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Youtube-Andachten mit Katze
Gottes Werk und "Tigers" Beitrag

Katzen gelten als die inoffiziellen Maskottchen des Internets. Das "Cat Content" meist mit Klicks verbunden ist, weiß ein christlicher Youtube-Account für sich zu nutzen: Die Katze "Tiger" ist der Star der Online-Andachten der Kathedrale von Canterbury, meint Arno Orzessek in seiner Glosse.

Von Arno Orzessek |
Screenshot des Youtube-Videos "Morning Prayer" vom 6. Juli 2020, erschienen auf den Kanal "Canterbury Cathedral". Im Ausschnitt sind Dekan Robert Willis und die Katze "Tiger" im Garten zu sehen.
Dekan Robert Willis mit Katze "Tiger" in einem Youtubevideo der Kathedrale von Canterbury (Youtube / Canterbury Cathedral / Screenshot: Deutschlandradio)
Wir wollen dem Urteil der Theologen nicht vorgreifen - aber in Lukas 1, Vers 37, heißt es, bei Gott sei "kein Ding unmöglich". Und das impliziert rein sprachlogisch, dass er auch im Internet surfen kann.
Es ist also denkbar, dass der Allerhöchste die Videos mit Dekan Robert Willis im Garten der Kathedrale von Canterbury kennt. Und da wüssten wir schon gern, ob selbige nach den Maßstäben himmlischer Medien-Kritik gute Werbung für die christliche Sache sind. Denn auch der Anglikanischen Kirche, dieser Konfessions-Cuvée aus Katholizismus und Protestantismus, laufen ja die Leute davon.
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Mehr Katzen-Video als digitale Andacht
Es sind aber nicht Willis sonore Morgenandachten, die Tausende Surfer faszinieren – im Zusammenschnitt bei Youtube sogar Hunderttausende –, es ist eine Hauskatze namens Tiger.
In der meist-geklickten Sequenz interessiert sich Tiger noch weniger für Willis' erbauliche Worte als englische Teenager. Dafür umso mehr für die Milch in dem Kännchen, das mit sonstigem Teegeschirr auf einem Tisch neben dem Dekan steht.
Tiger taucht seine Pfote in die Milch, schleckt sie ab, taucht sie wieder ein, schleckt sie wieder ab und so weiter. Das sieht, gerade im Kontrast mit dem gütig-ernsten Willis in seiner schwarzen Berufskleidung, wirklich possierlich aus.
So possierlich, dass das Andachts-Video in dieser Passage eindeutig zum Katzen-Video mutiert. Und das ist genremäßig ein Höllensturz – als würde Messwein im Pub ausgeschenkt. Könnte man jedenfalls denken.
Aber der Allwissende weiß natürlich auch, dass Katzen-Videos die aussichtsreichste Konkurrenz von Pornos sind, wenn es um die meist-gesuchten Internet-Inhalt geht.
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Der Einfluss der Katzen auf die Geschichte des Internets
Allein bei Youtube gibt es mehrere Millionen Katzenvideos. Kein Zufall - denn Katzen hatten einen nicht unerheblichen Anteil an der Entwicklung des Internets.
Insofern mag er das Video mit dem Tiger von Canterbury als harmlose Ablenkung von den echten Sündenpfuhlen im Netz durchgehen lassen. Zumal Tiger beileibe kein zynischer Garfield ist, wie im gleichnamigen Comic, sondern ein Tier, dessen Drolligkeit seinen Schöpfer ehrt.
Von "cat-holic" bis "meow culpa"
Doch wenn Dekan Willis im Zwiegespräch mit seinem allerobersten Boss den kniffligen Fall durchgeht, hat er einen noch höheren Trumpf im Ärmel. Willis muss ja nicht erwähnen, dass er bei Youtube als wahrer "cat-holic" gefeiert wird - "cat" wie Katze und "-holic" wie in "catholic", englisch für katholisch.
Oder dass der Youtuber "HyperCobaltMax" das alte katholische Schuldbekenntnis "mea culpa" angesichts von Tigers Milch- und Mundraub in "meow culpa" umdichtet.
Dass "Simanta Dutta" wiederum postet: "Zur Hölle mit Jesus, jemand sollte eine Katzen-Religion gründen", könnte sogar, abzüglich der fetten Ironie, als Blasphemie gelten.
Andererseits ist sich "ITz That Guy" sicher: "The cat is Jesus" – was die Katzen-Religion überflüssig machen würde, wenn's denn stimmt.
Nein, der Trumpf, den Robert Willis gegenüber dem Allerhöchsten ausspielen kann, ist ein Tweet zum Katzen-Andachts-Video, in dem es heißt: "Ich kam wegen der Katzen, aber ich blieb wegen des Katechismus."

Bitte schön: Wem diese Worte keine Tränen der Rührung in die Augen treiben, ist dem Christentum verloren. Tiger aber mag sich mit den Pfoten auf die Brust trommeln. Denn als er loszog, um sich Milch zu stibitzen, war er offenbar im Namen des Herrn unterwegs. Amen.
Arno Orzessek. Seit 1966 Arbeiter- und Bauernsohn, geboren in Osnabrück. Studierte in Köln Philosophie und anderes. Dank "unverlangt eingesandt": SZ- und DLF-Autor; auch: zwei Romane. Lebt seit 2000 rundfunktreu in Berlin. Angesichts der Unordnung der Dinge thematisch unspezialisierter Stoffwechsel-Spezialist. Welt-Erfahrung per Motor- und Rennrad, plus Lektüre. Radio-Ideal: Geistvolles in sinnlicher Sprache; Ziel: Gedankenübertragung; Methode: Arbeit am Text; Verfassung: der Nächste bitte!