören, die Soziale Marktwirtschaft eingeführt haben und bei uns ist so ein Mehltau, der sich über das Land gelegt hat, mit staatlicher Gängelung, Bevormundung von der Bürokratie von der Wiege bis zu Bahre und davon müssen wir uns befreien. Und wenn wir die Auseinandersetzung verlieren, dann hat Deutschland im Wettbewerb die nächsten Jahre eh keine Chance. Also wir kommen gar nicht umhin, hier auch für Mehrheiten zu kämpfen und es wäre ja auch reizlos in einem Wahlkampf, wenn man nicht für Mehrheiten kämpfen müsste.
Heinlein: Aber das Stichwort "sozial", "Soziale Markwirtschaft" ist Ihnen wichtig und wird sich dann auch in den Konzepten, in den inhaltlichen Konzepten Ihrer Partei, wiederfinden?
Wulff: Wenn der Kuchen größer wird, wenn die Volkswirtschaft wächst, wenn es Wachstumsraten gibt, wenn es Anstieg von Nachfrage und Investition und Konsum gibt, dann gibt es auch mehr Verteilungsspielräume, ein höheres Maß an Gerechtigkeit, mehr Möglichkeiten für sozialen Ausgleich. Diese Seite der Sozialen Marktwirtschaft als der leistungsfähigsten Wirtschaftsordnung, die sich auf Eigentum, auf Wettbewerb, auf Aufrichtigkeit begründet, das muss wieder mehr deutlich gemacht werden. Über die Ethik des Wirtschaftens, über den Menschen im Mittelpunkt unserer Wirtschaftsordnung ist tatsächlich zu wenig diskutiert worden und das ist das Thema der Union, wir sind die Partei der Wirtschaftsethik.
