Archiv


Wurmkur statt chemischer Keule

Würmer, Viren und Pilze sind der Schrecken der Gärtner und Landwirte. Selbst Naturliebhaber greifen zur Giftspritze, wenn sich Schädlinge auf ihrem Rhododendron niederlassen. Doch die Umweltverordnungen werden immer schärfer. Immer wieder werden Spritzmittel vom Markt genommen, die Mengen beschränkt oder die Anzahl der erlaubten Spritzungen herabgesetzt, so dass selbst bei konventionell arbeitenden Landwirten das Interesse an biologischen Pflanzenschutzmitteln wächst.

Von Jo Schilling | 20.03.2005
    Heute schon gibt es Fadenwürmer, die Engerlinge töten. Florfliegenlarven vernichten ganze Blattlauskolonien und Bakterien schützen winzige Salatkeimlinge vor dem Absterben. "Fressen und gefressen werden" ist das Prinzip des biologischen Pflanzenschutzes, der inzwischen nicht weniger effektiv ist als chemischer Pflanzenschutz.

    " Das ist so ein großer Bioreaktor, der ist gerade nicht in Benutzung, da können sie sehen, das es ein Edelstahlgefäß ist. Diese Edelstahlgefäße werden dann mit dem Medium befüllt und dann hermetisch abgeschlossen und dann mit Dampf sterilisiert. Hier sehen Sie dass er keinen einfachen Paddelrührer hat, sondern da unten so einen marinen Propeller."

    " Der ganze Trick bei der Fermentation ist, genug Sauerstoff einzubringen in die Kulturen. Denn Nematoden und Bakterien brauchen enorm viel Sauerstoff. Nematoden sind Würmer, sie können bis zu einem Zentimeter lang werden. Je höher sie rühren, um so höher sind die Scherkräfte. Diese Scherkräfte können die Nematoden zerstören. Dieses Prinzip hat sich für Nematoden ganz gut bewährt, weil wir da mit geringen Scherkräften einen sehr hohen Sauerstoffeintrag haben."

    Dr. Ralf Ehlers ist Wissenschaftler an der Universität Kiel und seit kurzem auch Unternehmer. Die Produktionshalle gehört zu seiner Firma E-Nema. Von einem Podest aus Stahlgittern fällt der Blick durch eine runde Luke tief in das Innere eines gewaltigen Stahltanks. 5000 Liter fasst dieser Bioreaktor. Sein Boden steht eine ganze Fabriketage tiefer. Im Moment ist er leer und das Umwälzsystem, mit dem sein Inhalt in dem riesigen Zylinder bewegt wird, ist gut zu sehen. Normalerweise steckt in einem Bioreaktor einfach ein riesiger Rührstab mit zwei Flügeln, der die Brühe aus Wasser, Nährstoffen und Mikroorganismen in Bewegung hält. Aber hier in der alten Lagerhalle am Rande von Kiel hat Ralf Ehlers die Reaktoren zweckentfremdet: Er züchtet Fadenwürmer, so genannte Nematoden, für den biologischen Pflanzenschutz.

    " Fermenter-Bioreaktoren werden in der Biotechnologie benutzt, um Joghurt herzustellen. Medikamente, Penizillin zum Beispiel, Antibiotika die werden in Fermentern hergestellt. Ganze Tiere im Fermenter zu produzieren ist die absolute Ausnahme, wir sind da die Marsmenschen so ungefähr. Als ich das erste Mal einen Antrag geschrieben habe, hat den jemand gekriegt von der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung zur Begutachtung und der hat gesagt: Die spinnen ja total, die wollen ganze Tiere im Fermenter produzieren. Der hat aber dann gesagt ... na, lass die mal versuchen, mal sehen was dabei herauskommt ... ist ja interessant. Na ja, und das hat eben funktioniert und heute werden diese Nematoden so günstig in diesen Fermentern hergestellt, dass sie dann auch erschwinglich werden für den Pflanzenschutz. Inzwischen kann man zum Beispiel sagen, dass die Nematoden preislich konkurrieren können mit Pflanzenschutzmitteln im Zierpflanzenbau und auch in Pilzkulturen. Die Preise sind inzwischen so weit gesunken für die Nematoden, dass sie durchaus mit den Preisen für chemische Insektizide konkurrieren."

    Eigentlich sind Nematoden in der Landwirtschaft und in Gemüsegärten als Schädlinge bekannt. Sie bohren sich in Möhren oder Sellerie und machen das Gemüse ungenießbar. Aber die Würmer aus diesen Stahltanks sind auf Insekten spezialisiert. Sie brauchen die Larven von Schädlingen wie Dickmaulrüsslern, Thripsen oder Trauermücken, um sich zu vermehren - und sind damit die perfekte Pflanzenpolizei.

    Ortswechsel. Einige hundert Kilometer weiter im Süden, im hessischen Darmstadt, liegt das Institut für Biologischen Pflanzenschutz - das deutsche Zentrum, wenn es um Alternativen zu konventionellen Spritzmitteln geht. Die Außenstelle der Biologischen Bundesanstalt verschwindet fast unter hohen Bäumen und dichten Büschen. Auch Jürg Huber, Professor für biologischen Pflanzenschutz, arbeitet hier. Er ist einer der Wissenschaftler, die nach natürlichen Feinden suchen, von allem, was Pflanzen krank macht: Insekten, die Wurzeln abfressen, Viren und Pilze, die junge Pflanzen gar nicht erst groß werden lassen oder Würmer, die Äpfel anbohren.

    " Die meisten Kulturen haben ihre spezifischen Krankheiten und ihre spezifischen Schädlinge. Das macht dann ja auch den biologischen Pflanzenschutz relativ kompliziert, das ist einer der Vorwürfe, den man ihm immer gestellt hat, dass es mehr Wissen erfordert vor allem vom Landwirt, weil die meisten biologischen Methoden sehr viel selektiver wirken, als der chemische Pflanzenschutz."

    Das Prinzip des biologischen Pflanzenschutzes ist denkbar einfach: In der Natur hat jeder einen Feind. Und diese natürlichen Gegenspieler der Schädlinge gilt es richtig einzusetzen.

    " Der Landwirt muss meistens genau wissen, was er für einen Schädling hat. Das reicht nicht, dass er weiß, da fressen irgendwelche Raupen, da ist irgendeine Krankheit, sondern er muss genau wissen, um was es sich handelt, weil man dann gezielt ein biologisches Verfahren einsetzen muss."

    Biologisch gegen Schädlinge vorzugehen, ist natürlich Programm im Ökolandbau. Wenn Bio draufsteht, dürfen die Pflanzen kein chemisches Spritzmittel gegen Insekten, Viren, Bakterien oder Pilze gesehen haben. Mit der politischen Förderung des Ökolandbaus wächst der Forschungsbedarf in Darmstadt. Und auch in den konventionellen Landbau ziehen die ökologischen Methoden ein. Allerdings nicht, weil Landwirte ihr Herz für die Insektenwelt entdeckt hätten. Dahinter stehen vielmehr zunehmend schärfere Umweltverordnungen. Immer wieder werden Spritzmittel vom Markt genommen, die Mengen beschränkt oder die Anzahl der erlaubten Spritzungen herabgesetzt.

    " Das steigert sicher das Interesse am biologischen Pflanzenschutz, aber das führt natürlich nicht unbedingt dazu, dass mehr Geld da ist. Weil im Moment muss gerade die öffentliche Hand sehr sparen und da kann man nicht mehr so großzügig mit Mitteln um sich werfen. Das Interesse ist dadurch ganz sicher gestiegen. Das ist ja leider auch so, dass man sagt, na ja, biologischer Pflanzenschutz, das ist doch eigentlich schön, da wo wir keine anderen Verfahren haben. Das hören wir gar nicht so gern, das ist so eine Art Feuerwehrfunktion, also dann wenn es brennt, dann rufen wir den biologischen Pflanzenschutz und dann ist das Feuer wieder gelöscht und dann braucht man ihn wieder nicht mehr. "

    Um am biologischen Ball zu bleiben, brauchen die Wissenschaftler eine extrem erhöhte Frustschwelle. Forschungsgelder werden nicht verlängert, weil die Plage, die die Projekte ausgelöst hat, vergessen ist. Beispiel Heuschrecken.

    " Jahrelang gab es jetzt keine Probleme mit Wanderheuschrecken, also ist das Interesse sowieso eingeschlafen. Jetzt gibt es wieder große Schwärme, jetzt wird es wieder zu einem wichtigen - vor allem politischen - Problem, also werden jetzt sicher wieder Forschungsprogramme anlaufen. Und nach einigen Jahren, weil die Witterung vielleicht wieder ein bisschen ungünstiger ist, gibt es dann wieder keine Wanderheuschrecken - so war das schon immer "

    Ralf Ehlers hat seine Besucher eine Halle weitergeführt, an den Anfang der Produktionskette. Obwohl der Biologe groß und kräftig ist, wirkt er fast schmächtig im Vergleich zu den riesigen, glänzenden Edelstahltanks, die vor uns in Reih und Glied stehen. Aber sie sind wenigstens nicht so gewaltig wie der Tank von vorhin. Für sie reicht immerhin eine Etage aus.

    " Ja, das hier ist schon einmal ein kleiner Fermenter, diese Anlage die ist gerade erst neu in Betrieb genommen worden ... die läuft noch Probe ... und da hinten, das sind die Anlagen, die schon für die kommerzielle Produktion ... diese zwei hier, sind zwei fünfhunderter Anlagen und in diesen kleineren 10 Liter Anlagen wird das Inokulum produziert. Man produziert erst einmal in Petrischalen geht dann in Schüttelkolben und wenn sich die darin vermehrt haben ... dann hat man genug Impfmaterial um solche Fermenter zu beimpfen. Dann kommt aus dem 10 Liter Fermenter genug Material heraus, um den nächsten Schritt zu machen in 500 Litern und wenn das nach 2 Wochen abgelaufen ist, dann gehen wir rüber in die großen Gefäße ... 3000, 6000 und 7000 Liter."

    Das Inokulum ist eine konzentrierte Brühe aus Nematoden, Bakterien und Nährstoffen. Mit dieser Brühe kommt Leben in die Fermenter.

    " Wenn wir jetzt kommerziell produzieren, dann wird das Inokulum aus solchem großen Pott genommen und dann wird aus 5000 Liter, einfach 500 Liter zurückgehalten und gelagert und das dann benutzt, um die Großen wieder zu beimpfen. "

    Die beiden Fadenwurmarten, mit denen Dickmaulrüssler, Gartenlaubkäfer und Trauermücken in Schach gehalten werden, brauchen für ihre Vermehrung unbedingt eine bestimmte Bakterienart. Praktischerweise tragen sie immer ein Zellpäckchen dieser Bakterien mit sich herum. Im Boden leben die Nematoden nicht als ausgewachsene Würmer, sondern als winzige so genannte Dauerlarven. Wenn diese Dauerlarven einem Schädlings-Engerling in der Erde begegnen, schlüpfen sie in den Wirt hinein und geben ihr Bakterienpäcken ab. Die Bakterien töten den Engerling, vermehren sich fleißig und während die Dauerlarven wiederum die Bakterien fressen, werden richtige Würmer aus ihnen. Sie vermehren sich im Schutz der toten Engerlingshülle und nach zwei Wochen wandern etwa 300.000 neue Dauerlarven aus dem Kadaver.

    "Wir produzieren, bummelig für 2000 Hektar jedes Jahr. Wenn sie rechnen mit einer halben Million pro Quadratmeter, dann brauchen sie fünf Milliarden pro Hektar. Das sind dann 10.000 Milliarden, das wären 10 Trilliarden. Wir gucken uns das am Besten hinten einmal an, wie die aus dem Fermenter geerntet werden. Da können sie dann erkennen, wie das geerntet wird aus der Flüssigkultur. Da wird es allerdings ein bisschen laut."

    Schmitt:
    " Wir stehen jetzt hier in einem Pflanzenanzuchtraum, wir haben einen Versuch angesetzt, an dem verschiedene Teilnehmer aus verschiedenen Ländern beteiligt sind und unser Schwerpunkt hier in Darmstadt liegt auf der Erprobung von alternativen Mitteln, also von Mikroorganismen oder auch Pflanzenextrakten, die zum Einsatz für Saatgutbeizung genommen werden können."

    Unter dem Institut für Biologischen Pflanzenschutz: acht Quadratmeter Kellerraum, keine Fenster. Rechts und links an der Wand stehen Tische, die in der Mitte gerade so viel Platz lassen, dass nichts fällt, wenn man sich um seine Achse dreht. Auf den Tischen hat Dr. Annegret Schmitt ihre Versuche stehen - flache Plastik-Dosen, in denen winzige Pflänzchen sprießen. Knapp darüber gaukeln lange Leuchtstoffröhren den zarten Sprösslingen Tageslicht vor. Annegret Schmitt widmet sich so genannten samenbürtigen Krankheiten. Das sind Krankheiten, die schon an den Samen haften:

    " Und die dann später zum Teil zu so genannten Umfallkrankheiten führen, das heißt, die kleinen Keimlinge kommen vielleicht noch aus der Erde raus, aber kriegen dann dunkle Wurzelhälse, fallen um und sterben ab. "

    Hintergrund dieses Forschungsprojektes ist eine neue Verordnung: Seit 2004 darf im ökologischen Landbau nur ausgesät werden, was schon aus der Ökoproduktion stammt.

    " Also für den Ökolandbau gibt es eigentlich nur sehr wenig bis jetzt. Für den konventionellen Anbau gibt es einfach chemische Beizmittel, so wie es auch chemische Pflanzenschutzmittel gibt, die gegen Krankheiten auf den Blättern oder auf der Pflanze ausgebracht werden, gibt es da auch Beizmittel, die eben auf das Saatgut gebracht werden."

    Aber die sind eben für den Ökolandbau verboten. Und deshalb gilt es dringend Alternativen zu finden. In jeder der flachen Dosen keimen 100 kranke Feldsalatsamen. Annegret Schmitt hat sie auf vier prinzipiell unterschiedliche Arten behandelt. Die einfachsten Methoden sind physikalisch.

    " Dazu gehört die Heißluft-Behandlung, die Heißwasserbehandlung und die Elektronenbeize. "

    Dann gibt es die Möglichkeit zugelassene Beizmittel für Getreide auf Gemüse zu übertragen.

    " Die dritte Gruppe sind Resistenzinduktoren, also Pflanzenstärkungsmittel, das sind ja auch Mittel, die bei uns in Deutschland als eine besondere Gruppe auf dem Markt sind und für den Ökolandbau eben auch prinzipiell einsetzbar sind. Und da wissen wir noch sehr wenig drüber, weil Pflanzenstärkungsmittel ja die Widerstandskraft der Pflanze erhöhen und es gibt bis jetzt nur sehr wenig Untersuchungen dazu, ob das auch über den Samen direkt passieren kann "

    Und die vierte Gruppe sind Pflanzenextrakte wie ätherische Öle von denen bekannt ist, dass sie Mikroorganismen hemmen.

    " Hier ist jetzt ein Pflänzchen, wenn man sich das anschaut, das ist hier unten, weiß nicht, ob sie das sehen, das ist schon vertrocknet, das ist hier unten verbräunt. Das ist eben noch gekeimt, aber der Krankheitserreger hat sich jetzt eben hier breit gemacht und hat die Pflanze letztendlich so geschädigt, dass sie abstirbt und umfällt. Deshalb auch 'Umfallkrankheiten', weil die meistens wirklich noch ein Stück aus der Erde kommen und dann einfach umfallen hinterher."

    Die meisten Pflänzchen stehen tapfer. Sie sind erst eine Woche alt und nach einer weiteren Woche entscheidet sich, ob die Methode gewirkt hat. Dass so viele offenbar gesunde Keimlinge aus den kranken Samen entstanden sind, ist der Erfolg monatelanger Selektion. Hier im Keller hat Annegret Schmitt nur die am meisten versprechenden Beizmethoden angewandt. Parallel erprobt sie dieselben Methoden im Freiland. Das hat bekanntlich seine eigenen Gesetze.

    Noch ist das Problem nicht drückend, denn bislang konnten Ökolandwirte konventionelles Saatgut verwenden.

    " Wenn man sich aber jetzt vorstellt, dass von Jahr zu Jahr, von Generation zu Generation immer nur Saatgut, das aus ökologischem Landbau stammt auch wieder zur Weiteraussaat benutzt werden darf und wenn man keine Möglichkeit hat die Krankheiten zu bekämpfen effektiv, dann baut sich natürlich ein Potential auf über die Jahre."

    Die Maschinen in der Aufarbeitungshalle von E-Nema laufen auf Hochtouren. Gerade ist ein Fermenter fertig geworden und von dem riesigen Stahltank schlängelt sich ein dicker Schlauch zu einer runden Stahltrommel. Ein wenig erinnert sie an das Innenleben einer überdimensionalen Waschmaschine. An der Vorderseite ist ein Auslass, aus dem schubweise eine dünne rostrote Paste in eine Edelstahlkarre fällt. Die Paste hat die Konsistenz von Wandfarbe und dass sie fast nur aus Würmern besteht, ist beim besten Willen nicht zu erkennen: Ralf Ehlers:

    " Wenn die Nematoden dort nach 2 Wochen drinnen sind kommen sie hier über eine Pumpe in einen Separator. Der Separator ist eine hochlaufende Zentrifuge, die macht auch dieses Geräusch hier Wir sedimentieren die Nematoden im Rotor und wenn der Rotor voll ist, dann öffnet der automatisch. Das sehen sie hier, dass diese Nemtoden aus dieser Nematodenpaste dann ausgeworfen wird. Die fällt dann in den Behälter und wird dann noch einmal da drüben über eine Siebmaschine gegeben. Was Sie da an roter Paste sehen, das sind die Nematoden getrennt von dem Nährmedium."

    Ralf Ehlers hält seinen Zeigefinger in die rote Masse. Das hat er offensichtlich schon öfter getan und erwartet amüsiert eine angeekelte Reaktion.

    " Das ist hier Nematodenpaste. Lassen sie uns das mal unter dem Mikroskop angucken. Gehen wir mal rüber zum Mikroskop, dann zeige ich ihnen mal, was ich jetzt am Finger habe."

    Er streicht die Paste von seinem Finger auf einen Objektträger, legt ihn unter das Mikroskop und stellt das Bild scharf. Auf dem Glasplättchen tobt das Leben. Wie winzige Glasaale winden sich die Dauerlarven im Licht des Mikroskops. Dazwischen liegen einige große, dunkle, unbewegliche Stäbchen.

    " Das sind noch erwachsene Tiere, die müssen noch raus gesiebt werden. Die sterben aber nach 1-2 Tagen Lagerung und dann können wir sie auch durch Sedimentation noch einmal trennen. Das was wir ernten sind die Dauerlarven, die sind unter einen Millimeter groß. Die sind auch Scheerkraft-unempfindlich, deswegen können diese Stadien auch mit der Pflanzenschutzspritze ausgebracht werden."

    Zurück nach Darmstadt, ans Institut für Biologischen Pflanzenschutz

    " Wenn sie jetzt mal hier in diese Röhrchen reingucken. Diese winzigen Tiere, die hier rumlaufen, ich kann sie auch mal unters Binocular legen, die sind nämlich sehr hübsch, wenn man sie mal von Nahem sieht, sonst fallen sie ja eigentlich gar nicht auf. Das ist auch der große Vorteil, wenn man sie zum Beispiel im Vorratsschutz einsetzt. Die sieht man halt nirgendwo, die stören dann auch nicht. Wenn sie andere Räuber einsetzten würden, dann haben sie zwar nicht den Schädling mehr in ihrem Mehl, aber sie haben dann halt den Räuber und das finden dann die Leute auch nicht so schön. Aber diese Tiere sind halt so klein, das man sie eigentlich nicht sieht."

    Was Dr. Annette Herz unter das Mikroskop legt, sieht aus wie untersetzte helle Ameisen. Ohne Mikroskop sind nur winzige helle Pünktchen in der Glasröhre zu erkennen - kleiner als ein Salzkorn. Es sind Trichogramma-Schlupfwespen - eine Erfolgsgeschichte im biologischen Pflanzenschutz. Denn es sind neben den Nematoden die einzigen Nützlinge, die auch im Freiland als Pflanzenschutzmittel bestehen. Die anderen zugelassenen biologischen Methoden sind Bakterien, Viren oder Pflanzenextrakte. Aber flugfähige Insekten wie die Florfliegen schützen sonst nur Pflanzen in Gewächshäusern - aus einem einfachen Grund: Unter Glas können sie nicht davonfliegen.

    " Die Trichogrammen gehören zu den Hymonopteren, zu denen eben auch die Ameisen gehören und auch die Wespen. Das hier sind Schlupfwespen, es sind eigentlich Tiere, die ihre Eier in die Eier von Schädlingen hineinlegen. Und die Eier der Trichogrammen entwickeln sich dann, also Larve und Puppe und so weiter und dadurch wird der Schädling im Ei abgetötet. Das heißt, er schlüpft gar nicht mehr. Und das ist das Faszinierende dran, weil er kann dann auch keinen Schaden mehr hervorrufen."

    Es gibt 160 Arten dieser Trichogrammen. Als Bio-Waffe gegen den Maiszünsler, einen Falter, dessen Raupen die Maispflanzen abfressen, war er im Jahr 2001 auf knapp 10 000 Hektar im Einsatz. Mit herkömmlichen Insektiziden wurden gut 30 000 Hektar behandelt.

    " Es sind halt lebendige Pflanzenschutzmittel im Prinzip. Denkende Pflanzenschutzmittel. Die suchen ihren Wirt. Das ist das Schöne dran. "

    Alle lebendigen Pflanzenschutzmittel zusammen haben bei der letzten Datenerfassung im Jahr 2001 gut 40 000 Hektar Fläche vor gefräßigen Schädlingen geschützt. Das entspricht ungefähr der Grundfläche des Landes Bremen. Bacillus thuringiensis führt mit etwas mehr als 10.000 Hektar die Liste an. Das Bakterium schützt den Forst vor Schmetterlingen, infiziert den Traubenwickler im Weinbau und dezimiert Kartoffelkäfer-Populationen. Und es wird natürlich gegen den Maiszünsler gespritzt. Das Gen für das Gift der Bakterien, haben Genetiker in das Maisgenom eingesetzt. Das Kürzel BT vom umstrittenen BT Mais bedeutet nichts anderes als Bacillus thuringiensis.

    " Jetzt zeige ich ihnen mal diese Freilassungseinheiten. Wichtig ist vielleicht auch noch, dass, wenn wir uns jetzt so eine Freilassungskarte näher angucken, hoffentlich habe ich jetzt grad eine schöne dabei... Es werden eigentlich nicht die lebenden Schlupfwespen ausgebracht, sondern ihre Vorstadien, die Puppen. Und die Puppen sind in den Eiern des Zuchtwirtes. Die Produktion läuft so, sie haben einen leicht zu züchtenden Zuchtwirt, das sind auch meistens Getreidemotten, also Mehlmotten oder eben die echte Getreidemotte, die lassen sich in großem Maßstab herstellen. Die Eier werden dann geerntet und zur Parasitierung angeboten und man erntet danach die parasitierten Eier und die werden dann mit einem ungiftigen haltbaren Kleber auf solche Karten aufgeklebt. Das sind hier etwa zweitausend parasitierte Eier."

    Die Freilassungseinheit ist eine Pappkarte, so groß, wie ein Briefmarkenheftchen, das in die Maispflanzen gehängt wird. In der Mitte ein kreisrunder Fleck, der aussieht, als hätte jemand dunklen Sand mit einem Prittstift auf die Karte geklebt.

    " Bei Mais ist es so zwischen 100.000 und 120.000 Tiere pro Hektar werden ausgebracht und zwar zwei mal im Abstand von 10 Tagen."

    Seit die Pflanzenschutzdienste der einzelnen Bundesländer im Jahr 1996 das erste Mal Zahlen zum Einsatz von biologischen Pflanzenschutzmitteln im Freiland erhoben haben, hat sich diese Art, gegen Schädlinge vorzugehen, kräftig entwickelt: 10.700 Hektar sind in den fünf Jahren zwischen den beiden Erhebungen hinzu gekommen. Neben dem Bacillus thuringiensis und den Trichogramma-Schlupfwespen gegen die Maiszünsler sind im Freiland noch Granuloseviren gegen den Apfelwickler - den Wurm im Apfel - und Nematoden wie die von Ralf Ehlers von Bedeutung. Aber der Weg zu mehr Nützlingen führt nur über die Geldbörse der Landwirte. Beispiel Schlupfwespen: Baden-Württemberg fördert den Einsatz der Trichogramma, indem es die Preis-Differenz zu anderen Insektiziden übernimmt. In diesem Bundesland liegen folglich 92 Prozent der Trichogramma-Einsatzflächen. Andererseits wird der Einsatz von Nematoden in Erhebungen kaum noch erfasst. Die Methode funktioniert und die Pflanzenschutzdienste werden gar nicht mehr zur Beratung herangezogen. Und haben damit auch keine Zahlen.

    Trichogramma im Mais funktioniert ebenfalls. Jetzt sucht Annette Herz nach Arten, die mit der Olivenmotte in Portugal, Griechenland, Tunesien und Ägypten fertig werden. Das ist ein bedeutender Schädling an Olivenbäumen. Sie durchläuft drei Generationen im Jahr und gegen die eigentlich für die Olivenernte schädliche Generation ist noch kein Kraut oder Insekt gewachsen. Deshalb werden in den Gebieten, aus denen unser Olivenöl kommt, Insektizide im großen Maßstab auf die Oliven gespritzt. Aber wieder einmal wird ein Projekt geschlossen, das gerade Konturen annimmt.

    " Ich würde mal sagen, wenn wir noch drei Jahre länger Zeit hätten, könnten wir es zum Funktionieren bringen. Wir sind jetzt so vorgegangen, dass wir in den Regionen Arten geködert haben, also natürlich vorkommende Trichogramma-Arten. Weil das ist auch so eine Überlegung, dass je nach klimatischen Verhältnissen man solche Arten nehmen soll, die da eben sehr gut angepasst sind. Wir haben auch diese Stämme. Wir haben auch getestet im Labor und auch im Freiland und können auch Parasitierungen feststellen aber die ist noch nicht ausreichend."
    Annette Herz hat noch viele Ideen, wie sie ihre kleinen Schützlinge als Nützlinge einsetzen kann. Sie denkt an die zarten grünen Florfliegen gegen Blattläuse auch im Freiland und nicht nur in Gewächshäusern - wo sie übrigens zum ganz normalen Pflanzenschutzprogramm gehören. Sie denkt an Trichogramma gegen Baumwoll-, Zuckerrohr-, Getreide- und Apfelschädlinge.

    " Ich denke, da ist noch jede Menge Potential vorhanden, es fehlt halt einfach nur an Aktivität."

    Huber:
    " Wo wir zum Beispiel jetzt schon seit langem dran sind, das ist der Maikäfer. Also Engerlingsbekämpfung. Das ist hier in der Gegend zum Teil ein großes Problem. Die Maikäfer sind also nicht ausgestorben, sondern die sind im Moment wieder auf dem Vormarsch. Und in bestimmten Kulturen oder auch im Forst können sie sehr große Probleme machen und man versucht sie zu bekämpfen. Und in dem Bereich geht man natürlich ganz speziell auf biologische Verfahren.
    "

    Ehlers:
    " Und dann arbeiten wir noch an einem anderen Nematoden, den wir gerne gegen andere Engerlinge einsetzen wollen. Den haben wir aus Amerika, der ist sehr effizient gegen den Junikäfer und gegen den Maikäfer. Allerdings bekommen wir ihn nicht in In-vitro- Kultur. Das ist der erste Nematode der uns da nicht ran lässt. Wir haben es noch nicht geschafft, obwohl wir schon seit 2 Jahren rumprobieren; aber wir haben es noch nicht hinbekommen."

    Huber:
    " Ein Problem ist, eine Methode, die kompliziert ist, kostet in der Regel auch ein bisschen mehr. Und der Landwirt, anders als ein Hobbygärtner, der muss ja von dem, was er produziert auch leben können, er muss auf die Kosten schauen. Und darum ist das für ihn schon ein wichtiger Faktor ob etwas teurer ist oder weniger teuer."

    Ehlers :
    " Diese Märkte sind natürlich nichts wie ein chemisches Pflanzenschutzmittel. Ein chemisches Pflanzenschutzmittel, ein Insektizid wie das Emidaglobrit von der Firma Bayer, das macht ein Umsatz pro Jahr von 590 Millionen Euro. Die Nematoden sind weltweit vielleicht ein Markt von 10-15 Millionen Euro. "

    Huber:
    " Ein Nützling der braucht keine Zulassung. Ein mikrobiologisches Präparat, so wie dieses Apfelwicklervirus, das muss zugelassen werden, genau wie ein chemisches Pflanzenschutzmittel. Also das kriegt eine ganz reguläre Zulassung als Pflanzenschutzmittel. Und das ist ein Prozess, der recht schwierig ist, und mit sehr viel Kosten verbunden ist, weil man sehr viele Test nachweisen muss."

    Ehlers :
    " Dieses neue biologische Fungizid brauchte 8 Jahre um bei der EU zugelassen zu werden. Es hat mehr als 1 Million Euro gekostet, wesentlich mehr als 1 Million, um das bei der EU zuzulassen. Jetzt ist es bei der EU zugelassen; jetzt muss es noch überall national zugelassen werden. Gegen diese Bestimmung wehrt sich auch die chemische Industrie, weil es unsinnig ist, erst die EU-Zulassung zu machen und dann noch einmal eine nationale Zulassung. Einige Staaten akzeptieren dann ja schon, was dann EU weit gemacht worden ist und verlangen dann nicht viel mehr Auflagen. Das ganze System ist sehr bürokratisch und für biologische Pflanzenschutzmittel wird das Risiko vollkommen überbewertet. Es werden Fragen über die Ökotoxikologie gestellt, wo Ergebnisse von Untersuchungen vorgelegt werden müssen, die enorm aufwendig sind und enorm viel kosten. Das können sich diese Firmen nicht leisten. Wenn es weiter so geht mit 8 Jahren für die Zulassung dann wird Europa keine neuen biologischen Pflanzenschutzmittel mehr sehen. "

    Huber:
    " Das Dilemma ist nur das: eigentlich diese Produkte, sind vom Markt her viel zu klein für eine große Firma. Das ist für die Peanuts. Das interessiert die gar nicht. Der Markt ist so klein, dass das eigentlich etwas für eine kleine Firma wäre, aber die sind wieder fast nicht in der Lage die Zulassung durchzuziehen. Das ist immer solche Schwierigkeit."

    Ehlers:
    " Diese Firmen, die das momentan noch betreiben, da sind im Hintergrund sehr gewichtige, finanzkräftige Unternehmen die das aber nicht aus Ursachen der Gewinn-Maximierung machen, sondern die haben ganz anderes Interesse momentan einfach zu sehen, ob sich dieser Markt in Zukunft entwickelt. Wenn es so weiter geht mit den Zulassungsauflagen in der EU und europaweit, dann wird da nichts mehr kommen. Wir verlieren dann ein enormes Potential für den Pflanzenschutz."

    Ralf Ehlers hat sich die restlichen Nematoden vom Finger gewischt. Zurück in der Produktionshalle geht es weiter in die Packabteilung - die letzte Etappe vom Fermenter bis zum heimischen Rhododendron.

    " Was wir jetzt dort als Paste hatten wird jetzt noch einmal weiter aufkonzentriert und dann wird es mit Tonmineral, das sehen wir dort hinten ...mit dem wird es dann gemischt und dort befinden sich dann in einer Packung ....das kann ich ihnen gleich einmal zeigen ...so bis zu 60 Millionen Nematoden. Das reicht für 100 Quadratmeter."

    Ralf Ehlers vertreibt seine Nematoden an große Firmen, die mit biologischen Pflanzenschutzmitteln handeln. Sie verschicken sie unter ihrem eigenen Namen in die ganze Welt. Oder verzweifelte Gartenbesitzer bestellen einen Beutel für ihre kümmerlichen Erdbeeren oder zerfressenen Rhododendren. Oder die Greenkeeper von Golfplätzen ordern bei ihm gleich milliardenweise Nematoden, um den wertvollen Rasen für die grün-verwöhnten Spieler zu retten.

    Die Mischung aus Tonmineral und Nematoden sieht aus, wie graubraunes Mehl. Wer einen der verschweißten Klarsichtbeutel im Flugzeug mitnehmen wollte, würde vermutlich die Drogenhunde des Zolls auf den Plan rufen.

    " Das Pulver mit den Nematoden kommt hier oben rein und das läuft dann auf so eine Vibrationsschiene und fällt dann hier auf eine Waage und wenn die Waage ihr Sollgewicht erreicht hat dann dreht sich diese Spindel, die Nematoden fallen in den Trichter und dann hier in die Beutelschweißmaschine. So werden sie dann automatisch verpackt. Dies ist hier die Maschine für die 50 Millionen Einheiten und das ist die Maschine für größere Einheiten. Diese Beutel werden dann wieder umverpackt und dann hier je nachdem welche Märkte entweder mit den deutschen Packungen, mit den französischen, mit den niederländischen, dänischen, je nachdem."

    Das Pulver muss dann nur noch in Wasser aufgelöst werden und mit einer Blumenspritze auf den Erdbeeren, dem Rhododendron oder dem zerfressenen Rasen verteilt werden. Hatten Sie übrigens zu Weihnachten einen Weihnachtsstern auf der Fensterbank stehen? Dann hatten Sie sehr wahrscheinlich schon die ersten Nützlinge im Haus. Damit Trauermücken nicht die schönen roten Blätter zerfressen, bekommt der Weihnachtsstern gleich in der Gärtnerei Gesellschaft vom Wurm Steinernema feltiae.