Martin Langhoff nimmt eine der Plastikkisten, die sich in der Produktionshalle bis zur Decke stapeln. Er schiebt ein wenig Erde beiseite und greift hinein: "Das sind große Würmer, mittel bis groß."
Die Riesen-Rotwürmer, die in seiner Hand wimmeln, sind beliebt bei Anglern. Als Kompostwürmer für Garten-Fans. Und als Lebend-Futter für Echsen, Vögel und Igel: "Hier sehen wir zwei Würmer bei der Paarung. Die sind total fest verknotet. Die sehen fast aus wie einer, die sind aneinander geschleimt."
Größter Wurmfarmer und Wurm-Sex-Experte
Etwa zehn Tonnen Würmer züchtet und verkauft Langhoff jährlich über seinen Online-Versand "Superwurm" in Düren. Damit ist er der größte Wurmfarmer Deutschlands und Experte in Sachen Wurm-Sex: "Die bilden dann einen Schleimring drum und tauschen dann Samen aus."
Haben die beiden verklebten Regenwürmer in Langhoffs Hand Samen und Eier abgesondert, bildet sich ein drei bis vier Millimeter großer Kokon, erzählt Langhoff – und setzt die Würmchen zurück in eine der viele Plastikkisten; die Wohnstätte der Tierchen: "Und in diesem Kokon sieht man schon den Wurm schwimmen, und irgendwann wird er schlupfreif und kommt raus."
Direkt neben den Kisten-Stapeln voller Würmer und Erde steht eine der zahlreichen Maschinen. Hier werden die Würmer gefüttert und getränkt. Dafür fahren die Plastikkisten über ein Art Fließband, werden erst mit Wasser besprengt – und dann mit einer Nährstofflösung bestreut: "Das ist aus verschiedenen Kornsorten ganz fein gemahlenes Mehl. Je feiner es ist, desto leichter ist es für die Würmer, es aufzunehmen. Würmer knabbern ja nicht, sondern haben einen Schlund und saugen sozusagen die Nahrung auf."
Sechs Monate dauert es, ehe aus einem Wurmkokon ein stattlicher Anglerwurm gewachsen ist, sagt Langhoff. Bis es soweit ist, durchlaufen die Würmer diverse Maschinen, um die Erde frisch und den Wurm bei Laune zu halten. Viele der Anlagen hat Langhoff als Ingenieur selbst entwickelt. Auch um Personalkosten zu sparen. "Das ist eine Eigenkonstruktion hier, da haben wir auch Jahre lang rumentwickelt. Das läuft hier in den großen Trichter, fällt hier durch die Maschine durch."
Weltneuheit: Kokon-Sortier-Maschine
Langhoff zeigt seine Kokon-Sortier-Maschine. Sein kniffligstes Werk – und eine Welt-Neuheit, die sich unter Wurmfarmern weltweit rumgesprochen hat: "Wir haben Anfragen aus der ganzen Welt: Südafrika, Australien, Türkei, Polen, Russland, überall. Und wir haben auch schon viele Besucher hier gehabt, die einfach gucken, auch Wurmfarmen aus dem Ausland. Dort wird es meist alles manuell gemacht. Und die gucken hier und fragen, wie es funktioniert."
Zu seiner – fast automatischen – Wurmfabrik kam Langhoff eher durch Zufall. Durch seinen kleinen Sohn Marvin und seine vielen Fragen: "Er sagt, guck mal her, ich habe zwei Würmer. Er ist immer schon sehr tierbegeistert gewesen. Und dann stellte sich die Frage, wie geht das mit den Würmern. Man weiß ja nicht, wie sie sich vermehren. Keine Ahnung. Und was macht man? Auch damals schon, man ging ins Internet. Und dann sind wir auf den begriff Wurmfarm gekommen und dann haben wir festgestellt, es gibt überall auf der Welt Wurmfarmen."
Mit Wurmfabrik eine Marktlücke gefüllt
Nur in Deutschland gab es noch keine. Eine Marktlücke: "Und dann sind wir irgendwie auf die Idee gekommen, ok, so was gibt es in Deutschland nicht. Gucken wir doch, wie das ganze funktioniert - und so ist die Firma entstanden."
Vor 15 Jahren startete Langhoff mit "Superwurm". Erst züchtete er die Würmer in der Garage. Heute hat er zwei riesige Lagerhallen, machen einige 100.000 Euro Umsatz und hat fünf festangestellte Mitarbeiter.
Aber auch die zwei Hallen reichen längst nicht mehr aus, sagt Langhoff, und zeigt aus einem der Fenster auf ein Wiesenstück: "Hier hinten haben wir ein Grundstück, da wollen wir eine neue Halle bauen, wenn es geht."
Wachsende Nachfrage: Würmer als Öko-Dünger
Denn seit ökologischer Eigenanbau und Urban Gardening im Trend liegen, wächst in Deutschland die Nachfrage nach Super-Würmern, die das eigene Gemüsebeet umgraben und chemiefrei düngen: "Wir hatten im letzten Jahr 20 Prozent Zuwachs, viel im Bereich Garten. Weil der Gedanke, das ganze biologisch, ökologisch zu betreiben, ist schon ein wachsender Bereich. Und dann haben wir ja nicht nur den Wurm. Diese Ausscheidungen vom Wurm, das ist der Wurmhumus, und das ist eine extrem fruchtbare Erde. Und die verkaufen wir auch. Das verbreitet sich immer mehr."
Nebenan, in der Versandhalle, steht Langhoffs Sohn Marvin und packt Kartons: "Ein Pfund Gartenwürmer. Die werden eingepackt und dann verschickt." 21 Jahre ist Marvin mittlerweile – der mit seiner Wissbegier als kleiner Jung die Initialzündung für die Gründung von "Superwurm" gab. Seine Wurmliebe von damals scheint noch immer ungebrochen: "Ich habe hier in dem Betrieb meine Ausbildung gemacht, Groß- und Außenhandelskaufmann, und bin dann auch hier direkt geblieben. Wenn alles gut läuft, will ich den Betrieb übernehmen."
Lebend und gut verpackt auf Reisen
Auch Langhoffs Frau, Martina, und Langhoffs zweiter Sohn, Marc, arbeiten bei Superwurm. Das Unternehmen ist ein echter Familienbetrieb. Die lebenden Würmer kommen in einen luftdurchlässigen Beutel – und dann in einen gut ausgepolsterten Karton, erzählt Marvin, während sein Vater sich zu ihm an den Packtisch stellt: "Je nachdem, wie die Wetterbedingungen sind, halten die in dem Beutel ein, zwei Wochen. Wir verschicken praktisch in alle europäischen Länder, Österreich sehr viel, Schweiz sehr viel, aber auch skandinavische Länder, Litauen. Osteuropäische Länder haben große Nachfrage. Wir haben nach Griechenland, Spanien geschickt."
Die meisten Würmer müssen allerdings nicht ganz so weit reisen. Sie werden von Anglern oder Garenliebhabern in Deutschland aus dem Paket befreit: "Ich hab versucht, ein Einkaufserlebnis daraus zu machen. Sie haben ja gesehen, wenn man den Beutel aufmacht, sieht man vitale Würmer – und zwar richtig viele. Und ich denke, das ist uns gelungen. Manche sagen natürlich, ok, wenn man einen ganzen Haufen Würmer auf einmal sieht, das sieht schleimig aus, aber das kommt selten vor."