Von Hellmuth Nordwig
Grundchemikalien nennt die chemische Industrie das runde Dutzend Substanzen, aus denen sie eine Vielzahl neuer Stoffe herstellt. Eine dieser Grundchemikalien heißt Styrol. Davon werden jedes Jahr 20 Millionen Tonnen hergestellt. Denn Styrol ist das Ausgangsmaterial für den Kunststoff Polystyrol und für viele andere Substanzen. Bei der Produktion von Styrol verwendet die Industrie einen Katalysator, eine Hilfssubstanz also, ohne welche die Reaktion nicht funktionieren würde. Der Katalysator für die Styrolherstellung ist Eisenoxid - jedenfalls waren die Chemiker bis vor kurzem davon überzeugt. Zu Unrecht, wie Robert Schlögl vom Fritz-Haber-Institut in Berlin herausgefunden hat. Denn die Reaktion funktioniert nur dort, wo das Eisenoxid mit Kohlenstoff bedeckt ist, und sie klappt sogar mit Hilfe von Kohlenstoff allein. Allerdings mit einer besonders wertvollen Variante davon.
Das ist Diamantstaub, der entsteht, wenn man Diamant aus Graphit mit der Sprengmethode herstellt. Es gibt verschiedene Fabriken vor allem in Russland, die das tun. Das ist ein schwarzes Material, sieht gar nicht aus wie Diamant, hat aber seine Struktur. Und dieses Material ist verfügbar in Mengen von 100 Gramm. Es ist sozusagen die Abfallasche von diesem Spreng-Diamantsyntheseprozess.
... sagt Robert Schlögl. Wenn er den Diamantstaub, der äußerlich von Dieselruß nicht zu unterscheiden ist, erhitzt, dann erhält er so genannte Kohlenstoff-Zwiebeln. Diese Partikel bestehen aus mehreren Schalen, und wie bei einer richtigen Zwiebel umschließt eine Kohlenstoffschale die nächste. In diesen Strukturen hat Robert Schlögl nun genau die Strukturelemente entdeckt, auf die es bei der Katalyse der Styrolherstellung ankommt. Schlögl:
In diesen Zwiebelkohlenstoffen findet sich die von uns identifizierte Defektstruktur in reiner Form, das heißt die maximale Dichte der aktiven Zentren erreicht man genau auf diesem Kohlenstoff. Das hat zwei wichtige Konsequenzen: Erstens wissen wir jetzt, dass wir mit unserer Hypothese, was der Katalysator ist, ziemlich richtig liegen. Und zweitens haben wir jetzt eine Zielstruktur, die wir synthetisch herstellen müssen. Aber mit Sprengen von Diamanten kann man das wohl nicht im Tonnenmaßstab machen. Da muss man sich was anderes einfallen lassen.
Welche Methode da am besten geeignet sein wird, ist derzeit noch nicht klar. Sicher ist jedoch: Eine starke Krümmung wie bei den fußballartigen Fullerenen ist ebenso unerwünscht wie völlig ebene Schichten. Denn die Katalyse klappt nur dort, wo die Schale ganz leicht gewölbt ist. Schlögl:
Genau diese Stellen braucht man, und die maximiert man dadurch, indem man die richtige Spannung in das System einbaut. Wenn man zuviel Spannung einbaut, gibt das einen geschlossenen Körper, das ist unbrauchbar; wenn man eine flache Oberfläche hat, gibt es gar keine solchen Zentren, außer das Ende der Probe. Und wenn man es eben ein bisschen spannt, gibt es viele Brüche in der Struktur, und genau das ist das, was wir wollen.
Für die Styrolherstellung haben sich die Kohlenstoffzwiebeln als sehr brauchbar erwiesen. Fast zwei Drittel des Ausgangsmaterials werden zum gewünschten Produkt umgesetzt; mit dem Eisenoxid-Katalysator ist es gerade einmal die Hälfte. Doch dieser Unterschied ist noch nicht der wichtigste Grund dafür, dass sich die Industrie vom Einsatz der Kohlenstoff-Zwiebeln einen wirtschaftlichen Vorteil verspricht. Schlögl:
Der Hauptnachteil des heutigen industriellen Verfahrens besteht darin, dass man auch diesen Eisenkatalysator nicht alleine betreiben kann, sondern einen zehnfachen Überschuss an Wasserdampf zusetzen muss. Um 20 Millionen Tonnen Styrol zu erzeugen, müssen sie also 200 Millionen Tonnen Wasserdampf erzeugen, den Sie eigentlich gar nicht haben wollen. Wenn man ausrechnet, wie viel Energie man braucht, um diesen Wasserdampf zu erzeugen, stellt man schnell fest, dass es außerordentlich nützlich wäre, auf den Wasserdampf verzichten zu können. Das ist das wichtigste Feature dieses Verfahrens: das geht ganz ohne Wasserdampf. Man kann ihn nicht nur reduzieren, sondern man kann sich die ganze Energie sparen, die man braucht, um diesen Wasserdampf zu erzeugen.
Dadurch lässt sich Styrol auch in kleineren Betrieben produzieren. So könnten viele Chemikalientransporte wegfallen - und damit natürlich deren Gefahrenpotenzial. Hätte Robert Schlögl nicht zufällig bemerkt, dass die Katalyse der Styrolherstellung eigentlich ganz anders abläuft, als man bisher dachte, wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Gerade Katalysevorgänge nehmen die Chemiker deshalb zurzeit besonders genau unter die Lupe.
Grundchemikalien nennt die chemische Industrie das runde Dutzend Substanzen, aus denen sie eine Vielzahl neuer Stoffe herstellt. Eine dieser Grundchemikalien heißt Styrol. Davon werden jedes Jahr 20 Millionen Tonnen hergestellt. Denn Styrol ist das Ausgangsmaterial für den Kunststoff Polystyrol und für viele andere Substanzen. Bei der Produktion von Styrol verwendet die Industrie einen Katalysator, eine Hilfssubstanz also, ohne welche die Reaktion nicht funktionieren würde. Der Katalysator für die Styrolherstellung ist Eisenoxid - jedenfalls waren die Chemiker bis vor kurzem davon überzeugt. Zu Unrecht, wie Robert Schlögl vom Fritz-Haber-Institut in Berlin herausgefunden hat. Denn die Reaktion funktioniert nur dort, wo das Eisenoxid mit Kohlenstoff bedeckt ist, und sie klappt sogar mit Hilfe von Kohlenstoff allein. Allerdings mit einer besonders wertvollen Variante davon.
Das ist Diamantstaub, der entsteht, wenn man Diamant aus Graphit mit der Sprengmethode herstellt. Es gibt verschiedene Fabriken vor allem in Russland, die das tun. Das ist ein schwarzes Material, sieht gar nicht aus wie Diamant, hat aber seine Struktur. Und dieses Material ist verfügbar in Mengen von 100 Gramm. Es ist sozusagen die Abfallasche von diesem Spreng-Diamantsyntheseprozess.
... sagt Robert Schlögl. Wenn er den Diamantstaub, der äußerlich von Dieselruß nicht zu unterscheiden ist, erhitzt, dann erhält er so genannte Kohlenstoff-Zwiebeln. Diese Partikel bestehen aus mehreren Schalen, und wie bei einer richtigen Zwiebel umschließt eine Kohlenstoffschale die nächste. In diesen Strukturen hat Robert Schlögl nun genau die Strukturelemente entdeckt, auf die es bei der Katalyse der Styrolherstellung ankommt. Schlögl:
In diesen Zwiebelkohlenstoffen findet sich die von uns identifizierte Defektstruktur in reiner Form, das heißt die maximale Dichte der aktiven Zentren erreicht man genau auf diesem Kohlenstoff. Das hat zwei wichtige Konsequenzen: Erstens wissen wir jetzt, dass wir mit unserer Hypothese, was der Katalysator ist, ziemlich richtig liegen. Und zweitens haben wir jetzt eine Zielstruktur, die wir synthetisch herstellen müssen. Aber mit Sprengen von Diamanten kann man das wohl nicht im Tonnenmaßstab machen. Da muss man sich was anderes einfallen lassen.
Welche Methode da am besten geeignet sein wird, ist derzeit noch nicht klar. Sicher ist jedoch: Eine starke Krümmung wie bei den fußballartigen Fullerenen ist ebenso unerwünscht wie völlig ebene Schichten. Denn die Katalyse klappt nur dort, wo die Schale ganz leicht gewölbt ist. Schlögl:
Genau diese Stellen braucht man, und die maximiert man dadurch, indem man die richtige Spannung in das System einbaut. Wenn man zuviel Spannung einbaut, gibt das einen geschlossenen Körper, das ist unbrauchbar; wenn man eine flache Oberfläche hat, gibt es gar keine solchen Zentren, außer das Ende der Probe. Und wenn man es eben ein bisschen spannt, gibt es viele Brüche in der Struktur, und genau das ist das, was wir wollen.
Für die Styrolherstellung haben sich die Kohlenstoffzwiebeln als sehr brauchbar erwiesen. Fast zwei Drittel des Ausgangsmaterials werden zum gewünschten Produkt umgesetzt; mit dem Eisenoxid-Katalysator ist es gerade einmal die Hälfte. Doch dieser Unterschied ist noch nicht der wichtigste Grund dafür, dass sich die Industrie vom Einsatz der Kohlenstoff-Zwiebeln einen wirtschaftlichen Vorteil verspricht. Schlögl:
Der Hauptnachteil des heutigen industriellen Verfahrens besteht darin, dass man auch diesen Eisenkatalysator nicht alleine betreiben kann, sondern einen zehnfachen Überschuss an Wasserdampf zusetzen muss. Um 20 Millionen Tonnen Styrol zu erzeugen, müssen sie also 200 Millionen Tonnen Wasserdampf erzeugen, den Sie eigentlich gar nicht haben wollen. Wenn man ausrechnet, wie viel Energie man braucht, um diesen Wasserdampf zu erzeugen, stellt man schnell fest, dass es außerordentlich nützlich wäre, auf den Wasserdampf verzichten zu können. Das ist das wichtigste Feature dieses Verfahrens: das geht ganz ohne Wasserdampf. Man kann ihn nicht nur reduzieren, sondern man kann sich die ganze Energie sparen, die man braucht, um diesen Wasserdampf zu erzeugen.
Dadurch lässt sich Styrol auch in kleineren Betrieben produzieren. So könnten viele Chemikalientransporte wegfallen - und damit natürlich deren Gefahrenpotenzial. Hätte Robert Schlögl nicht zufällig bemerkt, dass die Katalyse der Styrolherstellung eigentlich ganz anders abläuft, als man bisher dachte, wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Gerade Katalysevorgänge nehmen die Chemiker deshalb zurzeit besonders genau unter die Lupe.