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Wurm in der midlife-crisis

Biologie. - Caenorhabditis elegans, der Name dieses Wurms ging um die Welt, als vor wenigen Wochen seine Erforschung mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde. Heute veröffentlicht die Zeitschrift "Nature" schon wieder eine Arbeit, in der mit Hilfe des Wurms der Mensch erklärt werden soll. Konkret geht es um den Prozess des Alterns und da sieht es so aus, als ob auch C. elegans die Midlife-crisis kennen würde.

    Von Volkart Wildermuth

    Wer seine Lebenserwartung verlängern will, der kommt besser als Wurm zur Welt. Es gibt über hundert genetische Varianten von Caenorhabditis elegans, die zum Teil eineinhalb mal länger leben als ihre Artgenossen, volle drei statt bloße zwei Wochen. Von den Methusalemwürmern erhoffen sich die Wissenschaftler Hinweise auch auf den menschlichen Alterungsprozess. Bei ihren Experimenten haben sie sich bislang aber nur auf den Todeszeitpunkt von C. elegans konzentriert, ob die Würmer unter ähnlichen Gebrechen wie die Menschen leiden war nicht bekannt. Nun hat das Team um Prof. Monica Driscoll an der Universität in Rutgers, USA, Hunderte von Wurmsenioren quasi medizinisch betreut. Ergebnis, sobald ein Wurm am dritten oder vierten Lebenstag die Eier abgelegt hat, geht es bergab: Die Tiere werden steif, ihre Außenhaut bekommt Falten, Fette und Eiweiße lagern sich im Körper ab, vor allem schwindet die Muskelmasse. Driscoll:

    Das der Muskelabbau in der Lebensmitte des Wurms beginnt, ähnelt verblüffend den menschlichen Verhältnissen. Auch da gehen die Muskeln langsam zurück, deshalb ist kaum einen Olympiasieger älter als 40, denn, egal wie hart er trainiert, es gibt diesen unausweichlichen Abbau der Muskeln. Wir haben gesagt, wow, dass ist ja wie beim Menschen.

    Nur das Nervensystem bleibt vom Verfall verschont. Das klingt verblüffend, doch auch beim alten Menschen fehlen kaum Nervenzellen, die Gedächtnisprobleme hängen mehr mit einem Verlust an Leistung als mit einem Verlust der Zellen selbst zusammen. Ob das beim Wurm auch so ist, will Monica Driscoll als nächstes untersuchen. Ihre Experimente werfen aber schon jetzt Licht auf die Ursachen des Alterns. Driscoll:

    Sobald sich die Würmer sich vermehrt haben, lassen sie ganze Gruppen von Genen einfach angeschaltet. Nach der Fortpflanzung übt die Evolution keinen Einfluss mehr aus, es fehlt damit eine Kraft, die für die Feinabstimmung sorgt, die Würmer machen einfach weiter, Fette und Eiweiße lagern sich ab und das trägt dann zu den schädlichen Auswirkungen des Alterns bei.

    Offenbar gibt es bei C. elegans kein eigenes genetisches Programm des Alterns. Die Würmer scheinen eher zufällig Gewebeschäden anzusammeln, bis sie unter der Last der Probleme zusammenbrechen und sterben. In der selben Petrischale sind deshalb manche Würmer noch fit und beweglich während andere selbst auf Berührungen nicht mehr reagieren. Driscoll:

    Die Gene beeinflussen die Lebensspanne, das ist klar, deshalb waren wir auch so überrascht. In unseren Experimenten waren die Würmer genetisch identisch, ihre Umwelt war identisch, und doch gab es immense Unterschiede in der Geschwindigkeit des Alterns, sowohl auf der Ebene der Organismen wie auf der Ebene der einzelnen Zellen. Das deutet darauf hin, dass zufällige Prozesse eine entscheidende Rolle beim Altern spielen.

    Die zufällige Zerstörung von wichtigen Biomolekülen durch aggressive Sauerstoffverbindungen ist dabei sicher entscheidend. Dafür spricht auch, dass viele der Methusalemmutationen in C. elegans den Schutz gegen solchen oxidativen Stress verbessern. Monica Driscoll hat eine solche Mutante untersucht und festgestellt, dass sie den nicht nur das Leben der Würmer verlängert sondern schon in ihrer Lebensmitte den Muskelabbau deutlich bremst.

    Andere Aspekte des Alterns laufen dagegen weiter, etwa die Ablagerung der Eiweiße und Fette. Trotzdem sind die Tiere lebhafter, leben länger, sind ihre Muskel gesünder. Das ist ermutigend, vielleicht müssen wir nicht alle Alternsprozesse stoppen, vielleicht genügt es, sich auf einige zu konzentrieren und dennoch die Lebensqualität deutlich zu verbessern.

    Zuerst bei Würmern und dann vielleicht auch bei Menschen.