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Wurst enthält viele Zusatzstoffe - manche sind problematisch

Wurst besteht nicht nur aus Fleisch - kaum ein Lebensmittel braucht so viele Zusätze. Wissenschaftler aus Kassel und Fulda haben im Auftrag der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall untersucht, was in abgepackter Wurst alles enthalten ist - was sie fanden, ist zwar immer zugelassen, aber nicht immer und für jeden Esser unproblematisch.

Von Susanne Kuhlmann | 27.02.2009
    Pökelware, Brühwurst, Leberwurst - untersucht wurden Fleischerzeugnisse fünf verschiedener Produktgruppen aus konventioneller Herstellung. Die meisten Würste enthielten zwei bis vier verschiedene Zusatzstoffe, manche bis zu elf. Die Forscher fanden insgesamt 33 unterschiedliche Substanzen, die alle zugelassen waren. Zusatzstoffe - so sieht es das entsprechende Gesetz vor - dürfen nur aus "technologischen Gründen" eingesetzt werden.

    "Das heißt, sie sollen den Lebensmitteln eine gleichbleibende Stabilität und Qualität geben und sie für den Verbraucher haltbar machen. Die Lebensmittel sollen vom Aussehen her ansprechend sein. Zum Beispiel würde niemand eine graue Wurst kaufen, sondern es ist verkehrsüblich, dass die rötlich gefärbt ist. Und sie sollen diesen Zustand der Rohstoffe erhalten aber auch eine längere Haltbarkeit von den Waren hervorrufen."

    Renate Scherer ist Lebensmittelchemikerin beim Chemischen Landes- und Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt Münster. Natriumnitrit ist der Zusatzstoff, der in der Markterhebung am häufigsten gefunden wurde; ein Alleskönner. Er verhindert, dass sich Keime bilden, sorgt für die rötliche Farbe und beeinflusst die Bildung des typischen Pökelaromas. Weil er auch schlechte Eigenschaften hat, suchen Lebensmitteltechnologen schon lange nach einem Ersatz.

    "Man weiß, dass Nitrit mit Eiweißstoffen Nitrosamine bilden kann, und
    diese Nitrosamine gelten als kanzerogen. Daher versucht man, all diese Stoffe zu vermeiden. Aber hier hat man noch keinen Stoff gefunden, der diese Wirkungen alle hat und mit dem man das Natriumnitrit ersetzen könnte."

    Der in der aktuellen Untersuchung am zweithäufigsten gefundene Stoff ist Ascorbinsäure.

    "Ascorbinsäure ist auch ein Stabilisator, zum einen. Er kann die Farbe stabilisieren von den Wurstwaren und wird auch vielfältig in Lebensmitteln eingesetzt. Die Ascorbinsäure ist auf der anderen Seite auch ein Stoff mit ernährungsphysiologischer Wirkung, also Vitamin C, bekannt für alle Verbraucher. Aber in diesem Fall hat es keine ernährungsphysiologische Wirkung, sondern eine technische; Stabilisierung des Produktes."

    Ascorbinsäure gilt als unbedenklich, sagt Renate Scherer. Zwar gibt es für Vitamin C eine empfohlene tägliche Höchstmenge. Aber Wurst hat daran nur einen geringen Anteil. Mit zu viel Ascorbinsäure schmeckte sie nämlich sauer.
    Halten sich die Wursthersteller bei der Produktion an die erlaubten Dosierungen von Zusatzstoffen, gelten die festgesetzten Höchstwerte als unbedenklich. Das bestätigt auch Britta Klein, Agrarwissenschaftlerin und Redakteurin beim aid-infodienst in Bonn. Unkritisch sind die Zusätze jedenfalls für Jugendliche und Erwachsene.

    "Wo man ein Auge drauf haben sollte, das sind kleine Kinder - sagen wir, bis Ende Kindergartenalter - die wenig Gewicht haben. Die sind unter Umständen schon mit einem Wiener Würstchen am Tag und zwei Scheiben Fleischwurst über ihren empfohlenen Aufnahmewerten. So sollte man die nicht unbegrenzt mit gepökelter Wurst versorgen".
    Zumal es auch Alternativen gibt: Bratenaufschnitt etwa enthält keine Pökelstoffe. Auch andere empfindliche Bevölkerungsgruppen könnten Schwierigkeiten mit Zusatzstoffen bekommen. Allergiker vertragen zum Beispiel manche Farbstoffe nicht. Und für Menschen mit Nierenerkrankungen sind Phosphate problematisch. Diese Gruppe von Zusatzstoffen wird vor allem bei der Herstellung von Brühwürsten eingesetzt, um Wasser zu binden.

    "Es gibt die Einschränkung für Dialysepatienten, wo warnende Hinweise kommen, dass Personen, die schon unter eingeschränkten Nierenleistungen leiden, sich in punkto Phosphate etwas zurückhalten sollten. Phosphate sind in konventionellen Wurstwaren auch enthalten, zum Teil enthalten. Die sollten sich ihren Speisezettel ein bisschen gründlicher angucken und da zurückhaltend sein."

    Für Biowurst gelten strengere Richtlinien, auch was Zusatzstoffe betrifft. Manche Stoffe dürfen gar nicht eingesetzt werden, andere in eingeschränkter Menge. Für Verbraucher heißt das: Die Produkte sind nicht so lange haltbar wie konventionelle Ware. Für Biohersteller bedeutet das: Sie müssen auf andere Weise dafür sorgen, dass sich Keime nicht zu schnell ausbreiten. Britta Klein vom aid-infodienst:

    Die sind sich durchaus darüber im Klaren, dass sie eine große Verantwortung übernehmen, wenn sie die hygienisch einwandfreie Beschaffenheit ihrer Wurstwaren durch eine besonders ausgefeilte Technologie sicherstellen müssen. Ohne Pökelstoffe hergestellte Wurstwaren sind deutlich kürzer haltbar. So kommt der Verbraucher in eine neue Verantwortung, die er dann selber übernehmen muss.

    Link zur Zusatzstoffliste der Verbraucherinitiative:
    zusatzstoffe-online.de

    Broschüre vom aid-infodienst:
    "Zusatzstoffe in Lebensmitteln Familie Fischer will`s wissen"
    1546/2008
    ISBN 978-3-8308-0722-3
    Kosten 2,50 Euro

    Zu beziehen beim
    Aid-infodienst Verbraucherschutz, Ernährung, Landwirtschaft e.V.
    Heilsbachstr. 16
    53123 Bonn
    Email: aid@aid.de