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Zählaktion: "Stunde der Wintervögel"
Wie viele Vögel sind noch da?

Beeinflusst der Klimawandel, wie viele Vögel in Deutschland leben? Der Naturschutzbund Deutschland NABU ruft zum bundesweiten Vogelzählen auf: Freiwillige können vom 5. bis 7. Januar dabei helfen, die Wintervögel in Deutschland zu zählen. Die Ergebnisse fließen in eine Langzeitstudie ein.

Von Uschi Götz | 04.01.2018
    Eine Blaumeise (Cyanistes caeruleus) sitzt auf einem Ast.
    Vom 5. bis 7. Januar 2018 findet zum achten Mal die bundesweite "Stunde der Wintervögel" statt, die vom Naturschutzbund Deutschland NABU ausgerufen wird (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    "Die Kohlmeise, die Sumpfmeise war da, die Blaumeise ..."
    Und viele Spatzen. Stefan Bosch, Vogelexperte bei NABU Baden-Württemberg, steht auf seiner Terrasse in Sternenfels, etwa 20 Kilometer nordöstlich von Pforzheim. Er zeigt auf eines von mehreren Futterhäuser. Ein Buchfink kommt angeflogen.
    "Buchfinken überwintern zum großen Teil im Mittelmeerraum und es sind nur einzelne Männchen, die im Winter über hier sind", erklärt Bosch. Sind es mehr Buchfinken als noch vor einem Jahr, die im Winter hier bleiben? Eine von vielen Fragen, die Wissenschaftler beschäftigen:
    "Die Aktion ist insofern interessant, je länger sie läuft. Je mehr Daten wir aus verschiedenen Jahren haben, um so eher kann man Trends aufzeigen."
    Bundesweit zum achten Mal findet in diesem Jahr die Winterzählung statt. Federführend sind dabei der bayerische Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Naturschutzbund Deutschland NABU. Im Unterschied zur Sommerzählung, bei der es vor allem um die Brutvögel geht, interessieren sich die Experten im Winter vor allem für Vögel, die hierzulande überwintern und für Gastvögel:
    "Aus Skandinavien und aus dem Nordosten Europas, wie den Seidenschwanz, den Erlenzeisig und den Birkenzeisig. Also Vögel, die den Winter nur bei uns verbringen und dann wieder abziehen und nicht bei uns brüten."
    Je wärmer die Winter, desto weniger Gäste, künftig also weniger Wintervögel? Auch diese Frage soll mit der Zählung beantwortet werden. Immerhin 17 Prozent weniger Vögel wurde im vergangenen Jahr gegenüber dem langjährigen Durchschnitt gezählt. Einige Wissenschaftler werten den Rückgang schon heute als eindeutiges Zeichen des Klimawandels.
    So funktioniert die "Stunde der Wintervögel"
    Wer mitzählt, sollte sich einen ruhigen Platz suchen, um die Tiere zu beobachten. Wichtig dabei:
    "Nicht jede Amsel, die vorbeifliegt immer wieder zählen, das kann ja zu Wiederholungen kommen, sondern nur die maximal beobachte Zahl an einer Art von Vögeln erfassen. Wenn zu einem Zeitpunkt drei Amseln im Garten sind und vorher zeigt sich eine und nachher zeigen sich noch zwei, dann werden nur die drei aufgeschrieben."
    Kurz: Die höchste Vogelzahl einer Art, die während der Beobachtungsstunde gesehen wird, sollte aufgeschrieben werden, erklärt Vogelexperte Bosch mittlerweile in der warmen Stube mit Blick in seinen Garten. Wer unsicher ist, findet im Internet eine "Zählhilfe für Wintervögel" ebenso ein Online-Meldeformular, das neben Art und Zahl der gesehenen Vögel auch nach dem Ort der Zählung fragt.
    "Es geht bei der Aktion um die Vögel im Siedlungsraum, also Vögel in Dörfern, in Städten, in Parkanalgen, in Gärten, auf Friedhöfen. Wir wollen keine Vögel in der Feldflur oder im Wald zählen, sondern nur im Siedlungsbereich."
    Vogelzählung: Freiwillige ermöglichen wissenschaftliche Studien
    Mit Spannung erwarten die Experten in diesem Jahr das Abschneiden des Stars. Den Star, Vogel des Jahres 2018, zog es noch vor einigen Jahren regelmäßig in den Süden. Jetzt bleibt er immer häufiger hier.
    "Und wollen wir sehen, wie der den Winter über schon da ist. Das ist ja eigentlich ein Zugvogel, der uns Richtung Südeuropa verlässt, aber immer häufiger überwintern auch bei mildem Wetter in unserem Gefilden hier. Da werden wir sehen, ob da auch viele Stare in den Gärten gesehen werden."
    Auch der Einfluss eines Krankheitserregers auf Vogelbestände ist anhand der Zählung zu erkennen:
    "Und zwar gibt es die Trichomonade, die die Finken betrifft, vor allem die Grünfinken. Wir sehen im bundesweiten Bild, dass die Bestände vom Grünfink erheblich lückig sind in Deutschland, wir haben immer wieder punktuelle Ausbrüche von Grünfinkensterben und andere Finkenarten mitbetroffen sind. Das korreliert mit den Rückgangszahlen auf Landkreisebene."
    An der Zählaktion im vergangenen Jahr haben sich bereits über 100.000 Vogelfreunde beteiligt. Und doch sei man noch in der Anfangsphase, betont Stefan Bosch. In den USA etwa werden seit über 100 Jahren die Vögel gezählt:
    "Die Briten machen es auch schon seit vielen Jahrzehnten. Die haben mit ihrer enorm großen Datenbasis schon exzellente wissenschaftliche Studien damit machen können. Da fehlt uns noch ein bisschen das Material, deshalb brauchen wir noch mehr Teilnehmer, in Amerika oder England, da nehmen Millionen Leute teil und wir freuen uns, wenn es über 100.000 sind."