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Wulff wird deutlich

Das hat Angela Merkel nun selber über sich gebracht. In der Sache liegt Bundespräsident Christian Wulff mit seiner Kritik am Euro-Krisenmanagement zwar nicht unbedingt richtig. So ist es durchaus noch lange nicht ausgemacht, ob sich die Europäische Union und die Bundesregierung mit ihren Rettungsaktionen für den Euro an der jungen Generation tatsächlich versündigen, wie Wulff behauptet.

Von Martin Winter |
    Es spricht immerhin einiges dafür, dass nur die Rettung Griechenlands und Portugals einen Zusammenbruch der Eurozone verhindert. Und der würde unkalkulierbare Risiken - und zwar sowohl wirtschaftliche als auch politische - für die Eurozone und damit auch für den Exportweltmeister Deutschland mit sich bringen. Das wäre keine Versündigung mehr an der jungen Generation, sondern das wäre die Zerstörung ihrer Zukunft.

    Wulffs überraschend deutliche Worte weisen aber auf den Kardinalfehler der Bundeskanzlerin hin. Sie hat es versäumt, ihre Politik gegen die Krise nachvollziehbar zu erklären. Das macht das Ausland nervös, aber auch die eigene Bevölkerung. Die allgemeine Begründung, dass ein Scheitern des Euro ein Scheitern der EU nach sich zieht, reicht nicht in einer Lage, in der den Steuerzahlern hohe Lasten aufgebürdet werden sollen für ferne Länder, die sich fahrlässig und manchmal mutwillig bis über die Ohren verschuldet haben.

    Der schwerste Fehler Merkels aber ist es, dass sie in dieser Krise viel zu oft viel zu lange gezögert hat. Zurückhaltung gegenüber den Partnern mag einer deutschen Regierung ja gut zu Gesicht stehen. Aber das wirkt in einer Zeit verheerend, in der Deutschland als der größte und wirtschaftlich stärkste Mitgliedsstaat, die Führungsrolle in der EU hätte an sich ziehen müssen. Das hat Berlin nicht getan. Nun fragen sich seine Partner und auch die Finanzmärkte irritiert, wohin die größte Volkswirtschaft Europas geht und wie sehr man sich auf ihre langfristige Politik verlassen kann. In Zeiten der Krise schauen nicht nur Menschen sondern auch Völker und Staaten auf jene, von denen sie hoffen, dass sie die Führung übernehmen. Merkel hat dies nicht bedacht.

    Deutschland ist damit zwar nicht so unberechenbar geworden, wie Merkels Vorgänger Helmut Kohl seiner ungeliebten Nachfolgerin nun vorwirft. Aber es ist seiner Verantwortung für das Gemeinschaftsunternehmen nicht gerecht geworden. Zugegeben, niemand, auch nicht der deutsche Bundespräsident, hat ein Patentrezept zur Bewältigung der Krise. Aber eines ist sicher: Mit finanztechnischen Tricks und mit einer willkürlichen Auslegung der europäischen Verträge lässt sie sich nicht bewältigen. Die Schuldenkrise ist nur auf dem Papier der Buchhalter eine Frage von Minuszahlen und ihrer Bewältigung. Tatsächlich ist sie eine politische Krise. Sie stellt die grundsätzliche Frage danach, wie die Partner miteinander umgehen. Merkel hat es verpasst, diesen großen europäischen Zusammenhang herzustellen. Da muss sie sich nicht wundern, wenn sich die innenpolitische Diskussion von populistischer Empörung beherrscht wird: Wie kommen wir dazu, diesen Griechen unser gutes Geld hinter her zu werfen? Der Bundespräsident hat es nicht ganz so platt ausgedrückt. Aber er hat es genauso gemeint. Und damit ebenfalls die Chance vertan, den deutschen Blick für die europäische Dimension unserer Zukunft zu öffnen.