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Ypsilantis zweiter Anlauf

Die hessischen Sozialdemokraten wollen in Frankfurt einen möglichen zweiten Anlauf für ein rot-grünes Minderheitskabinett mit Duldung der Linkspartei beraten. Die schwierige Debatte spiegelt die Zerrissenheit der SPD, in der linker und rechter Flügel konkurrieren und in der einer nach links strebenden Landespartei eine Bundes-SPD gegenübersteht, die mit der Union koaliert.

Von Anke Petermann | 12.08.2008
    Die Organisation ihres traditionellen Straßenfestes im Frankfurter Nordend steht beim Treffen der grünen Stadteilgruppe als einziger Punkt auf der Tagesordnung. Die Gruppe bezeichnet sich selbst als "Linksgrüne" und spannender als ihr Straßenfest findet sie die Frage, ob SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Ypsilanti einen erneuten Versuch unternimmt, sich mit Hilfe der Linken zur Chefin einer rot-grünen Minderheitsregierung wählend zu lassen. Bernhard Maier:

    " Die eindeutigeren Impulse werden dann kommen, wenn sie mal wirklich mit den Linken redet. Bisher - weiß ich nicht - hat sie's noch nicht so getan - das würde spannender sein. Wann wird sie überhaupt mal mit den Linken reden, so dass die Öffentlichkeit auch davon erfährt, was wird da besprochen. Das wird dann, glaube ich, entscheidend sein für die SPD intern: wie wird da dann die Basis drauf reagieren, ne. "

    Das erste offizielle Treffen mit der Linksfraktion hat Andrea Ypsilanti soeben vereinbart. Und im Sommerinterview des HR-Fernsehens zeigt sie sich tief entschlossen, den zweiten Anlauf an die Macht zu wagen. Zumindest nach außen argumentiert sie so:

    " Es gibt noch die Mehrheit dieser Menschen, die in der Wahl gewählt haben, die wollen den Politikwechsel, und ich würde den gerne liefern. "

    Und zwar aus der Regierungsverantwortung heraus. Es sei aber noch nichts beschlossen, stellt die Chefin der Hessen-SPD klar:

    " Ich möchte diese Politik als Prozess begreifen. Der ist nicht endlos, und ich glaube, bis Ende des Jahres wollen die Bürgerinnen und Bürger auch wissen, wo es langgeht, aber in dem Prozess muss es eine Offenheit geben. Und die gibt es auch, und da gibt es noch keine beschlossenen Dinge - heute noch nicht. "

    Und morgen angeblich auch nicht, denn die Frankfurter Sitzung des SPD-Landesvorstands soll keinen Fahrplan für den zweiten Anlauf an die Macht festzurren, so heißt es offiziell. Sondern nur den Zeitplan für die parteiinterne Meinungsbildung.

    " Ich bin keine Basta-Politikerin, sondern ich frage schon die Partei, welchen Weg sie mit mir gehen will. Und ich möchte eine möglichst breite Beteiligung, auch derer die Wahlkampf gemacht haben, wie es denn weitergehen soll, und da bieten sich Regionalkonferenzen an. Das heißt in die Breite in der Partei zu diskutieren. "

    Aufgrund des Stimmungsbildes, das die Regionalkonferenzen liefern, soll dann ein Landesparteitag entscheiden, ob die SPD Koalitionsverhandlungen mit den Grünen aufnimmt, eine Tolerierung durch die Linke anbahnt und so das rot-grüne Experiment startet. Ob der Parteitag wie geplant noch vor der Bayern-Wahl zusammenkommt oder erst danach, Anfang Oktober nämlich, das soll morgen Abend der Landesvorstand beschließen. Dass die Meinungsbildung auf Regionalkonferenzen länger dauert als geplant, zeichnet sich als offiziell genannter Grund für eine Verschiebung ab. "Das glaubt den hessischen Sozialdemokraten ohnehin keiner mehr", sagte im Vorhinein schon der geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch von der CDU. Der eigentliche Grund, das potentielle Votum für eine umstrittene rot-rote Kooperation zu vertagen, dürfte in der Tat die Bayern-Wahl Ende September sein. Dass seine Gegenspielerin Andrea Ypsilanti erneut versuchen will, ihn aus der Staatskanzlei zu vertreiben, kommt nicht unerwartet für den Christdemokraten Roland Koch.

    " Allerdings ist eben das gebrochene Wort von Frau Ypsilanti nicht nur, was schlimm genug ist, ein gebrochenes Wort gegenüber den Wählerinnen und Wählern in diesem Bundesland mit all den Folgen für die Glaubwürdigkeit der SPD, sondern es ist auch ein gebrochenes Wort gegenüber der Führung der SPD in Deutschland. "

    Die sich eine Weile lang allerdings auch nicht so recht an ihre eigene Zusage erinnern wollte, dass die SPD-Landesverbände über ihre Bündnispolitik autonom entscheiden können. Doch die Beharrlichkeit der hessischen Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti scheint die Erinnerung des Parteichefs in dieser Hinsicht aufgefrischt zu haben. Kurt Beck will der einst hoch gelobten Wahlkämpferin nun freie Hand lassen. Auch wenn sie sich seiner Meinung nach anschickt mit dem gleichen Kopf gegen die gleiche Wand zu rennen. Die Erwägung, der hessischen Genossen, doch noch eine rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden, kommentiert der SPD-Bundesvorsitzende am Rande eines Besuchs im brandenburgischen Teltow mit neuer Zurückhaltung.

    " Das ist zunächst einmal eine Entscheidung der hessischen Freundinnen und Freunde. Und selbstverständlich sind wir bereit mit Beratungen und Überlegungen zur Seite zu stehen. "

    Doch damit, so meint jedenfalls die CDU, habe Beck das Thema verfehlt. Jetzt gehe es darum, Andrea Ypsilanti zu stoppen, mahnt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Nachmittag in Berlin.

    " Es geht um eine möglicherweise fatale Richtungsentscheidung der SPD in Deutschland. Und es geht um die Fortsetzung eines Betruges an den Wählern, in Hessen und darüber hinaus. Nachdem Herr Beck jetzt zweimal mit seinem Kopf vor die hessische Wand gelaufen ist, ist Herr Steinmeier gefordert jetzt Führung zu zeigen. "

    Schweige Steinmeier als potentieller Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten zu den Entwicklungen in Hessen, mache er sich selbst des Wortbruchs schuldig, so Pofalla. "Reines Geschwätz, reine Polemik" kontert knapp der SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck. Doch angeblich gibt es ja noch gar keinen Aufgalopp für eine linke Regierungsbildung, sondern nur Sondierungen, beschwichtigt ein SPD-Sprecher. Auch beim Ortstermin mit der Linksfraktion wolle Andrea Ypsilanti weder Inhalte noch Zeitabläufe für eine Tolerierung absprechen. Keinesfalls, so beeilt sich der Sprecher zu versichern, seien Ergebnisse des Gesprächs mit der Linksfraktion Vorraussetzung für die laufende Willensbildung unter hessischen Sozialdemokraten. Sollen oder wollen sie den zweiten Anlauf überhaupt wagen?

    Beim Besuch im nordhessischen Kassel bereiten die Genossen des Arbeitnehmerflügels ihrer umstrittenen Frontfrau einen herzlichen Empfang:

    Doch so mancher ältere Genosse lässt durchblicken, dass er wenig hält von der Aussicht auf eine SPD-Ministerpräsidentin von Gnaden der Linken.

    " Die Bevölkerung schaltet ja den Verstand nicht aus, die hat ja gehört, was die Ypsilanti gesagt hat, und jetzt plötzlich mit den Linken - ich weiß nicht, ob das zur Ehrlichkeitsfindung der Partei gut tut - weder hier im Land noch im Bund. Im Bund hat es ja der Steinmeier Schlicht und ergreifend abgelehnt, ne. "

    Und sollte Ypsilanti den politischen Feldversuch tatsächlich wagen, könnte das den Fahrplan für die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur kräftig durcheinanderbringen. So lange nicht klar ist, wohin die Hessen-SPD marschiert, dürften sich möglich Aspiranten bedeckt halten. Der ergraute Kasseler Genosse, der seit fünf Jahrzehnten Sozialdemokrat, rät seinem Landesverband: lieber Fehler zugeben und bei Neuwahlen eine Schlappe riskieren. Dabei hat er wohl die mageren Umfragewerte der Hessen-SPD im Auge, die einen Einbruch bei einem vorgezogenen Urnengang im Sommer nächsten Jahres wahrscheinlich machen würden. In die Glaubwürdigkeitsfalle geraten zu sein, lasten auch die im Frankfurter Nordend tagenden Grünen der Möchtegern-Ministerpräsidentin als Patzer an: ohne Not habe sie eine Zusammenarbeit mit der Linken im Vorhinein ausgeschlossen. Zweiter Fehler: sie habe nicht mit den Abgeordneten der eigenen Fraktion geredet. In der Tat war Andrea Ypsilanti beim ersten Anlauf, mit Hilfe der Linken eine rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden, für sie selbst überraschend am Widerstand der Darmstädter Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger gescheitert. Doch für den zweiten Anlauf an die Macht ist sich die Chefin der Hessen- SPD nun sicher, ihre Fraktion bis auf die eine Ausnahme hinter sich zu haben.

    " Da bin ich mir ganz sicher. Wenn wir den Weg gemeinsam beschließen und ein Parteitag die Zustimmung gibt, werden alle Abgeordneten bis auf Frau Metzger, die ihre Meinung auch nicht ändert, meinen Weg und den, den wir beschließen, unterstützen, da bin ich mir ganz sicher. Es ist richtig, ich habe noch nicht mit allen gesprochen aber schon mit vielen und ich werde mit allen sprechen... "

    SPD-Abgeordnete in den Startlöchern zum zweiten Anlauf an die Macht. Manfred Görig über Anzeichen für neue Entschlossenheit und Geschlossenheit hessischer Genossen:

    " Man will einen neuen Anlauf machen, das ist natürlich noch eine Entwicklung bis dorthin, weil man wie man es versprochen hat, die Partei natürlich mitnehmen will und natürlich dann auch Absprachen treffen muss, mit den Linken, was man in der nächsten Zeit machen will. "

    Und genau darüber gibt es Aufregung. Silke Tesch wird in der Frankfurter Rundschau als Sprecherin des rechten SPD-Flügels damit zitiert, dass sie Bedingungen an die Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin stelle. Die Nachrichtenagentur Reuters verallgemeinert das und macht daraus "rechter Flügel der Hessen-SPD stellt Ypsilanti Bedingungen". Silke Tesch fühlt sich falsch verstanden und als Abweichlerin abgestempelt.

    " Ich habe nicht von Bedingungen gesprochen... Also ich bin keine Abweichlerin - fertig! Wir müssen doch mit allen Parteien reden und man muss auch mit den Linken reden, welche Vorstellungen sie haben, welche Vorstellungen die Grünen haben, das ist im Fluss und das macht Andrea Ypsilanti. "

    Und hinter der Landesvorsitzenden stehe sie, betont Silke Tesch. Ausdrücklich baut Parteichefin Ypsilanti auch auf ihren Stellvertreter Jürgen Walter, bislang eher als innerparteilicher Rivale bekannt und bei Teilen der Basis als Intrigant verschrien. Er habe Ypsilanti sehenden Auges ins offene Messer laufen lassen, wurde nach dem Veto der Darmstädter Abgeordneten Dagmar Metzger kolportiert. Andere wiederum machen Reinhard Kahl verantwortlich. Der parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion habe bei seiner Aufgabe geschlampt, die verlässliche Zustimmung aller 42 Abgeordneten einzuholen. Andrea Ypsilanti verzichtet darauf, schmutzige Wäsche zu waschen, im HR-Sommerinterview lächelt sie beharrlich alle Bedenken bezüglich möglicher Wackelkandidaten weg.

    " Jürgen Walter steht an meiner Seite. Sie können davon ausgehen, dass ich so einen Prozess, in der Partei jetzt zu einer Meinungsbildung zu kommen, nicht anstoßen würde, wenn ich nicht schon Gespräche mit vielen Menschen, natürlich auch mit Jürgen Walter geführt hätte. Und wir sind uns einig, dass wir den Weg gemeinsam gehen, da gibt es überhaupt kein Vertun. "

    Die Grünen reagieren nach der langen Hängepartie mit einer Mischung aus Erleichterung und Reserviertheit darauf, dass die SPD jetzt aus den Startlöchern kommt. Matthias Wagner, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag:

    " Wir haben immer gesagt, die Hängepartie kann nicht auf Dauer so weiter gehen, wir wollten Klarheit von der SPD und wenn es jetzt in dieser Woche in Richtung Klarheit geht, dann finden wir das gut. Von unserer Seite ist ja seit dem März klar, wenn die Inhalte stimmen, dann würden wir ein solches Projekt mittragen. Ob die Inhalte stimmen werden wir dann in Koalitionsverhandlungen mit der SPD klären. Wir brauchen verlässliche Absprachen, auch mit den Linken, da muss es ganz klare Zusagen zu den wesentlichen Politikfeldern geben. Es bringt nichts allein eine neue Ministerpräsidentin zu wählen, sondern wir brauchen auch eine stabile Grundlage in den wichtigen landespolitischen Fragen und dazu muss sich die Linke bekennen. Keiner von uns weiß im Moment auch, was der Parteitag der Linkspartei Ende August beschließen wird, also es gibt noch zahlreiche Fragezeichen. Deshalb bleiben wir Grünen dabei, die Inhalte müssen stimmen und wir brauchen eine verlässliche und stabile Regierung. "

    "Für ein Himmelfahrtskommando stehen wir nicht zur Verfügung" hatte Grünen-Chef Al-Wazir mit Blick auf seine Zweifel an der politischen Zuverlässigkeit der Linken gesagt. Doch frustrierte Grüne an der Frankfurter Basis haben das Experiment Minderheitsregierung ohnehin längst abgeschrieben.

    " Es wird gar kein Himmelfahrtskommando, weil es auch keinen zweiten Anlauf geben wird. Auch ohne Druck aus Berlin -schaffen die das nicht. Nach dem grandiosen Fehlstart wird's keinen zweiten geben. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie jetzt ihre Leute hinter sich kriegen wird, auf einmal - das kommt nicht. Es wird noch ne Zeit lang einen geschäftsführenden Ministerpräsidenten geben und dann werden wir mit der Europawahl neu wählen, und dann ist alles - anders. "

    Andere am Tisch beim Frankfurter Grünen-Treffen im Straßencafe nicken. Der grüne Politologe Bernhard Maier aber baut weiter auf sozialdemokratischen Tatendurst. Auch in der Linksfraktion kommt Freude auf, bei der Aussicht, den Politikwechsel nicht mehr in mühevoller parlamentarischer Kleinarbeit gegen eine geschäftsführende Regierung Koch durchsetzen zu müssen. Fraktionschef Willi van Ooyen

    " Wenn die SPD bereit ist und Andrea Ypsilanti auch persönlich bereit ist als Ministerpräsidentin anzutreten, glauben wir, dass die Umsetzung der bisherigen Politik links von FDP und CDU leichter möglich wird. Wir haben schon im Februar gesagt, das wird die Normalität sicher sein, dass man unter vernünftigen Menschen auch miteinander redet, über die politischen Inhalte. Das hat sich auch in den letzen Monaten gezeigt, als es darum ging tatsächlich neue politische Positionen im Parlament durchzusetzen. Da sind nicht alle mit zufrieden gewesen, da gab es streitige Punkte, ob das auch bei der Frage der Studiengebühren ist, ob das mit der Relegation von Langzeitstudenten einhergeht oder nicht, das sind ja oft strittige Punkte gewesen, zu denen wir nicht zugestimmt haben. Also von daher gehe ich davon aus, dass man natürlich über die politischen Inhalte, über die politischen Schwerpunkte, die man im Herbst jetzt andenkt, gemeinsam redet, Verabredungen trifft und diese dann auch einhält. Das wäre für uns und von uns natürlich auch die Garantie, dass wenn wir irgendeiner Situation zugestimmt haben oder einem politischen Prozess, dass wir uns daran halten werden. "

    Ganz Hessen wartet nun gespannt, wie die SPD die Weichen stellen wird. Der geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch scheint sich indes gut mit einer Zuschauerrolle abfinden zu können. Jetzt sei Andrea Ypsilanti am Zug, kommentiert der Chef der Hessen-CDU gelassen ... "und wenn sie ihren Zug gemacht hat, bin ich wieder am Zug." FDP Fraktions- und Landeschef Jörg-Uwe Hahn flankiert die Zuversicht seines Freundes Koch, Andrea Ypsilanti steuere auf den politischen Abgrund zu, mit einem prägnanten Wunsch:

    " Ich wünsche Andrea Ypsilanti, dass sie ganz schnell - scheitert. "

    Ungeachtet aller schlechten Wünsche soll auf den SPD-Regionalkonferenzen zunächst einmal die Basis zu Wort kommen. Die sagt natürlich schon längst ihre Meinung dazu, zum Beispiel am Biertisch auf dem Kasseler Treffen des Arbeitnehmerflügels. Die wenigsten hier sind der Ansicht des älteren Genossen, man solle den zweiten Anlauf besser lassen. Im Gegenteil - einer winkt die Parteichefin bei deren kurzen Kasseler Gastspiel zu sich - und spricht ihr Mut zu.

    " Es muss einen neuen Anlauf geben, die Wähler haben ganz einfach auch entschieden und man muss sich ganz einfach damit auseinandersetzen, das viele Bürgerinnen und Bürger auch ne andere Kraft, und das sind die Linken, akzeptieren und das müssen wir als SPD auch erkennen, akzeptieren und deswegen auch einen neuen Anlauf wagen. "

    Und zwar den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch von der CDU vom Thron zu stoßen, da pflichten viele im Bierzelt am Fuldaufer bei. Zweiter Versuch?

    " Ich bin dafür, dass er gemacht wird. Punkt. Mit allem Risiko. - ja auf jeden Fall. Weil ich glaub' die Situation, wie sie im Moment ist, ist nicht akzeptabel. Man sieht, dass bei allen schönen Worten, die Landesregierung die keine Mehrheit hat, die Projekte nicht so umsetzt, wie sie im Landtag beschlossen werden und wo wir eben bei den Inhalten waren, genau da liegt für mich einer der Gründe, dass man es drauf ankommen lassen muss, auch wenn es ein Risiko gibt. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Inhalte nur dann durchzusetzen sind, wenn man den Versuch wagt. Wenn man eine Machtoption ausschlägt, ist man selber schuld. Das kann's nicht sein! Gewählt worden sind wir wegen der Inhalte und nicht wegen der Frage, ob wir für oder gegen die Linken sind. Wenn man eine inhaltliche Übereinstimmung hinbekommt, so dass man davon ausgehen kann, dass das über mehrere Jahre hinweg trägt, dann bin ich der Auffassung sollte man es versuchen. "

    Die tendenziell linken hessischen Genossen demonstrieren im Clinch mit dem eigenen Bundesvorstand gesundes Selbstbewusstsein. Sie halten sich zugute, schon früh erkannt zu haben, dass der eher wirtschaftsliberale Agenda-Kurs der Schröders und Clements die Sozialdemokratie in die Sackgasse führe.

    " In den letzten Jahren hat sich die Hessen-SPD auf ne bestimmte Art und Weise profiliert, zum Teil auch gegen Berlin, und sie hat damit Erfolg gehabt. Und dann sagt man sich da die Meinung, auch die unterschiedliche Einschätzung, aber für den Bundeswahlkampf ist dann auch die Berliner oder die Bundes-SPD zuständig. "

    Und die möge doch bitte erst mal zeigen, ob es ihr so gut gelinge wie der Hessen-SPD, die Linke klein zu halten. Haben hessische Genossen gar kein Verständnis für die Nöte der Parteiführung im Vorfeld der Bundestagswahlen? Doch, sagt Andrea Ypsilanti.

    " Kurt Beck hat natürlich Bundesinteressen und wir haben da sehr offen drüber gesprochen. Es ist nicht so, dass dem hessischen Landesverband oder mir als Spitzenfrau nicht klar ist, dass der Bund ein Interesse hat, in dem was in Hessen passiert, aber im Endeffekt gilt, dass die politischen Ebenen für sich entscheiden müssen. Und ich muss eine hessische Entscheidung treffen, dabei ist mir der Bund nicht egal, aber ich halte die Stilisierung, was die Hessen machen für das Wohl und Weh der gesamten Bundespartei. Bei der die Charakterfrage der Vorsitzenden völlig überdreht. Wir müssen entscheiden: was ist das Beste für Hessen im Moment? Und zu dieser Entscheidung werden wir auch kommen, da reden wir auch im Bund darüber, aber die Warnungen, die ich ja auch sehr wohl höre, übrigens auch von Kollegen aus anderen Bundesländern, die sich glaub ich die Finger nach so einem Wahlergebnis lecken würden und jetzt gute Ratschläge geben, die man nicht jeden Tag braucht. Kurt Beck hat das Recht, mit mir darüber zu reden, und das haben wir auch getan und wir bleiben da auch im Austausch. "