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Wunsch, die Amerikaner zu vertreiben

Irans Regierung verurteilt die Unterdrückung der Opposition in Bahrain scharf, obwohl sie die Demokratiebewegung im eigenen Land unter allen Umständen verhindern will. Dahinter steckt auch die Angst vor dem wachsenden Einfluss von Saudi-Arabien.

Von Steffen Wurzel |
    Es ist eine etwas kuriose Situation. Ausgerechnet Irans Präsident Ahmadinedschad - ein Mann, der nicht gerade als Erfinder der Demokratie bezeichnet werden kann - ausgerechnet dieser Präsident ist es, der die Unterdrückung der Opposition in Bahrain laut und deutlich verurteilt. Es sei weder verständlich noch gerechtfertigt, dass die Herrscher in Bahrain Gewehre gegen ihr eigenes Volk richten, sagte Ahmadinedschad Mitte der Woche. Auf das Schärfste hat die iranische Regierung auch den Einmarsch saudischer Truppen in Bahrain verurteilt. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Mehmanparast:

    "Die Präsenz der ausländischen Truppen und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten Bahrains ist nicht akzeptabel. Dadurch wird die Krise dort zugespitzt. Wir erwarten, dass die Forderungen der Bevölkerung gehört und umgesetzt werden."

    Dass sich die iranische Führung dermaßen deutlich zu Wort meldet, wenn in einem arabischen Nachbarstaat das Volk aufsteht und sich gegen den oder die Herrscher wendet, ist neu.

    Rückblende: Nach den erfolgreichen Volksaufständen in Tunesien und Ägypten hatte die Regierung in Teheran die Aufständischen zwar ausdrücklich beglückwünscht, doch im selben Atemzug immerzu betont, dass der Sturz der Präsidenten Ben Ali in Tunesien und Mubarak in Ägypten nur eines bedeute: die Fortschreibung der islamischen Revolution. Dass es Millionen von Menschen in Tunesien und Ägypten bei ihren Protestaktionen nicht darum ging, ihr Land nach dem Vorbild Irans umzukrempeln, verschwieg die iranische Führung.

    Die Hauptforderungen der Demonstranten, mehr Demokratie und mehr politische Teilhabe, ließen die Politiker in Teheran und die offiziellen iranischen Medien einfach unter den Tisch fallen. Schließlich wollte die iranische Führung unter allen Umständen vermeiden, dass Erinnerungen an die Massenproteste nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad vor eineinhalb Jahren geweckt würden.

    Anders im Fall von Bahrain. Seit sich die Lage dort zugespitzt hat, zeigt das iranische Fernsehen ununterbrochen Livebilder von den Unruhen im benachbarten Inselstaat. Und die Kommentatoren schlagen sich ganz klar auf die Seite der Demonstranten.

    "Hier die neuesten Bilder. Der Volksaufstand in Bahrain wird erbarmungslos niedergeschlagen. Es ist zu sehen, dass die Polizeifahrzeuge die Demonstranten quer durch die Straßen und Gassen verfolgen. Auf Anweisung des Herrschers von Bahrain sind gestern Nacht und heute Morgen zahlreiche seiner Gegner verhaftet worden."

    Im Fall von Bahrain scheint für die iranische Regierung also eine rote Linie überschritten - spätestens seit dem Einmarsch saudischer Truppen. Die hatte der König von Bahrain nachgefragt, um sich und seinen Thron mit Waffengewalt zu halten.

    Fast rund um die Uhr werden seitdem im iranischen Fernsehen wütende Demonstranten in Bahrain gezeigt, die gegen den verhassten Herrscher protestieren. Auch auf die Gefahr hin, damit die Oppositionsbewegung im eigenen Land zu neuen Protestaktionen zu ermutigen.

    Der Strategiewechsel Teherans im Umgang mit den Volksaufständen in den arabischen Ländern hat mehrere Gründe.

    Zum einen sieht sich Iran als Schutzmacht der mehrheitlich schiitischen Bevölkerung von Bahrain. Von iranischen Politikern und Kommentatoren wird das auch immer wieder betont.

    Zum anderen versucht man in Teheran, den König Bahrains als Handlanger und Marionette der USA abzustempeln. Um damit den Erzfeind USA zu treffen. Als Hauptbeleg für diese These dient der Hinweis auf den riesigen Marinestützpunkt, den die Amerikaner in Bahrain unterhalten. Mehrere tausend US-Soldaten und ein Flugzeugträger sind dort stationiert. Die Regierung Ahmadinedschad dürfte darauf setzen, dass durch einen möglichen Sturz der Regierung in Manama auch die Amerikaner vertrieben werden könnten.

    Der dritte Grund, auch wenn er nicht offiziell genannt wird: Iran fürchtet kaum etwas so sehr wie einen weiter wachsenden Einfluss Saudi Arabiens im Nahen Osten - und sieht seine Befürchtungen nun bestätigt: Saudi-Arabien, der wichtigste arabische Verbündete der US-Amerikaner, hat in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass es nichts von den Großmachtfantasien der Iraner hält. Im Dezember sorgten auf Wikileaks veröffentlichte US-Dokumente für Aufsehen in Teheran. Aus den geheimen Papieren ging hervor, dass Saudi-Arabien die USA seit längerem drängt, das iranische Atomprogramm mit allen Mitteln zu stoppen, zur Not mit einem Militärschlag.

    Beobachter sagen: Das Eingreifen der Saudis in Bahrain ist nicht nur als militärische Unterstützung für den König von Bahrain gemeint, sondern soll auch ein Warnschuss in Richtung Iran sein. Insofern ist es verständlich, dass Irans Regierung anprangert, dass Saudi Arabien seit einigen Tagen in Bahrain militärisch die Muskeln spielen lässt.